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Geologie: Auf Sparflamme

Wie viele große Kraftwerke müssten ihre Energie abgeben, um das Magnetfeld der Erde zu erzeugen? Es sind nur einige Hundert, und damit viel weniger als bisher angenommen.
Erdmagnetfeld | Das Magnetfeld der Erde in einer Computersimulation. Blaue Farbtöne zeigen einen "magnetischen Fluss" nach außen, rote Farbtöne einen Fluss nach innen. An der Oberfläche des Erdkerns (unten) ist das Magnetfeld viel kleinräumiger und komplexer als an der Erdoberfläche (oben).
Jeder kennt den Effekt, dass sich eine frei bewegliche Magnetnadel in eine ganz bestimmte Richtung ausrichtet. Nach den gängigen Theorien ist dafür ein Dynamo-Mechanismus im flüssigen Eisenkern verantwortlich: Durch den Wärmefluss vom Erdkern in den Gesteinsmantel setzt sich das flüssige Eisen in Bewegung, ähnlich wie Wasser in einem geheizten Kochtopf. Diese Bewegungen des elektrisch leitenden Eisens induziert elektrische Ströme, deren Magnetfeld wir an der Erdoberfläche beobachten.

Doch wie viel Energie ist tatsächlich erforderlich, um einen solchen Geodynamo zu betreiben? Ulrich Christensen vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau und Andreas Tilgner vom Institut für Geophysik der Universität Göttingen haben jetzt anhand von Computersimulationen und Laborexperimenten gezeigt, dass dafür die Energie von "nur" einigen Hundert großen Kraftwerken benötigt wird, wesentlich weniger als bisher angenommen.

Die Computersimulationen können die Stärke, die zeitliche Veränderung und die großräumige Struktur des an der Erdoberfläche beobachteten Magnetfeldes gut erklären. Für den Energiebedarf jedoch sind die im Erdkern vorhandenen kleinen Strukturen des Magnetfeldes entscheidend, die sich unserer Beobachtung entziehen. Ob sie in den Computermodellen richtig wiedergegeben werden, ist also zunächst unsicher, denn die Simulationen erfassen nur den großräumigen Anteil der Flüssigkeitsbewegung. Die kleinen Wirbel, die in der turbulenten Strömung des Erdkerns zu erwarten sind, müssen durch Annahme einer zu hohen Zähigkeit unterdrückt werden, um die Modelle praktikabel zu halten.

Um zu klären, welchen Einfluss nun die kleinen Wirbel haben, nutzten die Geowissenschaftler das so genannte Karlsruher Dynamo-Experiment. In diesem Versuchsaufbau strömt flüssiges Natrium durch ein System von Kanälen, die zu einem metergroßen Zylinder zusammengefügt sind. Ist die Pumprate hoch genug, springt der Dynamo an und erzeugt ein Magnetfeld, das etwa hundert Mal stärker ist als das der Erde. Im Gegensatz zur Computersimulation ist die Strömung hierbei turbulent, umfasst also auch die Wirbelkomponente. Der Leistungsbedarf des experimentellen Dynamos passt sich gut in die aus den Modellen abgeleitete Systematik ein. Die Wirbel haben demnach keinen entscheidenden Einfluss auf die elektrische Verlustleistung. Die Computermodelle können somit zur Schätzung der Energiemenge benutzt werden.

Der Energiebedarf des Geodynamos beträgt nach den neuen Modellen etwa 200 000 bis 500 000 Megawatt, was in etwa der Leistung von einigen Hundert Großkraftwerken entspricht. Verglichen mit früheren Schätzungen ist das relativ moderat. Daraus schlussfolgern die Wissenschaftler, dass es keiner besonderen Wärmequelle im Erdkern bedarf und dass der Dynamo offensichtlich durch die langsame Abgabe der seit der Erdentstehung im Kern gespeicherten Wärme betrieben wird. Mit der Abkühlung friert das flüssige Eisen aus. Dadurch wächst der feste innere Erdkern. Nach den bisherigen Annahmen wäre die Abkühlung sehr rasch erfolgt, sodass der feste innere Erdkern sich überhaupt erst vor einer Milliarde Jahre, also erst im letzten Viertel der Erdgeschichte gebildet hätte. Das aber stand im Widerspruch zu Befunden aus alten Gesteinen, aus deren Magnetisierung man schließen kann, dass das Erdmagnetfeld schon viel länger besteht. Nach den neuen Berechnungen erfolgte die Abkühlung sehr langsam, sodass der innere Kern bereits über drei Milliarden Jahre alt ist, nicht viel jünger als die Erde insgesamt.

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