Biogeografie: Auf der Flucht
Deutschland ist im Wandel: Kältespezialisten verlassen uns nach Norden, Sonnenanbeter rücken von Süden her vor - der Klimawandel macht es möglich. Ob die globale Aufheizung ein Massenaussterben von Tieren und Pflanzen auslöst, wird heiß debattiert. Vielleicht unterschätzen wir aber auch die Flexibilität unserer Umwelt.
Der Gewinner: Ursprünglich nicht einmal in Europa zuhause, nutzt die Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) aus dem Himalaja nun die Erderwärmung voll zu ihren Gunsten. Die robuste Pflanze büxt zunehmend aus Tessiner Gärten und Parks aus und macht sich in angrenzenden Bergwäldern in immer größeren Höhen breit. Der Verlierer: Für den Gletscherhahnenfuß (Ranunculus glacialis) wird der Lebensraum dagegen zunehmend knapp – er lebt an der Schneegrenze der Alpen und siedelt im Schotter der Gletscher. Bedrohte Biotope, denn die steigenden Temperaturen raffen die Eiszungen dahin und treiben die Schneegrenze nach oben, während von unten Arten aus milderen Lagen nachrücken.
Wandernde Wälder
Im Gegensatz zu anderen Studien konzentrierten sich die französischen Biologen auf die Verbreitungsschwerpunkte der untersuchten Pflanzen und nicht auf die oberen oder unteren Grenzen ihrer Heimat, denn an diesen Rändern treten Veränderungen leichter und schneller auf, während das Zentrum eher stabil bleibt. Doch dem ist nicht unbedingt so: Zwei von drei der beobachtenden Spezies verlagerten ihre Kernverbreitung nach oben und dehnten damit nicht nur ihre Heimat gipfelwärts aus. Eine Bestätigung des globalen Trends, nach dem sich in den meisten Gebirgszügen der Erde nicht nur einzelne Arten, sondern ganze Vegetationszonen bergaufwärts verlagern: Wo einst freie Wiesen blühten, wuchern heute Büsche und dringt die Waldgrenze vor – auch in Regionen, in denen es nie eine Viehwirtschaft gab wie auf den alpinen Almen, wo Kühe die Flächen baumlos hielten. Insgesamt legten die betroffenen Gewächse in den studierten Gebirgen pro Jahrzehnt rund 30 Meter nach oben zu.
Leidtragende dieser Entwicklung sind Arten, die nur über sehr kleine Verbreitungsgebiete in Gipfelnähe verfügen wie der Gletscherhahnenfuß, die bei fortgesetzter Erwärmung nicht mehr nach oben ausweichen können und deshalb vielleicht von stärkeren oder anpassungsfähigeren Konkurrenten verdrängt werden. Eine Sorge, die Scott Loarie von der Duke University in Durham und seine Mitstreiter teilen: Sie befürchten, dass ein Großteil von Kaliforniens einmaliger Pflanzenwelt durch den Klimawandel in seiner Existenz bedroht wird [2].
Rettende Refugien
Der US-amerikanische Bundesstaat gilt als ein globales Biodiversitätszentrum, was vor allem auf der Vielzahl der nur dort vorkommenden Gewächse beruht. Nun wandelt sich aber auch das Klima Kaliforniens "in einem Tempo und Ausmaß, das größer ist als während vergangener Eiszeiten", so Loarie. Die Wissenschaftler befürchten deshalb, dass viele Pflanzenarten mit den Veränderungen nicht Schritt halten können und nicht schnell genug in neue Regionen abwandern, die ihrem eigentlichen Klimaoptimum entsprechen: Zwei Drittel der kalifornischen Endemiten könnten ihren Computersimulationen zufolge bis zu 80 Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets verlieren, was ihre Risiko auszusterben beträchtlich erhöht.
Könnte man diese Regionen jedoch schützen und durch natürliche Korridore miteinander verknüpfen, ließe sich ein Großteil der kalifornischen Pflanzenvielfalt erhalten, meinen die Biologen – auch wenn die Arten innerhalb der nächsten 100 Jahre ihren Verbreitungsschwerpunkt im Schnitt um 150 Kilometer nach Norden verlagern dürften. Wegen der durchaus stark differierenden Wandergeschwindigkeiten der einzelnen Pflanzen bleiben die heutigen Lebensgemeinschaften wohl bisweilen auf der Strecke: Völlig neue Mischungen seien zu erwarten, prophezeien Loarie und seine Kollegen.
Segelnde Samen
Zumindest Pflanzen, die ein größeres Verbreitungsgebiet haben oder nicht nur auf extreme und damit seltene Standorte beschränkt sind, könnten dem Klimawandel einigermaßen gut trotzen. Denn sie müssen an den Rändern häufiger mit harschen Bedingungen zurechtkommen und sich dort entsprechend robust aufstellen: Isolierte Bestände sterben hier immer wieder aus, neue Standorte müssen besiedelt werden. Um die nötige Flexibilität zu gewährleisten, müssen die Pflanzen vorsorgen: Die kalifornische Sandverbene (Abronia umbellata) liefert dafür ein schönes Beispiel, meinen Christopher Eckert von der Queen's University im kanadischen Kingston und sein Team [3]. Das rosa blühende Gewächs findet sich in einem 2000 Kilometer langen Streifen in den Küstendünen Nordamerikas entlang des Pazifiks.
Es verändert sich etwas in den Alpen, den Pyrenäen und Karpaten, in den Anden oder den Rocky Mountains, das lässt sich immer deutlicher in natura nachweisen, ohne dass es dazu noch einer Computersimulation der Klimafolgenforschung bedarf. Das jüngste Beobachtungsbeispiel stammt von Jonathan Lenoir vom Laboratoire d'Etude des Ressources Forêt-Bois in Nancy und seinen Kollegen, die die Entwicklung der Vegetation in sechs französischen Gebirgsmassiven unter die Lupe genommen haben [1]. Sie verglichen, wie sich das optimale Verbreitungsgebiet von 171 Waldpflanzenarten von Meeresniveau bis hinauf in 2600 Metern Höhe im Laufe der letzten 100 Jahre verändert hatte. Während dieses Zeitraums stiegen die Durchschnittstemperaturen in Frankreich je nach Region um 0,6 bis 1 Grad Celsius, wobei die Höhenlagen der Gebirge am stärksten betroffen waren.
Wandernde Wälder
Im Gegensatz zu anderen Studien konzentrierten sich die französischen Biologen auf die Verbreitungsschwerpunkte der untersuchten Pflanzen und nicht auf die oberen oder unteren Grenzen ihrer Heimat, denn an diesen Rändern treten Veränderungen leichter und schneller auf, während das Zentrum eher stabil bleibt. Doch dem ist nicht unbedingt so: Zwei von drei der beobachtenden Spezies verlagerten ihre Kernverbreitung nach oben und dehnten damit nicht nur ihre Heimat gipfelwärts aus. Eine Bestätigung des globalen Trends, nach dem sich in den meisten Gebirgszügen der Erde nicht nur einzelne Arten, sondern ganze Vegetationszonen bergaufwärts verlagern: Wo einst freie Wiesen blühten, wuchern heute Büsche und dringt die Waldgrenze vor – auch in Regionen, in denen es nie eine Viehwirtschaft gab wie auf den alpinen Almen, wo Kühe die Flächen baumlos hielten. Insgesamt legten die betroffenen Gewächse in den studierten Gebirgen pro Jahrzehnt rund 30 Meter nach oben zu.
Der Grad der Anpassungsfähigkeit der einzelnen Arten unterschied sich allerdings recht stark, beobachtete Lenoirs Team: So bewegten sich typische Gebirgspflanzen schneller zum Gipfel hin als Spezies, die auch im Tiefland hausen. Und rascher auf den Wandel reagierten auch Gräser und Kräuter, die einen schnellen Generationenwechsel hinlegen, als Bäume und Sträucher, die naturgemäß etwas langsamere Lebenszyklen durchmachen und später fortpflanzungsfähig werden.
Leidtragende dieser Entwicklung sind Arten, die nur über sehr kleine Verbreitungsgebiete in Gipfelnähe verfügen wie der Gletscherhahnenfuß, die bei fortgesetzter Erwärmung nicht mehr nach oben ausweichen können und deshalb vielleicht von stärkeren oder anpassungsfähigeren Konkurrenten verdrängt werden. Eine Sorge, die Scott Loarie von der Duke University in Durham und seine Mitstreiter teilen: Sie befürchten, dass ein Großteil von Kaliforniens einmaliger Pflanzenwelt durch den Klimawandel in seiner Existenz bedroht wird [2].
Rettende Refugien
Der US-amerikanische Bundesstaat gilt als ein globales Biodiversitätszentrum, was vor allem auf der Vielzahl der nur dort vorkommenden Gewächse beruht. Nun wandelt sich aber auch das Klima Kaliforniens "in einem Tempo und Ausmaß, das größer ist als während vergangener Eiszeiten", so Loarie. Die Wissenschaftler befürchten deshalb, dass viele Pflanzenarten mit den Veränderungen nicht Schritt halten können und nicht schnell genug in neue Regionen abwandern, die ihrem eigentlichen Klimaoptimum entsprechen: Zwei Drittel der kalifornischen Endemiten könnten ihren Computersimulationen zufolge bis zu 80 Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets verlieren, was ihre Risiko auszusterben beträchtlich erhöht.
So müsste der Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens) weiter nach Norden in Richtung des Bundesstaates Washington ausweichen, aus dem Zentraltal könnten die Eichen verschwinden und in die Berge an der Grenze zu Oregon abwandern, während sich im Tal selbst Pflanzen aus der Sonorawüste breitmachen. Generell gesagt, verschieben sich die Vegetationszonen nach Norden und in die Höhe. Zugleich kristallisieren sich "Klimawandelrefugien" heraus, in denen ein Großteil der Arten überleben könnte – zumeist die Hügelketten entlang der kalifornischen Küstengebirge. Allerdings müssten diese Gebiete in einem einigermaßen natürlichen Zustand gehalten werden, meinen Loarie und seine Kollegen – angesichts der ins Umland metastasierenden Großstädte wie San Diego, Los Angeles und San Francisco ein fragliches Ziel.
Könnte man diese Regionen jedoch schützen und durch natürliche Korridore miteinander verknüpfen, ließe sich ein Großteil der kalifornischen Pflanzenvielfalt erhalten, meinen die Biologen – auch wenn die Arten innerhalb der nächsten 100 Jahre ihren Verbreitungsschwerpunkt im Schnitt um 150 Kilometer nach Norden verlagern dürften. Wegen der durchaus stark differierenden Wandergeschwindigkeiten der einzelnen Pflanzen bleiben die heutigen Lebensgemeinschaften wohl bisweilen auf der Strecke: Völlig neue Mischungen seien zu erwarten, prophezeien Loarie und seine Kollegen.
Segelnde Samen
Zumindest Pflanzen, die ein größeres Verbreitungsgebiet haben oder nicht nur auf extreme und damit seltene Standorte beschränkt sind, könnten dem Klimawandel einigermaßen gut trotzen. Denn sie müssen an den Rändern häufiger mit harschen Bedingungen zurechtkommen und sich dort entsprechend robust aufstellen: Isolierte Bestände sterben hier immer wieder aus, neue Standorte müssen besiedelt werden. Um die nötige Flexibilität zu gewährleisten, müssen die Pflanzen vorsorgen: Die kalifornische Sandverbene (Abronia umbellata) liefert dafür ein schönes Beispiel, meinen Christopher Eckert von der Queen's University im kanadischen Kingston und sein Team [3]. Das rosa blühende Gewächs findet sich in einem 2000 Kilometer langen Streifen in den Küstendünen Nordamerikas entlang des Pazifiks.
Wo ihr Verbreitungsgebiet ausufert und geeigneter Lebensraum knapp wird, setzt die Sandverbene auf Samen mit größeren Flügeln als ihre Artgenossen aus dem Kerngebiet. Ihre Fortpflanzungsprodukte segeln daher besser im Wind und verteilen sich über ein größeres Gebiet, geeignete Standorte werden eher erreicht und das Überleben am Rande gesichert. Und diese Anpassungsfähigkeit könnte ein unschätzbarer Vorteil in Zeiten des Wandels sein – sie ermöglicht eventuell eine raschere Flucht ins Klimaasyl.
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