Hochleistungsmaterial: Biegsame Keramik mit Formgedächtnis
Keramiken halten extrem hohe Temperaturen aus, auch harsche chemische Umgebungsbedingungen können ihnen nichts anhaben. Doch werden sie unter mechanische Spannung gesetzt, kommt es schnell zum Bruch. Forscher um Christopher Schuh vom Massachusetts Institute of Technology haben nun einen Weg gefunden, wie sie dieses Manko umgehen können – wenn auch nur im Mikro- oder gar Nanometermaßstab.
Schuh und Kollegen verwendeten dazu Blöcke aus Zirkondioxid, das sie mit Fremdatomen dotiert hatten. Üblicherweise liegen solche Keramiken in Form dicht gepackter Einzelkristalle vor. Verbiegt man das Material, bilden sich an den Korngrenzen Mikrorisse aus, an denen das Werkstück schließlich bricht. Die Wissenschaftler frästen daher mit Hilfe eines fokussierten Ionenstrahls Säulen von ein bis zwei Mikrometer Durchmesser aus den Blöcken und wählten die Größe dabei so, dass die Säulen nur aus wenigen oder gar einzelnen Kristallen bestanden [1].
Anschließende Messungen ergaben, dass diese Säulen einer Stauchung oder Verbiegung von sieben Prozent standhielten, womit sie im Bereich von Formgedächtnismetallen wie der Nickel-Titan-Legierung Nitinol liegen. Dank ihrer geringen Größe haben die Säulen ein so hohes Verhältnis von Oberfläche zu Volumen, dass sie die Belastung gut abführen können. Vor allem aber verdanken sie ihre Biegsamkeit einer umkehrbaren Verformung des Kristallgitters: Es wandelt sich von seiner stabileren, austenitischen Form in so genannten Martensit um und kehrt danach wieder in die Ursprungsform zurück. Je nach genauer chemischer Zusammensetzung erfolgt diese Rückkehr entweder spontan – dann hat die Keramik "superelastische" Eigenschaften – oder erst bei Erhitzung. In diesem Fall verhält sie sich wie ein Formgedächtnismetall. Den Tests der Forscher zufolge bleiben diese Eigenschaften über viele Belastungszyklen erhalten.
Ihren Einsatz könnten die Keramiken in ähnlichen Gebieten finden wie ihre metallischen Pendants, wobei sie deutlich höhere Temperaturen und größere Belastungen tolerieren. Zum Beispiel lasse sich die temperaturgesteuerte Rückkehr in die Ursprungsform für Schaltvorgänge oder als Antrieb nutzen. Die superelastische Keramik könnte sich hingegen für das "energy harvesting" eignen, schreibt Katherine Faber von der Northwestern University in Evanston in einem begleitenden Kommentar [2]. Dabei würde man die Energie nutzen, die bei der Retransformation in den Ausgangszustand als Wärme frei wird. Laut den Ergebnissen von Schuh und Kollegen übertrifft die Keramik in dieser Hinsicht die herkömmlichen superelastischen Werkstoffe um mehrere Größenordnungen.
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