Angewandte Mathematik : Berechenbare Harmonie
Ob sie wohl wissen, was sie tun? Ahnt eine Cecilia Bartoli, an welchen Transpositionen und Inversionen sie Anteil nimmt? Bewegt sich U2 mit seinem Leadsänger Bono absichtlich durch nichteuklidische Klanggeometrien? Ob bewusst geplant oder intuitiv erspürt - moderne mathematische Theorien sagen voraus, welche Akkorde harmonisch klingen. Ohne auch nur eine einzige Note anzuspielen.
So manchem liegt es im Blut. Von der schwedischen Popgruppe ABBA wird beispielsweise gesagt, dass einzig die Sängerin Agnetha Fältskog in der Lage war, Noten zu lesen. Was ihre Kollegen Benny Andersson und Björn Ulvaeus keineswegs davon abgehalten hat, fleißig einen Superhit nach dem anderen und schließlich ganze Musical zu komponieren.
Bei anderen liegt es in der Bleistiftspitze. Oder moderner: im Computer. Musiktheoretiker zerlegen mitreißende Songs, ergreifende Choräle und aufpuschende Rhythmen in abstrakte Funktionen, mit denen Töne in komplexen Räumen verändert werden. Was als vergleichsweise einfache Abfolge von aufeinanderfolgenden Akkorden noch auf einem flachen Notenblatt Platz findet, erstreckt sich auf der Suche nach den grundlegenden Prinzipien der Musik über gekrümmte Flächen, die auf sich selbst zurückgebogen sind. Ein Musikinstrument spielen oder singen braucht man dafür nicht zu können.
Die unterschiedlichen Herangehensweisen lassen kaum glauben, dass beide Gruppen sich wirklich und wahrhaftig mit dem selben Thema beschäftigen. Und so beschränken die Begegnungen sich gerne auf das Pflichtrepertoire im Rahmen eines Musikstudiums. Verständlich, aber bedauerlich, wie nun die neuesten Forschungsergebnisse des Musiktheoretikers Dmitri Tymoczko von der US-amerikanischen Princeton University zeigen.
Der Wissenschaftler hat sich mit den Prinzipien beschäftigt, nach welchen eine Melodie und ihre Begleitstimme sich entwickeln. Um das Problem mathematisch behandeln zu können, schrieb er die 12 Töne und Halbtöne einer Oktave in Zahlenwerte von 0 (Note C) bis 11 (Note H oder Ces) um. Während unsere westliche Musik auf dieser Skala nur bestimmte Werte in Sprüngen annimmt – nämlich jene Töne, die etwa mit den Tasten eines Klaviers angeschlagen werden können –, ließ Tymoczko auch alle dazwischen liegenden Töne zu. Dadurch gelang ihm ein genereller Zugang zu Harmonien, der ebenso außerhalb unseres Kulturkreises anwendbar sein sollte.
Ähnlich verfuhr der Wissenschaftler mit Akkorden, bei denen mehrere Töne gleichzeitig erklingen, sowie den Beziehungen von Akkorden untereinander. So kann ein Dreiklang beispielsweise einfach auf der Tonleiter verschoben sein, was Musiktheoretiker als Transposition bezeichnen. Oder er wird bei einer Inversion "gespiegelt", indem der Abstand zwischen dem höchsten und dem mittleren Ton mit der Distanz zwischen mittlerem und tiefstem Ton vertauscht werden.
Nach erfolgter Umsetzung der Noten und Melodien in mathematische Werte und Transformationen konnte Tymoczko nun beliebige Musikstücke in abstrakte mehrdimensionale geometrische Räume übertragen. In solch einem so genannten Orbifold entsprach jeder Akkord einem Punkt im Raum, Folgen von Akkorden wurden zu Wegen zwischen den Punkten.
Aus dem Hören von Musik war das Lesen einer Karte geworden – allerdings in einem höchst seltsamen Raum, der auf sich selbst zurückgefaltet war. Das geübte Auge vermag in Verbindung mit einem mathematisch geschulten Geist auf diesen Karten jedoch Symmetrien erkennen, die mehr oder minder harmonischen Klängen und Übergängen entsprechen. Sie stellen somit ein effektives Werkzeug dar, um Musikstücke aller Epochen und Regionen zu analysieren und Komponisten Richtlinien zu bieten, nach welchen Regeln sie vorgehen könnten, um bestimmte Effekte zu erzielen. Vorausgesetzt, die praktizierenden Musiker kommen mit der praktizierenden Theorie zurecht.
Eines aber vermögen die geometrischen Musikräume nicht vorauszusagen: Ob ein Song zum Ohrwurm wird. Für diese Prognose müssen die abstrakten Räume sicherlich noch ein gutes Stück abstrakter werden.
Bei anderen liegt es in der Bleistiftspitze. Oder moderner: im Computer. Musiktheoretiker zerlegen mitreißende Songs, ergreifende Choräle und aufpuschende Rhythmen in abstrakte Funktionen, mit denen Töne in komplexen Räumen verändert werden. Was als vergleichsweise einfache Abfolge von aufeinanderfolgenden Akkorden noch auf einem flachen Notenblatt Platz findet, erstreckt sich auf der Suche nach den grundlegenden Prinzipien der Musik über gekrümmte Flächen, die auf sich selbst zurückgebogen sind. Ein Musikinstrument spielen oder singen braucht man dafür nicht zu können.
Die unterschiedlichen Herangehensweisen lassen kaum glauben, dass beide Gruppen sich wirklich und wahrhaftig mit dem selben Thema beschäftigen. Und so beschränken die Begegnungen sich gerne auf das Pflichtrepertoire im Rahmen eines Musikstudiums. Verständlich, aber bedauerlich, wie nun die neuesten Forschungsergebnisse des Musiktheoretikers Dmitri Tymoczko von der US-amerikanischen Princeton University zeigen.
Der Wissenschaftler hat sich mit den Prinzipien beschäftigt, nach welchen eine Melodie und ihre Begleitstimme sich entwickeln. Um das Problem mathematisch behandeln zu können, schrieb er die 12 Töne und Halbtöne einer Oktave in Zahlenwerte von 0 (Note C) bis 11 (Note H oder Ces) um. Während unsere westliche Musik auf dieser Skala nur bestimmte Werte in Sprüngen annimmt – nämlich jene Töne, die etwa mit den Tasten eines Klaviers angeschlagen werden können –, ließ Tymoczko auch alle dazwischen liegenden Töne zu. Dadurch gelang ihm ein genereller Zugang zu Harmonien, der ebenso außerhalb unseres Kulturkreises anwendbar sein sollte.
Ähnlich verfuhr der Wissenschaftler mit Akkorden, bei denen mehrere Töne gleichzeitig erklingen, sowie den Beziehungen von Akkorden untereinander. So kann ein Dreiklang beispielsweise einfach auf der Tonleiter verschoben sein, was Musiktheoretiker als Transposition bezeichnen. Oder er wird bei einer Inversion "gespiegelt", indem der Abstand zwischen dem höchsten und dem mittleren Ton mit der Distanz zwischen mittlerem und tiefstem Ton vertauscht werden.
Nach erfolgter Umsetzung der Noten und Melodien in mathematische Werte und Transformationen konnte Tymoczko nun beliebige Musikstücke in abstrakte mehrdimensionale geometrische Räume übertragen. In solch einem so genannten Orbifold entsprach jeder Akkord einem Punkt im Raum, Folgen von Akkorden wurden zu Wegen zwischen den Punkten.
Aus dem Hören von Musik war das Lesen einer Karte geworden – allerdings in einem höchst seltsamen Raum, der auf sich selbst zurückgefaltet war. Das geübte Auge vermag in Verbindung mit einem mathematisch geschulten Geist auf diesen Karten jedoch Symmetrien erkennen, die mehr oder minder harmonischen Klängen und Übergängen entsprechen. Sie stellen somit ein effektives Werkzeug dar, um Musikstücke aller Epochen und Regionen zu analysieren und Komponisten Richtlinien zu bieten, nach welchen Regeln sie vorgehen könnten, um bestimmte Effekte zu erzielen. Vorausgesetzt, die praktizierenden Musiker kommen mit der praktizierenden Theorie zurecht.
Eines aber vermögen die geometrischen Musikräume nicht vorauszusagen: Ob ein Song zum Ohrwurm wird. Für diese Prognose müssen die abstrakten Räume sicherlich noch ein gutes Stück abstrakter werden.
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