Chronobiologie: Warum Senioren schlecht schlafen
Peter Gierhake* ist die Müdigkeit anzumerken. Der 80-Jährige ist gerade von einem Kurztrip nach Holland zurückgekehrt. Bis auf die Nächte hat ihm die Reise gut gefallen. Doch die waren eher unruhig: Die Matratze war zu hart, die Bettdecke zu warm. Trotz des anstrengenden Programms wälzte er sich jede Nacht lange im Bett hin und her, bevor ihm endlich die Augen zufielen.
Auch zu Hause hat Peter Gierhake seit einiger Zeit Schwierigkeiten mit dem Einschlafen. Sein Arzt verschrieb ihm daher ein Melatonin-Spray. Das Hormon signalisiert dem Körper, dass es Zeit für die Nachtruhe ist. »Damit geht es besser«, sagt er. »Dennoch schlafe ich nur sehr selten durch.« Ein Einzelfall ist er damit nicht: Über Einschlafprobleme klagen etwa 15 Prozent der über 65-Jährigen laut einer Untersuchung von Desana Kocevska vom Netherlands Institute for Neuroscience in Amsterdam. Die Forscherin hatte dazu mit ihren Kollegen die Daten aus 36 Schlafstudien mit mehr als 200 000 Teilnehmenden aus den Niederlanden ausgewertet. Ungefähr 20 Prozent gaben an, regelmäßig nachts aufzuwachen und danach schlecht wieder in den Schlaf zu finden. Bei den 26- bis 40-Jährigen lagen diese Werte nur halb so hoch.
Dass sich der Schlaf im Lauf des Lebens verändert, ist grundsätzlich normal. Während Neugeborene im Schnitt mehr als 16 Stunden pro Tag im Land der Träume verbringen, sind es im Kindergartenalter zwölf Stunden. Teenager liegen acht bis zehn Stunden in den Federn, bis 40 sinkt diese Zeit auf sieben bis acht Stunden. Danach reduziert sich die Schlafdauer je nach Studie um fünf bis zehn Minuten pro Lebensjahrzehnt. Das nächtliche Ruhebedürfnis scheint also allmählich abzunehmen, und zwar selbst bei Menschen, die körperlich und psychisch topfit sind. Das konnten die Schlafmediziner Elizabeth Klerman und Derk-Jan Dijk 2008 in einer Studie an der Harvard Medical School zeigen. »Wir wollten herausfinden, wie lange Menschen unterschiedlichen Alters maximal schlafen können«, erklärt Derk-Jan Dijk, der heute das Zentrum für Schlafforschung an der University of Surrey leitet.
Dazu baten die beiden sowohl junge Erwachsene, die im Durchschnitt 22 Jahre alt waren, als auch Senioren und Seniorinnen (68 Jahre) für eine Woche ins Schlaflabor – allesamt kerngesund. »Jede unserer Versuchspersonen musste 16 Stunden täglich bei völliger Dunkelheit im Bett verbringen«, sagt er. »Wir haben uns dann angesehen, wie viel sie in dieser Zeit schliefen.« Während des Experiments pendelte sich die Schlafdauer bei den Jüngeren auf 8,9 Stunden ein, bei den Älteren waren es nur 7,4 Stunden. Mehr geht augenscheinlich nicht – zumindest nicht unter solchen Bedingungen.
Doch warum ist das so? Und wieso verschlafen Säuglinge locker zwei Drittel des Tages? Möglicherweise hängt das mit der Funktion des nächtlichen Blackouts zusammen: Vermutlich finden während dieser Auszeit wichtige Umbauvorgänge im Gehirn statt. Dazu zählt unter anderem die Herunterregulierung von Synapsen, den Verbindungen zwischen Nervenzellen. Dadurch kann das Gehirn effizienter arbeiten. Ungenutzte Synapsen werden sogar ganz abgebaut. Das ist wichtig, damit am folgenden Tag wieder Platz ist, um neue Informationen abzuspeichern. Zudem verfestigen sich beim Schlafen Erinnerungen: Sie werden gewissermaßen in das Langzeitgedächtnis eingraviert.
»Das junge Gehirn ist besonders plastisch. Darum ist der Bedarf an Schlaf zu dieser Zeit auch am größten«Derk-Jan Dijk, Schlafforscher
Beide Aufgaben sind in erster Linie dann von großer Bedeutung, wenn wir viel Neues lernen müssen – vor allem in der Kindheit und Jugend. Dann finden im Gehirn Tag für Tag rasante Veränderungen statt. »Das junge Gehirn ist besonders plastisch«, betont Derk-Jan Dijk. »Darum ist der Bedarf an Schlaf zu dieser Zeit auch am größten.« Die Abnahme der Schlafdauer im Alter ist kein Grund zur Besorgnis. Einem 70-Jährigen reichen sieben Stunden in der Regel völlig aus, ohne dass er tagsüber in den Seilen hängt.
Wachmacherneurone feuern ungehemmter
Zum Alterungsprozess gehört typischerweise auch, dass der Schlaf ineffizienter wird: Seniorinnen und Senioren brauchen länger, um einzuschlafen, und wachen nachts häufiger auf. Laut einer Langzeitstudie der University of Manchester aus dem Jahr 2019 liegen 90-Jährige fast ein Drittel der Zeit, die sie im Bett verbringen, wach. Bei Menschen unter 50 liegt der Anteil der Wachphasen nur bei gut zehn Prozent. In der Wissenschaft spricht man von einer zunehmenden Fragmentierung der Nachtruhe (siehe »Schlafarchitektur im Alter«). Der Schlafforscher Shi-Bin Li von der Stanford University hat 2022 zusammen mit Kolleginnen und Kollegen einen möglichen Grund dafür gefunden. Demnach werden Aktivitätsneurone im Hypothalamus im Lauf des Lebens leichter erregbar.
Shi-Bin Li hat in seiner Arbeit Hirnzellen von Labormäusen unter die Lupe genommen, die Orexine ausschütten – das sind Hormone, die die Hirnaktivität steuern. »Wir benötigen sie, um wach zu bleiben«, erklärt der Altersmediziner Helmut Frohnhofen vom Universitätsklinikum Düsseldorf. »In den USA sind deshalb Wirkstoffe, die das Orexinsystem hemmen, bereits als Schlafmittel auf dem Markt.« Orexine sind evolutionär gesehen uralt; es gibt sie beispielsweise auch in Fröschen, Vögeln oder Fischen. Gehen die Orexinneurone zu Grunde, sind extreme Tagesmüdigkeit und plötzliche Schlafattacken die Folge – ein Krankheitsbild, das als Narkolepsie bekannt ist.
Bei der Zerstückelung der Nachtruhe scheinen Orexine ebenfalls ihre Finger im Spiel zu haben. So konnte Shi-Bin Li zeigen, dass betagte Labormäuse zwar weniger Nervenzellen als junge haben, die die körpereigenen Wachmacher produzieren. Gleichzeitig sind diese aber deutlich leichter erregbar. Sie benötigen demnach weniger Input, um zu feuern und dabei den Signalstoff auszuschütten. Alte Tiere wachen daher erheblich öfter auf. Das Team fand sogar die Ursache der gesteigerten Feuerbereitschaft. Demnach fehlt gealterten Orexinzellen ein wichtiges Bremssystem, das ihre Erregbarkeit herunterfährt. Setzt man die Bremse bei jungen Mäusen außer Kraft, schlafen die Nager plötzlich mit ähnlich vielen Unterbrechungen wie ihre älteren Artgenossen.
Seniorinnen und Senioren verbringen also weniger Zeit im Land der Träume. Zudem ändert sich die Qualität ihres Schlafs: Er wird leichter. Das zeigt sich, wenn man sich ihre Hirnströme im EEG anschaut. Während der Nachtruhe synchronisieren die Nervenzellen ihre Aktivität – wie in einem Fußballstadion, in dem die Fans vor dem Eckstoß rhythmisch zu klatschen beginnen. Je tiefer der Schlaf, desto lauter und langsamer wird dieses Klatschen. Das tiefste Stadium wird dementsprechend als »slow wave sleep« (langsamwelliger Schlaf) bezeichnet. In jungen Jahren verbringen wir etwa 20 Prozent unserer gesamten Nachtruhe im Tiefschlaf.
Die meisten Experten gehen davon aus, dass der Tiefschlaf mit steigendem Alter abnimmt – bei Männern stärker als bei Frauen
Im Alter geht der Anteil deutlich zurück; manchen Studien zufolge fast auf null. Allerdings ist Letzteres umstritten. Denn der langsamwellige Schlaf wird per Definition nur dann als Tiefschlaf gezählt, wenn die Amplitude der Hirnstromwellen (oder die Lautstärke des Klatschens) eine festgelegte Schwelle überschreitet. »Typischerweise erreichen ältere Menschen diese Amplitude jedoch gar nicht«, betont Markus Werkle-Bergner vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. »Die langsamen Wellen sind dagegen in der Regel sehr wohl noch im EEG vorhanden.« Ein möglicher Grund für die Abnahme der »Lautstärke« ist der Verlust grauer Hirnsubstanz: Die schwindet mit den Jahren im gesunden Gehirn ein wenig. »Wie sich die kleiner werdende Amplitude auf den Tiefschlaf auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt«, sagt der Entwicklungspsychologe.
Dennoch gehen die meisten Experten davon aus, dass der Tiefschlaf mit steigendem Alter abnimmt – bei Männern stärker als bei Frauen. »Das beginnt schon mit 30«, betont Sonia Ancoli-Israel, die bis zu ihrer Emeritierung an der University of California in San Diego als Schlafmedizinerin geforscht und viele Patienten mit Schlafproblemen behandelt hat. »Nach dem 60. Lebensjahr sehen wir diesbezüglich dagegen kaum noch eine Abnahme.« Wie schon bei der Schlafdauer gilt hier ebenfalls: Die größten Veränderungen spielen sich in der ersten Lebenshälfte ab.
Ein weiterer Punkt, der in Schlafstudien regelmäßig auffällt: Senioren gehen im Schnitt etwas früher ins Bett und stehen früher auf. Diese Verschiebung hängt mutmaßlich mit Änderungen der Körpertemperatur zusammen. Die folgt nämlich (unabhängig vom Aktivitätsgrad) einem festgelegten Rhythmus: Am späteren Abend kühlt unser Körper sich ab; in den Morgenstunden heizt er sich wieder auf. Und wenn wir auskühlen, werden wir müde. Im Alter wird der Zeitpunkt der Nachtabsenkung vorverlegt. »Die Körpertemperatur sinkt dann bereits früher am Abend«, erklärt Sonia Ancoli-Israel. »Als Folge werden Ältere oft schon um acht oder neun Uhr schläfrig.«
Unklar ist, warum sich der Temperaturrhythmus verschiebt. Studien zufolge funktioniert ein wichtiger Taktgeber im Gehirn, der suprachiasmatische Nukleus (SCN), im Alter nicht mehr so gut. Dabei handelt es sich um eine stecknadelkopfgroße Ansammlung von etwa 20 000 Nervenzellen im Hypothalamus (siehe »Wie der SCN den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert«). Das Gebiet gilt als »Master Clock«: Es sorgt dafür, dass im Körper alles zur rechten Zeit geschieht; ähnlich, wie ein Dirigent den Einsatz der Instrumente koordiniert. Mit den Jahren werden seine Signale jedoch immer schwächer und undeutlicher. Damit wächst die Gefahr, dass manche Prozesse aus dem Takt geraten.
Der SCN orientiert sich am Sonnenlicht. Dabei helfen ihm spezielle Sensoren in unseren Augen, die lichtempfindlichen Ganglienzellen. Diese bilden neben den Zapfen und Stäbchen eine dritte Gruppe von Fotorezeptoren. Lichtsignale gelangen von dort in den Hypothalamus. Das verhindert, dass die »Master Clock« mit der Zeit vor- oder nachgeht. Sie synchronisiert sich dadurch mit dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. »Der SCN braucht äußere Zeitgeber, und der stärkste, den wir kennen, ist Licht«, erklärt Helmut Frohnhofen.
Tag-Nacht-Unterschiede verschwimmen
Mit den Jahren aber »vergilben« die Augenlinsen, sie lassen weniger blaues Licht durch, für das die Ganglienzellen besonders empfindlich sind. Dadurch wird der ohnehin nicht mehr so ausgeprägte Tag-Nacht-Rhythmus weiter geschwächt. Auch krankhafte Veränderungen wie der graue Star, eine Linsentrübung, können die Nachtruhe stören. Normalerweise verhindert der SCN bei Helligkeit, dass die Zirbeldrüse im Mittelhirn Melatonin bildet. In der Dunkelheit wird der Körper dann mit dem Hormon geflutet. So wird ein Müdigkeitsgefühl erzeugt. Das ist der Grund, warum die Substanz gern als Einschlafhilfe verschrieben wird. Im Alter nehmen die Schwankungen im Melatoninspiegel jedoch ab – einerseits, weil die innere Uhr ohnehin nicht mehr so laut tickt, und andererseits, weil wie oben beschrieben die eintreffenden Lichtimpulse durch die trüben Linsen abgeschwächt werden. Das kann dazu führen, dass die Tag-Nacht-Unterschiede verschwimmen und der Schlaf »polyphasischer« wird. Der Schlummer konzentriert sich dann nicht mehr auf die Zeit zwischen 22 und 7 Uhr, sondern verteilt sich über den Tag.
Veränderungen des Schlafs treffen nicht jeden Menschen gleich stark. Das zeigt sich etwa bei der Abnahme der Schlafeffizienz: Wer in jungen Jahren gut ein- und durchschläft, bei dem bleibt das häufig auch im Alter so. Immerhin ein Drittel aller Männer und Frauen fallen laut der Langzeitstudie der University of Manchester in diese Kategorie. »Guter Schlaf ist zumindest zum Teil ein Persönlichkeitsmerkmal«, erklärt Werkle-Bergner. Peter Gierhake kann das nur bestätigen: »Ich bin nicht erst jetzt ein unruhiger Schläfer; das war eigentlich schon immer so.«
Verstärkt wird diese Unruhe seit einiger Zeit jedoch durch ein medizinisches Problem: In den letzten Jahren muss er auf Grund von Beschwerden mit der Prostata häufiger nachts auf die Toilette als früher. Tatsächlich sind es oft Begleiterkrankungen, die die alterstypischen Änderungen der Nachtruhe verschärfen – mitunter so sehr, dass ernst zu nehmende Schlafstörungen die Folge sind. »Ein großes Problem sind natürlich Schmerzen, etwa wegen einer Arthritis«, sagt Helmut Frohnhofen. »Außerdem nehmen alte Menschen mehr Medikamente, die ihrerseits den Schlaf beeinträchtigen können. Dazu zählen beispielsweise Betablocker, Entzündungshemmer wie Kortison oder Antidepressiva.«
Ein weiteres Leiden, mit dem ältere Menschen öfter zu kämpfen haben als jüngere, sind Atemaussetzer. Sie treten auf, wenn sich beim Schlafen Zunge und der weiche Teil des Gaumens auf die Atemwege legen und sie versperren. Die Betroffenen können keine Luft holen: 10, 30, manchmal sogar 60 Sekunden lang. Die Sauerstoffkonzentration in ihrem Blut sinkt währenddessen deutlich ab. Irgendwann wird ihre Atemnot so groß, dass sie kurzzeitig aufschrecken und explosionsartig einatmen. Das Ganze wiederholt sich in schweren Fällen alle paar Minuten. Bis zum 65. Lebensjahr steigt das Risiko einer obstruktiven Schlafapnoe (so die medizinische Bezeichnung). Gründe scheinen unter anderem eine sinkende Muskelspannung der oberen Atemwege sowie Übergewicht zu sein.
Schlafmangel kann behandelt werden
Peter Gierhake hat mit der nächtlichen Atmung keine Probleme. Auch eine andere Störung kennt er nur vom Hörensagen – das Restless-Legs-Syndrom. Studien zufolge leiden vor allem Frauen unter den unruhigen Beinen, denen die Erkrankung ihren Namen verdankt. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu; komplett geklärt ist dieser Zusammenhang aber noch nicht. »Ursache ist häufig Eisenmangel, zum Beispiel ausgelöst durch chronische Blutungen, etwa bei Magengeschwüren«, erklärt Helmut Frohnhofen. »Außerdem können verschiedene Medikamente das Syndrom verursachen.« Das typische Kribbeln und der unbezähmbare Bewegungsdrang treten primär in den Abendstunden auf. Sie lassen die Betroffenen schlecht in den Schlaf kommen.
Ein lang anhaltender und gravierender Schlafmangel ist behandlungsbedürftig, denn er kann böse Folgen haben: Stürze, Konzentrations- und Erinnerungsschwächen, langfristig sogar Demenz. 2021 erregte ein internationales Team um Séverine Sabia von der Université de Paris mit einem alarmierenden Befund Aufsehen: Demnach ist bei Menschen, die nachts dauerhaft weniger als sechs Stunden schlummern, das Risiko einer neurodegenerativen Erkrankung gegenüber »Normalschläfern« um 30 Prozent erhöht.
Dazu passt eine Beobachtung der Hirnforscherin Maiken Nedergaard vom University of Rochester Medical Center. 2013 zeigte sie, dass bei schlafenden Mäusen verstärkt toxisches Beta-Amyloid aus dem Gehirn ausgeschwemmt und damit entsorgt wird – ein Protein, das eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Alzheimererkrankung spielt. Während der Nachtruhe wird also die hirneigene Müllabfuhr aktiv und sorgt dafür, dass unser Denkorgan nicht in seinem eigenen Abfall erstickt. Und schlechter Schlaf verstärkt bei Menschen die Ansammlung von Beta-Amyloid im Gehirn, wie Matthew Walker von der University of California in Berkeley 2020 demonstrierte.
Oft lässt sich die Nachtruhe bereits durch einfache Maßnahmen nachhaltig verbessern. Bei einer obstruktiven Schlafapnoe helfen häufig eine Gewichtsabnahme und der Verzicht auf Alkohol. Andernfalls verspricht eine spezielle Atemmaske Abhilfe. Gegen ruhelose Beine gibt es inzwischen wirksame Medikamente. Menschen mit Schlafproblemen sollten außerdem auf Kaffee, Tee und Cola weitgehend verzichten, das gilt vor allem am Abend. Und generell sollte man schon einige Stunden bevor es in die Federn geht nur noch wenig trinken, damit nachts die Blase nicht zu sehr drückt (siehe »Regeln für eine gute Schlafhygiene«).
Regeln für eine gute Schlafhygiene
- Verbringe nicht zu viel Zeit im Bett.
- Halte feste Schlaf-wach-Zeiten ein.
- Steh auf, wenn du nicht einschlafen kannst.
- Begrenze Nickerchen auf 30 Minuten am späten Morgen oder frühen Nachmittag.
- Treibe regelmäßig Sport.
- Verbringe viel Zeit draußen, am besten ohne Sonnenbrille.
- Setze dich grundsätzlich häufiger dem Licht aus.
- Iss vor dem Schlafengehen nur leichte Snacks.
- Vermeide Alkohol, Koffein und Tabak nach dem Mittagessen.
- Trinke abends nicht mehr so viel.
Neikrug A. B., Ancoli-Israel, S.: Sleep disorders in the older adult – a mini-review. Gerontology 56, 2010
Auch der immer leiser tickenden inneren Uhr lässt sich durchaus auf die Sprünge helfen – etwa durch regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Wer es sich zur Gewohnheit macht, jeden Tag bei Wind und Wetter für eine Stunde vor die Tür zu gehen, tut nicht nur seinem Herz-Kreislauf-System etwas Gutes: Helligkeit und Aktivität stimulieren den SCN, den Taktstock etwas stärker zu schwingen. Da Licht die Melatoninausschüttung bremst, hilft das gleichzeitig gegen Tagesmüdigkeit. Der Schlaf konzentriert sich somit wieder mehr auf die Nachtstunden. Wer nicht mehr ausreichend mobil ist, kann sich mit einer so genannten Lichtdusche behelfen; das ist im Prinzip eine starke Tageslichtlampe. Sie wirkt am besten, wenn sie oberhalb des Kopfes an der Wand befestigt wird – die lichtempfindlichen Taktgeberzellen sitzen nämlich vor allem unten im Auge und werden durch Lichteinfall von oben am meisten stimuliert.
Ein uraltes Hausmittel hat sich ebenfalls bewährt: ein abendliches heißes Fußbad. Denn warmes Wasser fördert die Durchblutung. Über das Blut geben die Extremitäten dann Wärme an die Umgebung ab – infolgedessen sinkt die Körperkerntemperatur. »Der Abfall der Körpertemperatur ist der physiologisch stärkste Schlafreiz, den wir kennen«, betont Helmut Frohnhofen. Mit kalten, wenig durchbluteten Füßen kann man dagegen nur schlecht einschlafen.
Wichtig für eine gute Nachtruhe ist zudem ein ausreichender Schlafdruck: Wer sich tagsüber körperlich anstrengt, schlummert abends besser ein. »Ähnlich wirken geistig herausfordernde Situationen«, meint Markus Werkle-Bergner. »Aus diesem Grund ist es wichtig, auch den Kopf aktiv zu halten; etwa dadurch, dass man sich mit anderen Menschen trifft.«
»Der Schlaf wird grau – ähnlich, wie auch die Haare grau werden«Helmut Frohnhofen, Schlafmediziner
Am besten hilft die kognitive Schlaftherapie
Unter bestimmten Umständen ist die Gabe von Medikamenten angebracht. Sonia Ancoli-Israel empfiehlt gegen Schlaflosigkeit jedoch eher eine kognitive Verhaltenstherapie: »Das ist nach heutigem Wissen die wirksamste Methode, wirksamer als Pharmaka. Und das Beste: Sie hilft langfristig!« Dazu gehört die Beachtung einfacher Regeln zur Schlafhygiene: regelmäßige Bettzeiten; tagsüber höchstens ein Nickerchen machen; abends leicht essen; aufstehen, wenn man nicht mehr schlafen kann. »Am schlimmsten ist es, nach fünf Stunden aufzuwachen und krampfhaft zu versuchen, wieder einzuschlafen«, so Derk-Jan Dijk.
Zudem: Viele Menschen haben übersteigerte Vorstellungen davon, wie ihr Schlaf sein sollte. Damit räumt die Verhaltenstherapie ebenfalls auf. Dass der Schlaf im Alter unruhiger wird, ist an sich keine Katastrophe. »Warum ist es so schlimm, nachts ein- oder zweimal aufzuwachen? Weil wir denken, dass es schlimm ist – das ist Teil des Problems!«, erklärt Derk-Jan Dijk. Ähnlich sieht das Helmut Frohnhofen: »Sicher, wenn Schlaf langfristig fehlt, kann das krank machen«, sagt er. »Viele Veränderungen sind aber Teil des normalen Alterungsprozesses. Man könnte vielleicht sagen: Der Schlaf wird grau – ähnlich, wie auch die Haare grau werden.«
*Name von der Redaktion geändert.
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