Vulkanismus: Auf Island raucht der Vulkan wieder
Die neue Eruption ist zwar heftiger als die des Eyjafjallajökull im letzten Jahr. Doch der Grímsvötn dürfte den Flugverkehr kaum wochenlang beeinträchtigen oder eine Gletscherflut auslösen.
Islands Vulkanologen warten seit einigen Jahren auf diesen Moment. Um 17.30 Uhr Ortszeit zeichnen Geofone und seismische Messstationen am vergangenen Samstag ein Grollen auf. Die Ursache lokalisiert das automatische Messnetz des meteorologischen Dienstes des Landes sofort unter der Eiskappe des Vatnajökull: Der Vulkan Grímsvötn ist erwacht und meldet sich mit einer ungewöhnlich heftigen Eruption zu Wort. Asche und Wasserdampf steigen in wenigen Stunden rund 20 Kilometer in die Höhe, mehr als doppelt so hoch wie die Wolke des Eyjafjallajökull im Frühjahr 2010. Daraus lässt sich bereits abschätzen, dass der Schlot mehr als 100 Mal so viel Material ausstößt. Auch das Magma wird mit 2000 bis 5000 Tonnen pro Sekunde um ein Vielfaches schneller an die Oberfläche gefördert als im vergangenen Jahr, als maximal 750 Tonnen pro Sekunde emporschnellten. Meteorologische Messstationen registrierten zeitweise 1000 Mal mehr Blitze, die sich aus der Aschewolke entluden.
Verschiedene Magmen
Schon das Magma in den nur 140 Kilometer voneinander entfernten Vulkanen ist chemisch unterschiedlich. Der Eyjafjallajökull ist ein Intraplattenvulkan, der bei seinen seltenen Ausbrüchen gasreiche, zähe Lava fördert. Sie enthält viel Siliziumdioxid, wodurch sie sehr viskos wird und den Schlot für lange Zeit wirksam verstopft, bis er unter hohem Druck ausbricht. Oft finden diese Eruptionen ohne Vorwarnungen wie Erdbeben statt.
Erst Feuer, dann Wasser
Vulkane und Gletscher prägen schon lange die karge Landschaft Islands. Die wichtigste Hauptstraße der Insel durchquert im Süden kilometerweite Ebenen aus schwarzem Basaltsand, die sich zwischen den vergletscherten Vulkanen Hekla, Eyjafjallajökull, Katla oder Grímsvötn und der Küste ausbreiten. Diese Schwemmebenen werden nicht nur von isländischen Geologen Sander (isländisch: sandur) genannt, da sie das Gletschervorland maßgeblich gestalten. Nach Ausbrüchen strömen regelmäßig Flutwellen in Richtung Küste und tragen tonnenweise Sand und Geröll mit sich: die berühmt-berüchtigten Gletscherläufe. Eines der stärksten derartigen Naturereignisse in historischer Zeit ereignete sich im November 1996 nach einem Ausbruch direkt nördlich des Grímsvötn. Dort hatte sich am 30. September die sechs Kilometer lange Spalte Gjálp geöffnet, die einen Monat lang Gletschereis des Vatnajökulls schmolz.
Zuerst füllte das Wasser für drei Wochen die Calderas des Grímsvötn, ein System aus alten Eruptionskratern. Am 4. November war der Wasserdruck dann hoch genug und begann den hunderte Meter mächtigen Gletscher darüber anzuheben. Spätere Untersuchungen isländischer Geologen deuteten darauf hin, dass sich eine Druckwelle ausbildete, die in knapp zwei Tagen die für den Transport nötigen Kanäle unter dem Eis aufweitete. An der Oberfläche des Gletschers wurden Fontänen gesichtet, die auf den hohen Wasserdruck an seiner Basis schließen ließen. Dann quoll unter der Gletscherzunge des Steidarárjökull weiter im Süden eine mächtige Flutwelle hervor. Rund 3200 Millionen Kubikmeter Schmelzwasser entleerten sich in nur 40 Stunden auf die Sanderfläche. Dabei flossen zeitweise mehr als 40 000 Kubikmeter pro Sekunde ins Meer und schwemmten so viele Sedimente und sogar hausgroße Findlinge mit sich, dass sich die Küstenlinie um mehrere hundert Meter verschob.
Nach solchen Erfahrungen beobachtet auch der isländische Katastrophenschutz aufmerksam, wie sich die aktuelle Eruption des Grímsvötn weiterentwickelt. Zwar liegen im Süden der Eismassen nur wenige bewohnte Höfe, um die sich Helfer bereits seit Samstag kümmern. Doch auch die wichtigste Fernverkehrsstraße des Landes kreuzt die Sanderebenen, die beim Gletscherlauf von 1996 schwer beschädigt wurde.
Bisher glaubt kein Experte, dass sich diese Situation jetzt wiederholt. Zu gering sind die Schmelzwassermengen, die bei einer heftigen, aber kurzen Aktivität freigesetzt werden. "Die Eruption von 1996 ereignete sich unter sehr dickem Eis. In den ersten Tagen wurde beinahe die gesamte Energie des Ausbruchs freigesetzt, um den Gletscher darüber zu schmelzen", erläutert Páll Einarsson. "Der aktuelle Ausbruch fand dagegen an einer beinahe eisfreien Stelle statt. Wir sehen derzeit keine Hinweise darauf, dass sich irgendwo in der Nähe des Schlotes Wasser ansammelt."
Zudem machte sich die letzte kleinere Gletscherflut erst im November 2010 auf den Weg. Damals war etwas Eis an der Gletscherbasis durch den ständigen geothermischen Wärmestrom geschmolzen und von einer subglazialen Caldera aufgefangen worden. Da die alten Abflüsse weiterhin frei sein dürften, ist es nun unwahrscheinlich, dass sich erneut viel Wasser aufstauen kann. Dies hängt jedoch auch davon ab, wie lange und lokal begrenzt die Eruption weitergeht, was auch Páll Einarsson nicht prognostizieren möchte: "Darüber können wir nichts sagen. Wie alle Vulkane ist auch der Grímsvötn sehr wandlungsfähig." So ist es denkbar, dass sich der Ausbruch auf Bereiche weiter unter den Gletscher verlagert. Dann wäre ein Gletscherlauf ebenso möglich wie eine neue Aschewolke.
Doch während sich damals Politiker, Luftfahrtexperten und Atmosphärenforscher über die Sicherheit des europäischen Luftverkehrs sorgten, bleibt es nach dem Ausbruch des Grímsvötn vergleichsweise ruhig. Dafür ist in erster Linie das Wetter verantwortlich, denn der Wind treibt die Aschewolke derzeit Richtung Nordost, so dass bisher nur der Luftraum über Island und dem Nordatlantik von Flugverboten betroffen ist. Aktuell geht zudem nur im Umfeld des Vulkans sowie im Osten und Norden der Insel Asche nieder. Nachdem der Flugverkehr zwischen Norwegen und Spitzbergen eingestellt wurde, könnten je nach Wetterentwicklung in den nächsten Tagen zusätzlich Teile Irlands und Schottlands betroffen sein. Doch erneute lang anhaltende Beeinträchtigungen der Luftfahrt dürften schon deshalb ausbleiben, weil das komplexe Zusammenspiel von Lava, Gletschereis und Atmosphäre beider Ausbrüche kaum vergleichbar ist.
Verschiedene Magmen
Schon das Magma in den nur 140 Kilometer voneinander entfernten Vulkanen ist chemisch unterschiedlich. Der Eyjafjallajökull ist ein Intraplattenvulkan, der bei seinen seltenen Ausbrüchen gasreiche, zähe Lava fördert. Sie enthält viel Siliziumdioxid, wodurch sie sehr viskos wird und den Schlot für lange Zeit wirksam verstopft, bis er unter hohem Druck ausbricht. Oft finden diese Eruptionen ohne Vorwarnungen wie Erdbeben statt.
Der Grímsvötn steht dagegen direkt über einem so genannten Mantelplume, einem aufsteigenden Konvektionsstrom aus heißem Mantelmaterial, der unter Island auf den mittelozeanischen Rücken des Atlantiks trifft. Der Vulkan spuckt wie der hawaiianische Mauna Kea regelmäßig eine dünnflüssige Lava aus, die nur wenig Siliziumdioxid enthält. Die freigesetzte Asche ist daher meist gröber und sinkt daher auch schneller wieder ab. Zudem sollte der Grímsvötn nach einer kurzen Ausbruchsphase viel schneller wieder zur Ruhe kommen als der Eyjafjallajökull 2010, glauben Islands Geophysiker. "Das Magma von Grímsvötn ist nicht wirklich explosiv, außer es kommt mit Wasser in Kontakt", beschreibt es Páll Einarsson, Geophysiker an der Universität Island. Erst durch den Gletscher entließ der Vulkan schlagartig eine Wolke aus Asche und Wasserdampf in die Atmosphäre. Fast alle der 30 aktiven Vulkane Islands sind vergletschert, so dass diese so genannten phreatomagmatischen Explosionen hier häufig sind.
Erst Feuer, dann Wasser
Vulkane und Gletscher prägen schon lange die karge Landschaft Islands. Die wichtigste Hauptstraße der Insel durchquert im Süden kilometerweite Ebenen aus schwarzem Basaltsand, die sich zwischen den vergletscherten Vulkanen Hekla, Eyjafjallajökull, Katla oder Grímsvötn und der Küste ausbreiten. Diese Schwemmebenen werden nicht nur von isländischen Geologen Sander (isländisch: sandur) genannt, da sie das Gletschervorland maßgeblich gestalten. Nach Ausbrüchen strömen regelmäßig Flutwellen in Richtung Küste und tragen tonnenweise Sand und Geröll mit sich: die berühmt-berüchtigten Gletscherläufe. Eines der stärksten derartigen Naturereignisse in historischer Zeit ereignete sich im November 1996 nach einem Ausbruch direkt nördlich des Grímsvötn. Dort hatte sich am 30. September die sechs Kilometer lange Spalte Gjálp geöffnet, die einen Monat lang Gletschereis des Vatnajökulls schmolz.
Zuerst füllte das Wasser für drei Wochen die Calderas des Grímsvötn, ein System aus alten Eruptionskratern. Am 4. November war der Wasserdruck dann hoch genug und begann den hunderte Meter mächtigen Gletscher darüber anzuheben. Spätere Untersuchungen isländischer Geologen deuteten darauf hin, dass sich eine Druckwelle ausbildete, die in knapp zwei Tagen die für den Transport nötigen Kanäle unter dem Eis aufweitete. An der Oberfläche des Gletschers wurden Fontänen gesichtet, die auf den hohen Wasserdruck an seiner Basis schließen ließen. Dann quoll unter der Gletscherzunge des Steidarárjökull weiter im Süden eine mächtige Flutwelle hervor. Rund 3200 Millionen Kubikmeter Schmelzwasser entleerten sich in nur 40 Stunden auf die Sanderfläche. Dabei flossen zeitweise mehr als 40 000 Kubikmeter pro Sekunde ins Meer und schwemmten so viele Sedimente und sogar hausgroße Findlinge mit sich, dass sich die Küstenlinie um mehrere hundert Meter verschob.
Nicht vergleichbar
Nach solchen Erfahrungen beobachtet auch der isländische Katastrophenschutz aufmerksam, wie sich die aktuelle Eruption des Grímsvötn weiterentwickelt. Zwar liegen im Süden der Eismassen nur wenige bewohnte Höfe, um die sich Helfer bereits seit Samstag kümmern. Doch auch die wichtigste Fernverkehrsstraße des Landes kreuzt die Sanderebenen, die beim Gletscherlauf von 1996 schwer beschädigt wurde.
Bisher glaubt kein Experte, dass sich diese Situation jetzt wiederholt. Zu gering sind die Schmelzwassermengen, die bei einer heftigen, aber kurzen Aktivität freigesetzt werden. "Die Eruption von 1996 ereignete sich unter sehr dickem Eis. In den ersten Tagen wurde beinahe die gesamte Energie des Ausbruchs freigesetzt, um den Gletscher darüber zu schmelzen", erläutert Páll Einarsson. "Der aktuelle Ausbruch fand dagegen an einer beinahe eisfreien Stelle statt. Wir sehen derzeit keine Hinweise darauf, dass sich irgendwo in der Nähe des Schlotes Wasser ansammelt."
Zudem machte sich die letzte kleinere Gletscherflut erst im November 2010 auf den Weg. Damals war etwas Eis an der Gletscherbasis durch den ständigen geothermischen Wärmestrom geschmolzen und von einer subglazialen Caldera aufgefangen worden. Da die alten Abflüsse weiterhin frei sein dürften, ist es nun unwahrscheinlich, dass sich erneut viel Wasser aufstauen kann. Dies hängt jedoch auch davon ab, wie lange und lokal begrenzt die Eruption weitergeht, was auch Páll Einarsson nicht prognostizieren möchte: "Darüber können wir nichts sagen. Wie alle Vulkane ist auch der Grímsvötn sehr wandlungsfähig." So ist es denkbar, dass sich der Ausbruch auf Bereiche weiter unter den Gletscher verlagert. Dann wäre ein Gletscherlauf ebenso möglich wie eine neue Aschewolke.
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