Sternexplosion: Blick in eine Supernova
Massereiche Sterne beenden ihr Leben in einer gewaltigen Explosion, einer so genannten Supernova. Dabei schleudern sie große Teile ihrer Gasschichten in den Raum und "backen" die schweren Elemente aus, die auch für unser Leben so wichtig sind. Bis heute sind die grundlegenden physikalischen Prozesse, die zur Sternexplosion führen, nicht vollständig verstanden. Aufwändige Simulationen einer Forschergruppe vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) in Garching und vom RIKEN Institut in Japan könnten nun aber Aufschluss geben: Die Modelle erklären erfolgreich die räumliche Verteilung von radioaktiven Elementen in Kassiopeia A, dem nebelförmigen Überrest einer Supernova. Damit stützen die Wissenschaftler die Vermutung, dass Sternexplosionen von Neutrinos angetrieben werden.
Supernovae sind Himmelsbeobachtern schon lange bekannt – immer wieder finden sich in historischen Dokumenten Hinweise auf solche "Gaststerne", und in der modernen Forschung konnten viele Sternexplosionen präzise untersucht werden. Dadurch weiß man: Auslöser sind massereiche Sterne, deren Kern am Ende ihres Lebens zu einem extrem dichten Objekt zusammenfällt, einem so genannten Neutronenstern. Dabei werden enorme Energiemengen frei, und der sterbende Stern schleudert seine äußeren Gashüllen von sich. Doch trotz der Beobachtungen sind sich Astronomen bis heute nicht über die genauen Abläufe im Inneren einer Supernova sicher.
Die vielversprechendste Theorie besagt, dass Neutrinos die Sternexplosion antreiben. Diese sehr massearmen Elementarteilchen werden während des Kernkollapses produziert und tragen eine große Menge der Energie aus dem Zentrum fort. Wenn die umliegenden Gasschichten nur einen kleinen Anteil der Neutrinos absorbieren, können sie sich so weit aufheizen, dass sie schließlich schlagartig ins All geschleudert werden.
Die Forscher um Annop Wongwathanarat vom Forschungszentrum RIKEN nutzten das Neutrinomodell als Grundlage für eine detailreiche Simulation einer Supernova. In ihren Computerberechnungen modellierten die Wissenschaftler unter anderem die räumliche Verteilung der radioaktiven Atome Titan-44 und Nickel-56 zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Explosion. Diese Elemente entstehen auf Grund der hohen Temperaturen in den expandierenden Gasschichten und zerfallen mit der Zeit zu stabilem Kalzium und Eisen; die dabei frei werdende Energie sorgt über Jahre hinweg für ein Nachglühen des Gasnebels.
Die Ergebnisse ihrer Berechnungen verglichen die Forscher mit Beobachtungen von Kassiopeia A, einer rund 11 000 Lichtjahre von uns entfernten Gaswolke im Sternbild Kassiopeia. Sie ist der Überrest einer Sternexplosion, die aus unserer Sicht vor rund 340 Jahren stattfand. Die Untersuchungen zeigen eine erstaunliche Übereinstimmung mit den Computermodellen: Aus dem richtigen Winkel betrachtet sind die radioaktiven Elemente im realen und simulierten Supernova-Überrest nahezu gleich verteilt – und das, obwohl es die Wissenschaftler keineswegs darauf angelegt hatten, mit ihrer Simulation ein genaues Abbild von Kassiopeia A zu erzeugen.
Auffällig an Kassiopeia A ist vor allem die ungleichförmige Verteilung der Gase, denn die hellsten und größten Strukturen befinden sich in nördlicher Richtung; die Sternexplosion muss also höchst asymmetrisch von Statten gegangen sein. Dazu passen Beobachtungen des in der Supernova entstandenen Neutronensterns, der vom Zentrum nach Süden davonrast: Da der Großteil der Materie – und somit der Masse – nach Norden ausgeworfen wurde, erhielt die Sternleiche einen Rückstoß in die entgegengesetzte Richtung. Auch diesen Effekt bilden die Simulationen erstaunlich präzise ab und führen ihn direkt auf die zu Grunde liegende Theorie zurück: Demnach heizen die im Kern erzeugten Neutrinos die äußeren Gasschichten nicht komplett gleichförmig auf, weshalb das Material in der Explosion stark richtungsabhängig ausgeschleudert wird.
"Diese Fähigkeit, grundsätzliche Eigenschaften der Beobachtungen durch ausgefeilte theoretische Modelle zu reproduzieren, belegt auf beeindruckende Weise, dass Kassiopeia A tatsächlich der gasförmige Überrest einer neutrinogetriebenen Supernova sein könnte, deren Explosion durch heftige Gasbewegungen um den Neutronenstern ausgelöst wurde", schlussfolgert deshalb Hans-Thomas Janka, Professor am MPA. Die Forscher betonen aber, dass weitere Untersuchungen notwendig seien, um ihre Erkenntnis zu untermauern. So wollen sie in einer größeren Kollaboration noch andere Supernova-Überreste unter die Lupe nehmen und mit ihren theoretischen Vorhersagen vergleichen.
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