Namibische Wüstenlöwen : Appetit auf Seebär
Auf einen Speiseplan, wie man ihn sonst nur von Eisbären kennt, haben sich zwei Löwenrudel an der namibischen Skelettküste verlegt: Sie jagen und fressen Seebären und andere Küstenbewohner, darunter Kormorane und Flamingos. Das berichtet Philip Stander von der gemeinnützigen namibischen Naturschutzgruppe Desert Lion Conservation im »Namibian Journal of Environment«. Für die Löwen, die mit der extremen Trockenheit der Namib-Wüste konfrontiert sind, stellten die Bewohner der Atlantikküste eine verlässliche und reichhaltige Nahrungsquelle dar.
Der Wildtierbiologe hat mit seinen Mitarbeitern die Bewegungen der ortsansässigen Löwen unter anderem mit Halsbandsendern verfolgt. Wie sich zeigte, griffen vor allem zwei Rudel des Nationalparks Skelettküste auf das Strandbuffet zurück: In den Jahren 2017 und 2018 bestanden rund 86 Prozent der von diesen Löwen verspeisten Biomasse aus Küstenbewohnern. Insgesamt zählten Stander und Team mindestens zwei Flamingos, 60 Kormorane und 18 Südafrikanische Seebären (Arctocephalus pusillus) als Beutetiere. Womöglich fraßen manche Mitglieder der Rudel auch Muscheln und andere Lebewesen der Gezeitenzone, allerdings fehlt den Biologen noch ein eindeutiger Beleg dafür.
Durch Jagd und Krieg waren die Großkatzen seit den 1980er Jahren fast vollständig aus dem Küstenbereich verdrängt worden. Erst um die Jahrtausendwende herum begannen sich die Bestände zu erholen, allerdings habe es weitere 15 Jahre gebraucht, bis die Tiere die Küstenzone systematisch als Jagdrevier wiederentdeckten. Laut Stander gibt es inzwischen fünf Rudel im Bereich des Nationalparks Skelettküste, die sich zumindest sporadisch am Ozean aufhalten.
So beobachteten die Löwenforscher drei weibliche Jungtiere, die 2017 im Alter von knapp einem Jahr ihre Mutter verloren. Stander schreibt: »Getrieben von Hunger und Verzweiflung fanden die jungen Löwinnen den Weg über die Dünen, wo sie in einem Quellbecken zu einer Insel schwammen. Hier begannen sie Jagd auf die Kormorane zu machen, die bei Nacht auf der Insel rasten.« Mit wachsender Jagderfahrung attackierten die Tiere schließlich auch andere Wasservögel und folgten den Kormoranschwärmen, was sie schließlich in die Nähe der Seebären brachte. Zunächst hätten sie verendete Seebären als Nahrung genutzt, erst ab Anfang 2018 trauten sie sich an lebende Tiere heran. Schließlich hätten sie sogar ausgewachsene Weibchen mit einem Gewicht von mehr als 50 Kilogramm erlegt.
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