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Das aktuelle Stichwort: Chikungunya-Fieber

Chikungunya - "der gebeugte Mann" - ist in Europa angelangt: Der aus dem Kisuaheli stammende Begriff bezeichnet eine durch Mücken übertragene, ursprünglich tropische Viruserkrankung, die die Infizierten durch starke Gelenkschmerzen nur mehr gekrümmt laufen lässt. Vor zwei Monaten ist die Krankheit in Norditalien aufgetreten, mittlerweile sind mehr als 150 Menschen betroffen, und es gab einen Todesfall.
Asiatische Tigermücke
Die Behörden in Bologna ordneten in dieser Woche Maßnahmen zur Mückenbekämpfung an, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Etwa achtzig Kilometer östlich der Stadt war Anfang Juli in zwei Dörfern das Chikungunya-Fieber aufgetreten – von den Ärzten zunächst als einfache Grippe diagnostiziert. Momentan sinken die Zahlen der Neuerkrankungen, allerdings gibt es erste Hinweise auf Infektionen in Bologna selbst. Virologen glauben inzwischen auch den Ursprung der Infektion identifiziert zu haben: ein aus Indien heimgekehrter Tourist.

Stechende Asiatische Tigermücke | Eine weibliche Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) bei der Blutmahlzeit. Die ursprünglich aus tropischen Regionen stammenden Insekten haben sich inzwischen bis nach Mitteleuropa ausgebreitet und übertragen auch hier die Chikungunya-Viren auf den Menschen.
Das Chikungunya-Fieber wird durch ein behülltes RNA-Virus aus der Familie der Togaviridae ausgelöst, Reservoir sind Primaten und eventuell auch Nager, Überträger sind Stechmücken der Gattung Aedes, beispielsweise die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) und die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Letztere ist etwa fünf Millimetern lang, sehr aggressiv und sticht während des Tages und teils auch durch Kleidung hindurch. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Überträgerarten umfasst Afrika und Asien sowie Inseln im Indischen Ozean.

Chikungunya-Fälle zwischen 1952 und 2006 | In den rot eingefärbten Ländern wurden zwischen 1952 und 2006 Fälle von Chikungunya-Fieber dokumentiert. Seit diesem Jahr zählt auch Italien zur Liste der betroffenen Staaten.
Die Asiatische Tigermücke hat sich in der Vergangenheit allerdings dauerhaft bis nach Südeuropa ausgebreitet und ist auch für die aktuellen Infektionen in Italien verantwortlich. Einzelne Fälle von Chikungunya-Fieber gab es im nördlichen Mittelmeerraum vereinzelt schon vorher, in Bologna ist allerdings zum ersten Mal eine Verbreitung des Virus durch eine einheimische Mückenpopulation aufgetreten. Da infizierte Mückenweibchen das Virus an ihre Eier weitergeben und diese die milden mediterranen Winter gut überstehen, warnen Epidemiologen vom Europäischen Zentrum für Krankheitsvorsorge und -kontrolle in Stockholm vor einem Neuausbruch des Fiebers in der Region im kommenden Jahr.

Die Symptome einer Infektion treten drei bis zwölf Tage nach dem Insektenstich auf: Zunächst bekommen die Betroffenen hohes Fieber, das in der Regel aber nur drei Tage anhält. Dazu kommen Kopfschmerzen, Lymphknotenschwellungen, punktförmige Hautblutungen und schwere Muskel- und Gelenkbeschwerden, die meist in beiden Armen und Beinen auftreten und der Krankheit ihren afrikanischen Namen vom "gebeugten Mann" gegeben haben.

Meist klingen die Symptome nach zwei Wochen ab, ohne dauerhafte Schäden zu hinterlassen, und nach einmal überstandenem Chikungunya-Fieber besteht Immunität. In Einzelfällen kann es jedoch zu Komplikationen kommen: Die Symptome – besonders die Gelenkschmerzen – halten über Monate an oder kehren periodisch wieder, und es kommt zu Gehirnschädigungen oder Leberentzündungen, die tödlich verlaufen können.

Prävention als einzige Gegenmaßnahme | Gegen das Chikungunya-Fieber gibt es weder eine Impfung noch eine spezielle Therapie. Es helfen nur vorbeugende Maßnahmen wie Mückennetze, lange Kleidung oder Insektenspray.
Die Diagnose erfolgt meist über serologische Untersuchungen und den Test auf Druckempfindlichkeit der Körpergelenke. Gelegentlich ist es problematisch, die Symptome von denen des Dengue-Fiebers zu unterscheiden, zumal beide Virusinfektionen vielfach in denselben Gebieten auftreten und einen ähnlichen Verlauf zeigen. Eine spezielle Therapie gegen die Chikungunya-Viren gibt es bislang nicht, es kann also lediglich symptomatisch mit fiebersenkenden und antirheumatischen Medikamenten behandelt werden. Auch ein Impfstoff ist nicht bekannt. Die einzige Gegenmaßnahme ist somit ein konsequenter Schutz vor Mückenstichen durch Netze, lange Kleidung und Insektenmittel und die Eindämmung der Larvenpopulationen in Gewässern.

Den größten bislang dokumentierten Ausbruch der Krankheit gab es 2006 im Indischen Ozean: Auf der französischen Insel Réunion infizierten sich 130 000 Menschen, 77 davon starben. Auch auf den Komoren, Madagaskar, Mauritius und den Seychellen erkrankten Tausende, sodass die französische Armee schließlich ausrückte, um bei der Mückenbekämpfung zu helfen. Später fanden Virologen den Grund für die rasante Ausbreitung des Erregers: Durch eine Erbgutmutation konnte sich das Virus effektiver in den Insekten vermehren und auch den Menschen einfacher infizieren.

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