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Wetter: Chicago ist kälter als Gipfel des Mount Everest

Bis zu minus 34 Grad Celsius werden in Chicago erwartet. Damit es dort kälter als in Teilen der Arktis oder auf dem Gipfel des Mount Everest. Der Windchill besorgt den Rest.
Vereiste Niagarafälle (Archivbild)

Wer am heutigen Mittwoch (30. Januar) auf dem Gipfel des Mount Everest oder im Örtchen Nuuk auf Grönland stand, fror weniger als in Chicago – zumindest wenn man den Prognosen und Messwerten vor Ort trauen kann: Minus 24 Grad Celsius erwarteten Meteorologen dort als Höchstwert im Tagesverlauf, während es auf dem höchsten Berg der Erde immerhin zu minus 22 Grad Celsius und in Nuuk zu »milden« minus 10 Grad Celsius reichen sollte. In Teilen des Mittleren Westens könnten sogar neue Minusrekorde seit Aufzeichnungsbeginn erreicht werden, da die Kältewelle noch bis Freitag andauern soll. Zum Wochenende geht es dann allerdings schon rasend schnell in die andere Richtung – ein Wetterumschwung lässt das Thermometer in wenigen Stunden um rund 30 Grad Celsius nach oben schnellen.

Schuld an der Achterbahnfahrt sind der Jetstream und der Polarwirbel. Verursacht wird der »eisige Hauch« durch eine südwärtige Verlagerung des Jetstreams über Nordamerika, so dass der Polarwirbel sich ebenfalls weit nach Süden ausstülpen kann. Die eisige Luft stammt allerdings nicht direkt aus der Arktis, sondern kommt aus Kanada, wo sie sich über der riesigen Landmasse richtig ausgekühlt hat, bevor sie weiter nach Süden vorstieß. Viele Meteorologen hatten diese Entwicklung erwartet, nachdem sich der Polarwirbel Anfang Januar geteilt hatte. In den Wintermonaten sorgt die starke Abkühlung über dem Nordpol normalerweise dafür, dass sich der Polarwirbel ausbildet: ein kräftiges Höhentief, das durch starke Winde zu niedrigeren Breiten abgegrenzt ist. Immer wieder kommt es aber auch zu einer so genannten plötzlichen Stratosphärenerwärmung (sudden stratospheric warming), die vom Berliner Meteorologen Richard Scherhag 1952 beschrieben wurde. Dabei schießen die Temperaturen in der Stratosphäre innerhalb kurzer Zeit (ein bis zwei Tage) um 50 Grad Celsius nach oben, so dass hier statt minus 70 nur noch minus 20 Grad Celsius herrschen. In der Stratosphäre des Polarwirbels ist es damit wärmer als südlich davon, was zu weit reichenden Veränderungen führt. Es kommt beispielsweise zu einer Umkehrung der Windrichtung von West auf Ost und zu einem Zusammenbruch des Polarwirbels – so wie zum Jahreswechsel 2018 auf 2019: Kaltlufteinbrüche in südlichere Teile Nordamerikas oder nach Mitteleuropa werden wahrscheinlicher. Dies erfolgt allerdings mit einer zeitlichen Versetzung, so wie es jetzt im Mittleren Westen beobachtet werden kann.

Bis zum Wochenende verlagern sich diese Luftmassen nordostwärts, während sich die Jetstreamwellen ebenfalls verlagern. Der Mittlere Westen gerät damit in den Einfluss wärmerer Luftmassen aus dem Westen, welche die beißende Kälte vorerst vertreiben. Allerdings sagen Wettermodelle weitere Ausbrüche des geteilten Polarwirbels nach Süden für die erste Februarwoche voraus: Sie brächten erneut eisige Luft in den Westen Nordamerikas sowie nach Sibirien; Mitteleuropa bliebe dagegen nach bisherigem Kenntnisstand verschont.

Abgesehen von diesem arktischen Intermezzo verlief der Winter in weiten Teilen der USA bislang allerdings zu mild. Die (kurzzeitige) Kälte ist daher auch kein Beleg gegen den Klimawandel. Im Gegenteil: Studien deuten an, dass sich der Polarwirbel in den letzten Jahrzehnten abgeschwächt hat und häufiger nach Süden ausbricht. Als eine der Ursachen gilt die rapide Aufheizung der Arktis, die sich zwei bis dreimal schneller erwärmt als die Erde insgesamt. Dadurch verringert sich der Temperaturgegensatz zwischen den mittleren und hohen Breiten, was wiederum Jetstream und Polarwirbel beeinflusst, ihre Winde verlangsamt und störungsanfälliger macht. Selbst in einer sich erwärmenden Welt können daher weiterhin extreme Kälteperioden südlich der Arktis auftreten. Wenn bei fallenden Temperaturen dann noch starke Winde hinzukommen, wird es rasch lebensgefährlich, wie US-Wetterdienste warnen: Durch den so genannten Windchill fühlt es sich in Teilen des Mittleren Westens wie minus 53 Grad Celsius an – unbedeckte Haut erleidet in wenigen Minuten schwere Frostschäden.

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