Sterne: Auf Wega geht es rund
Nicht immer sind Sterne rund. Die Wega im Sternbild Leier ist neuen Erkenntnissen zufolge offenbar abgeflacht und rotiert rasend schnell um ihre eigene Achse. Was nicht weiter schlimm wäre - wenn nicht ausgerechnet Wega zu den wichtigen Vergleichsstandards in der Astronomie zählte.
Mit Farben ist es so eine Sache: Da ist Rot nicht gleich Rot, Blau reicht vom Himmel und Kobalt bis hin ins Türkis, und Gelb strahlt schon gar nicht immer gleich sonnig. Überhaupt die Sonne – welche Farbe hat die eigentlich? Morgens rot, mittags weiß und bei bedecktem Himmel gelb? Derart vage Angaben mögen für Postkarten aus dem Urlaub ausreichend sein, die Wissenschaft will es genauer wissen. Und nicht nur von der Sonne, sondern von allen Sternen. Denn je nach Zusammensetzung der farbigen Lichtpracht lassen sich raffinierte Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Punkte am Firmament ziehen.
Den peniblen Ansprüchen der Astronomen genügen darum nur hochexakte Angaben, für welche das Sternenlicht in seine volle Breite zerlegt werden muss. Auf Erden besorgen diese Aufgabe manchmal Regentropfen, die das Sonnenlicht brechen, reflektieren und als Regenbogen den erstaunten Menschenkindern präsentieren. Für stellare Objekte haben Forscher sich extra Spektrometer gebaut, die auch das schwache Leuchten der Sterne aufspreizen können. Es erscheinen die bekannten Regenbogenfarben, an bestimmten Stellen unterbrochen von feinen dunklen Linien. Diese entstehen, wenn Atome in den äußeren Schichten eines Sterns Teile des Lichts schlucken. Womit ein erster wichtiger Hinweis auf die chemische Komposition der leuchtenden Kugel gefunden wäre.
Je nach Aussehen der Spektren ordnen Astronomen alle Sterne in Spektralklassen ein, die mit den Buchstaben O, B, A, F, G, K und M gekennzeichnet werden (leicht zu merken mit dem Hilfssatz: "Oh, Be AFine Girl/Guy, Kiss Me!"). Schaut man etwas detaillierter hin, ergeben sich Unterschiede, die durch eine weiterführende Klassifizierung mit den Ziffern 0 bis 9 berücksichtigt werden. Je weiter in Richtung O ein Stern einzuordnen ist, umso heißer geht es auf ihm zu, während es bei Annäherung an das M-Ende immer kühler wird. Unsere Sonne ist als G2-Stern relativ mittig platziert.
Weil Farbangelegenheiten aber nun mal so kompliziert sind, ist es notwendig, für jeden Spektraltypen einen Vergleichsstern zu bestimmen, der gewissermaßen als ideales Muster dient. Wie jeder Standard sollte dieser Stern konstant und schnörkellos sein – zuverlässig langweilig eben. Auch die Wega im Sternbild Leier, immerhin der zweithellste Stern am Nordhimmel und der fünfthellste am gesamten Firmament, gehört zu diesen Standards. Sie ist der Nullpunkt des Spektraltyps A0 und darüber hinaus Repräsentant der Leuchtkraftklasse V. Somit ein hochwichtiger Dreh- und Angelpunkt bei unzähligen spektroskopischen Sternvermessungen. Und ausgerechnet diese Wega hat sich nun als wilder Wackelkandidat herausgestellt.
Zu diesem Ergebnis ist ein Team von Astronomen um Deane Peterson von der Universität Stony Brook im US-Bundesstaat New York gekommen. Die Wissenschaftler gingen Unstimmigkeiten in neueren Untersuchungen des Wega-Spektrums nach: Der Stern ist einfach im Vergleich zu ähnlichen Sternen zu hell und hat seltsam geformte Linien im Spektrum. Also nahmen die Forscher ihn noch einmal mit drei gekoppelten Teleskopen, die im Verbund störende Effekte der Erdatmosphäre ausgleichen können, genauer in Augenschein. Ihre Daten fütterten sie in ein Modell – und stellten fest, dass Wega keineswegs der ruhige, langweilige Stern ist, für den ihn alle gehalten hatten.
Auf Wega geht es stattdessen im wörtliche Sinne rund. Der Stern rotiert so schnell um seine eigene Achse, dass es ihn fast schon auseinander reißt. Rund 272 Kilometer pro Sekunde beträgt die Geschwindigkeit am Äquator – das reicht aus, um seine Materie in niedrigen Breiten weit nach außen zu schleudern – Wega hat also die Gestalt einer etwas plattgedrückten Kugel. Weil die entfernteren Bereiche weiter vom heizenden Zentrum entfernt sind, haben sie auch eine niedrigere Temperatur: Während es an den Polen um die 10 000 Grad Celsius heiß ist, herrschen am Äquator ungefähr 2 400 Grad weniger.
Die rasende Rotation des Sterns blieb so lange unentdeckt, weil seine Drehachse fast genau in Richtung Erde zeigt. Jetzt, wo sie bekannt ist, gerät aber noch weiteres vermeintlich sicheres Wissen über Wega ins Wanken. So wurde der Anteil schwerer Elemente wie Eisen unter falschen Annahmen bestimmt und ist vermutlich nicht korrekt. Eine andere Zusammensetzung führt ihrerseits zu neuen Werten für das wahrscheinliche Alter des Sterns und der Materiescheibe aus Gas und Staub, die ihn umgibt. Anstelle der bislang geschätzten rund 350 Millionen Jahre könnte beides bereits 570 Millionen Jahre alt sein.
Unverhofft steht die Astronomie vor einem Musterknaben, der sich so gar nicht vorbildlich benimmt, aber lange Zeit als Standard für eine Unmenge von Studien galt. Nun gilt es, die Wega peinlichst genau zu vermessen und dann abzuschätzen, wie groß der Schaden ist, den der rotierende Stern im wissenschaftlichen Bereich angerichtet hat. Gut möglich, dass dann der ein oder andere Astronom sich wünscht, Wega möge sich noch um zehn Prozent schneller drehen – bei dem Tempo würde der Stern nämlich auseinander fliegen.
Den peniblen Ansprüchen der Astronomen genügen darum nur hochexakte Angaben, für welche das Sternenlicht in seine volle Breite zerlegt werden muss. Auf Erden besorgen diese Aufgabe manchmal Regentropfen, die das Sonnenlicht brechen, reflektieren und als Regenbogen den erstaunten Menschenkindern präsentieren. Für stellare Objekte haben Forscher sich extra Spektrometer gebaut, die auch das schwache Leuchten der Sterne aufspreizen können. Es erscheinen die bekannten Regenbogenfarben, an bestimmten Stellen unterbrochen von feinen dunklen Linien. Diese entstehen, wenn Atome in den äußeren Schichten eines Sterns Teile des Lichts schlucken. Womit ein erster wichtiger Hinweis auf die chemische Komposition der leuchtenden Kugel gefunden wäre.
Je nach Aussehen der Spektren ordnen Astronomen alle Sterne in Spektralklassen ein, die mit den Buchstaben O, B, A, F, G, K und M gekennzeichnet werden (leicht zu merken mit dem Hilfssatz: "Oh, Be AFine Girl/Guy, Kiss Me!"). Schaut man etwas detaillierter hin, ergeben sich Unterschiede, die durch eine weiterführende Klassifizierung mit den Ziffern 0 bis 9 berücksichtigt werden. Je weiter in Richtung O ein Stern einzuordnen ist, umso heißer geht es auf ihm zu, während es bei Annäherung an das M-Ende immer kühler wird. Unsere Sonne ist als G2-Stern relativ mittig platziert.
Weil Farbangelegenheiten aber nun mal so kompliziert sind, ist es notwendig, für jeden Spektraltypen einen Vergleichsstern zu bestimmen, der gewissermaßen als ideales Muster dient. Wie jeder Standard sollte dieser Stern konstant und schnörkellos sein – zuverlässig langweilig eben. Auch die Wega im Sternbild Leier, immerhin der zweithellste Stern am Nordhimmel und der fünfthellste am gesamten Firmament, gehört zu diesen Standards. Sie ist der Nullpunkt des Spektraltyps A0 und darüber hinaus Repräsentant der Leuchtkraftklasse V. Somit ein hochwichtiger Dreh- und Angelpunkt bei unzähligen spektroskopischen Sternvermessungen. Und ausgerechnet diese Wega hat sich nun als wilder Wackelkandidat herausgestellt.
Zu diesem Ergebnis ist ein Team von Astronomen um Deane Peterson von der Universität Stony Brook im US-Bundesstaat New York gekommen. Die Wissenschaftler gingen Unstimmigkeiten in neueren Untersuchungen des Wega-Spektrums nach: Der Stern ist einfach im Vergleich zu ähnlichen Sternen zu hell und hat seltsam geformte Linien im Spektrum. Also nahmen die Forscher ihn noch einmal mit drei gekoppelten Teleskopen, die im Verbund störende Effekte der Erdatmosphäre ausgleichen können, genauer in Augenschein. Ihre Daten fütterten sie in ein Modell – und stellten fest, dass Wega keineswegs der ruhige, langweilige Stern ist, für den ihn alle gehalten hatten.
Auf Wega geht es stattdessen im wörtliche Sinne rund. Der Stern rotiert so schnell um seine eigene Achse, dass es ihn fast schon auseinander reißt. Rund 272 Kilometer pro Sekunde beträgt die Geschwindigkeit am Äquator – das reicht aus, um seine Materie in niedrigen Breiten weit nach außen zu schleudern – Wega hat also die Gestalt einer etwas plattgedrückten Kugel. Weil die entfernteren Bereiche weiter vom heizenden Zentrum entfernt sind, haben sie auch eine niedrigere Temperatur: Während es an den Polen um die 10 000 Grad Celsius heiß ist, herrschen am Äquator ungefähr 2 400 Grad weniger.
Die rasende Rotation des Sterns blieb so lange unentdeckt, weil seine Drehachse fast genau in Richtung Erde zeigt. Jetzt, wo sie bekannt ist, gerät aber noch weiteres vermeintlich sicheres Wissen über Wega ins Wanken. So wurde der Anteil schwerer Elemente wie Eisen unter falschen Annahmen bestimmt und ist vermutlich nicht korrekt. Eine andere Zusammensetzung führt ihrerseits zu neuen Werten für das wahrscheinliche Alter des Sterns und der Materiescheibe aus Gas und Staub, die ihn umgibt. Anstelle der bislang geschätzten rund 350 Millionen Jahre könnte beides bereits 570 Millionen Jahre alt sein.
Unverhofft steht die Astronomie vor einem Musterknaben, der sich so gar nicht vorbildlich benimmt, aber lange Zeit als Standard für eine Unmenge von Studien galt. Nun gilt es, die Wega peinlichst genau zu vermessen und dann abzuschätzen, wie groß der Schaden ist, den der rotierende Stern im wissenschaftlichen Bereich angerichtet hat. Gut möglich, dass dann der ein oder andere Astronom sich wünscht, Wega möge sich noch um zehn Prozent schneller drehen – bei dem Tempo würde der Stern nämlich auseinander fliegen.
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