Sprache: Der Sitz des Substantives
Mögen Sprachen auch noch so verschieden sein, eines ist wohl den meisten - wenn nicht sogar allen - gemeinsam: das Konzept der Verben und Substantive. Dementsprechend scheinen diese Grundlagen daher fest in unserem Hirn verdrahtet zu sein. Auf der Suche nach dem Wo wurden Forscher nun fündig.
"Die Wolken ziehen", ist ein ganz normaler Satz. "Die Ziehen wolken" hingegen ist zwar genauso aufgebaut, aber ganz klar falsch. Warum? Die Worte sind zwar verdreht, aber existieren doch? Der Clou liegt darin, dass wir beim Sprechen nicht nur einfach Wörter aneinander reihen, sondern diese aus grundlegenden Kategorien wählen: Substantive, Verben, Artikel, Adjektive und einiges mehr. Diese Wortarten sind nach ganz bestimmten Regeln aufgebaut, die wir uns beim Erlernen der Muttersprache nach und nach aneignen. So lernen wir als Kind, die Endungen passend zu schleifen oder sogar im Wortstamm, wenn nötig, Vokale umzubauen.
Irgendwann aber läuft das völlig unbewusst ab. Alltägliche Verhaspler, wie sie in der Frankfurter Versprechersammlung dokumentiert werden, zeigen amüsant, wie sehr sich unser Hirn offenbar bemüht, den nicht mehr zu stoppenden Unsinn wenigstens grammatikalisch richtig zu servieren. Mit ernsterem Hintergrund demonstrieren auch Patienten mit Hirnstörungen, dass Substantiv und Verb nicht irgendwelche künstlichen Einheiten darstellen, sondern fest verdrahtet zu sein scheinen. So haben Menschen mit Verletzungen in der Hirnrinde des linken Temporallappens Probleme bei der Produktion von Substantiven, während Störungen im linken Frontalbereich Schwierigkeiten mit Verben hervorrufen. Hat sich damit ihr Sitz im menschlichen Gehirn verraten?
Nicht unbedingt – denn die Suche nach der entsprechenden Hirnregion erweist sich als gar nicht so einfach. Wird den Betroffenen beispielsweise ein Bild präsentiert, das sie benennen sollen, können Fehler oder Ratlosigkeit auch andere Ursachen haben: Vielleicht ist das Erfassen der Wortbedeutung gestört, oder die Umsetzung der Bildinformation in eine sprachliche hakt an anderer Stelle.
Solche Uneindeutigkeiten wollten Kevin Shapiro von der Harvard-Universität und seine Kollegen vermeiden. Sie arrangierten daher ein Frage-Antwort-Spielchen mit ihren Versuchsteilnehmern, von denen sie einige auch noch zusätzlich in die Magnetresonanzröhre steckten. So konnten die Wissenschaftler verfolgen, welche Hirnareale beim Verarbeiten und Aussprechen von Verben oder Substantiven besonders aktiv wurden.
Im ersten Experiment versuchten sie den Einfluss der Wortbedeutung auszuschalten, indem sie auch Pseudowörter in die Aufgabe schmuggelten. Im zweiten Teil ging es ihnen um das Problem, dass auch Pseudosubstantive noch als Bezeichnung für ein konkretes Objekt und entsprechende unsinnige Verben als Beschreibung irgendeiner Aktion interpretiert werden könnten. Also spickten die Forscher die Liste nun mit zahlreichen abstrakten Begriffen, die keinen solchen direkten Schluss zuließen. Im letzten Test wollten Shapiro und seine Kollegen sichergehen, dass nicht bestimmte Worteigenschaften – wie typische Pluralendungen oder Beugungen – die Wortart verraten. Wenn sich hier nun eine aus den vorangegangenen Experimenten schon bekannte Hirnregion beispielsweise nur bei Substantiven regen sollte – egal ob gebeugt oder nicht –, während sie bei Verben jeglicher Variante schweigt, dann wäre dies ein weiterer Hinweis für den Sitz der Substantive, so die Forscher.
Alles in allem ein riesiger Wust an Daten, den die Wissenschaftler durch eine strikte Statistik schicken konnten. Sie interessierten sich nicht für all jene Areale, die sich natürlich im Zusammenhang mit Sprache zeigen. Interessant für sie waren nur die Bereiche, die allein bei Substantiven oder Verben aufleuchteten. Und sie wurden fündig: Vier Regionen – drei für Verben, eine für Substantive – kristallisierten sich als potenzielle Wortart-Domizile heraus.
In früheren Studien hatten Forscher das Broca-Areal als Verarbeitungswort für Verben interpretiert. Shapiro und seine Kollegen äußern daran jedoch Kritik: Die verwendeten Begriffe seien nicht eindeutig gewesen, denn die im Experiment eingesetzten italienischen Infinitive und englischen Worte mit Endung auf "-ing" würden auch häufig als Substantive verwendet. Im Broca-Areal fände daher wohl eher eine allgemeinere Verarbeitung der Wortgestalt statt.
Doch wofür steht die Aktivität in diesen Regionen überhaupt? Die Forscher gehen davon aus, dass sie nur einzelne Knotenpunkte eines Netzwerkes rund um Substantiv- oder Verbverarbeitung sind. So liegt die Substantiv-typische Aktivität in einem Bereich, in dem noch mehr Zentren für Objekterkennung und Klassifikation zuhause sind. Und die Verb-Region könnte eng mit Arealen zusammenhängen, die sich mit motorischen Fragen jeglicher Art beschäftigen.
Vielleicht ist die Erklärung aber sogar noch eine Spur abstrakter, und die Aktivität entsteht, weil ein "Kernkonzept" der Wortarten erkannt wird. So könnten Substantive als Bezeichnung für etwas "Individualisierbares" gelten – selbst unzählbare Dinge wie Butter oder Abstraktes wie "Wahrheit" kann in irgendeiner Weise von Ähnlichem eindeutig unterschieden werden, erklären Shapiro und sein Team. Bei Verben ziele dieses Kernkonzept darauf ab, dass sie alle mit einem Ereignis zu irgendeinem Zeitpunkt in Verbindung gebracht werden können. Substantiv und Verb wären daher im Gehirn hart verdrahtet, weil sie uns einfach im Kern grundlegend Unterschiedliches mitteilen.
Irgendwann aber läuft das völlig unbewusst ab. Alltägliche Verhaspler, wie sie in der Frankfurter Versprechersammlung dokumentiert werden, zeigen amüsant, wie sehr sich unser Hirn offenbar bemüht, den nicht mehr zu stoppenden Unsinn wenigstens grammatikalisch richtig zu servieren. Mit ernsterem Hintergrund demonstrieren auch Patienten mit Hirnstörungen, dass Substantiv und Verb nicht irgendwelche künstlichen Einheiten darstellen, sondern fest verdrahtet zu sein scheinen. So haben Menschen mit Verletzungen in der Hirnrinde des linken Temporallappens Probleme bei der Produktion von Substantiven, während Störungen im linken Frontalbereich Schwierigkeiten mit Verben hervorrufen. Hat sich damit ihr Sitz im menschlichen Gehirn verraten?
Nicht unbedingt – denn die Suche nach der entsprechenden Hirnregion erweist sich als gar nicht so einfach. Wird den Betroffenen beispielsweise ein Bild präsentiert, das sie benennen sollen, können Fehler oder Ratlosigkeit auch andere Ursachen haben: Vielleicht ist das Erfassen der Wortbedeutung gestört, oder die Umsetzung der Bildinformation in eine sprachliche hakt an anderer Stelle.
Solche Uneindeutigkeiten wollten Kevin Shapiro von der Harvard-Universität und seine Kollegen vermeiden. Sie arrangierten daher ein Frage-Antwort-Spielchen mit ihren Versuchsteilnehmern, von denen sie einige auch noch zusätzlich in die Magnetresonanzröhre steckten. So konnten die Wissenschaftler verfolgen, welche Hirnareale beim Verarbeiten und Aussprechen von Verben oder Substantiven besonders aktiv wurden.
Im ersten Experiment versuchten sie den Einfluss der Wortbedeutung auszuschalten, indem sie auch Pseudowörter in die Aufgabe schmuggelten. Im zweiten Teil ging es ihnen um das Problem, dass auch Pseudosubstantive noch als Bezeichnung für ein konkretes Objekt und entsprechende unsinnige Verben als Beschreibung irgendeiner Aktion interpretiert werden könnten. Also spickten die Forscher die Liste nun mit zahlreichen abstrakten Begriffen, die keinen solchen direkten Schluss zuließen. Im letzten Test wollten Shapiro und seine Kollegen sichergehen, dass nicht bestimmte Worteigenschaften – wie typische Pluralendungen oder Beugungen – die Wortart verraten. Wenn sich hier nun eine aus den vorangegangenen Experimenten schon bekannte Hirnregion beispielsweise nur bei Substantiven regen sollte – egal ob gebeugt oder nicht –, während sie bei Verben jeglicher Variante schweigt, dann wäre dies ein weiterer Hinweis für den Sitz der Substantive, so die Forscher.
Alles in allem ein riesiger Wust an Daten, den die Wissenschaftler durch eine strikte Statistik schicken konnten. Sie interessierten sich nicht für all jene Areale, die sich natürlich im Zusammenhang mit Sprache zeigen. Interessant für sie waren nur die Bereiche, die allein bei Substantiven oder Verben aufleuchteten. Und sie wurden fündig: Vier Regionen – drei für Verben, eine für Substantive – kristallisierten sich als potenzielle Wortart-Domizile heraus.
Genauer gesagt: Sollen wir ein Substantiv verarbeiten, regt sich ganz spezifisch der linke untere Schläfenlappen, bei den Verben wird die linke präfrontale Hirnrinde und der linke obere Scheitellappen aktiv. Außerdem meldet sich hier noch der Gyrus temporalis superior – allerdings mit einer Besonderheit: Je länger die Probanden für ihre Reaktion brauchten – je schwieriger also die Aufgabe war –, desto mehr Aktivität zeigte er. Da bei den anderen drei Regionen keine derartige Variabilität zwischen den einzelnen Experimenten auftrat, folgern die Wissenschaftler, dass er für die eigentliche Erkennung der Wortart wohl doch keine entscheidende Rolle spielt.
In früheren Studien hatten Forscher das Broca-Areal als Verarbeitungswort für Verben interpretiert. Shapiro und seine Kollegen äußern daran jedoch Kritik: Die verwendeten Begriffe seien nicht eindeutig gewesen, denn die im Experiment eingesetzten italienischen Infinitive und englischen Worte mit Endung auf "-ing" würden auch häufig als Substantive verwendet. Im Broca-Areal fände daher wohl eher eine allgemeinere Verarbeitung der Wortgestalt statt.
Doch wofür steht die Aktivität in diesen Regionen überhaupt? Die Forscher gehen davon aus, dass sie nur einzelne Knotenpunkte eines Netzwerkes rund um Substantiv- oder Verbverarbeitung sind. So liegt die Substantiv-typische Aktivität in einem Bereich, in dem noch mehr Zentren für Objekterkennung und Klassifikation zuhause sind. Und die Verb-Region könnte eng mit Arealen zusammenhängen, die sich mit motorischen Fragen jeglicher Art beschäftigen.
Vielleicht ist die Erklärung aber sogar noch eine Spur abstrakter, und die Aktivität entsteht, weil ein "Kernkonzept" der Wortarten erkannt wird. So könnten Substantive als Bezeichnung für etwas "Individualisierbares" gelten – selbst unzählbare Dinge wie Butter oder Abstraktes wie "Wahrheit" kann in irgendeiner Weise von Ähnlichem eindeutig unterschieden werden, erklären Shapiro und sein Team. Bei Verben ziele dieses Kernkonzept darauf ab, dass sie alle mit einem Ereignis zu irgendeinem Zeitpunkt in Verbindung gebracht werden können. Substantiv und Verb wären daher im Gehirn hart verdrahtet, weil sie uns einfach im Kern grundlegend Unterschiedliches mitteilen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.