Analytik: Die unendliche Feinheit des Blickes
Haargenau? Schweizer Forscher wollen es genauer wissen, molekülgenau. Seit Nanotechniker Strukturen aus einzelnen Atomen bauen und Molekularbiologen die Chemie der Natur bis ins kleinste Detail verfolgen, sind Technologien gefragt, welche die Welt der Winzlinge sichtbar machen.
Eine chemische Reaktion gleicht einem Kriminalfall: In der Regel ist bekannt, welche Stoffe beteiligt sind und was hinten herauskommt. Doch über den genauen Tathergang sind meist nur Hypothesen möglich, die als scheinbar eindeutige Modelle in den Lehrbüchern erscheinen. Zu wenig, wenn Chemiker die Präzision von Organismen erreichen wollen.
Bei den Methoden, die Welt im kleinsten zu erforschen, klaffte bislang eine große Lücke. Zwar liefert das Rastertunnelmikroskop ein atomgenaues Bild chemischer Strukturen, deren Oberfläche es ähnlich wie ein Echolot den Meeresboden abtastet. Heraus kommt allerdings nur eine extrem genaue Topografie – Berge und Täler molekularer Oberflächen. So lassen sich Strukturen vermessen, jedoch keinesfalls bestimmen. Oder wie es Renato Zenobi von der ETH Zürich formuliert: "Sie können damit den Bauchumfang von Bakterien ermitteln. Wir wollen aber wissen: Ist das dort ein Porenprotein? Ist dies hier ein Lipid?"
Eine weiteres Werkzeug auf dem molekularen Seziertisch sind Laserpinzette und Raman-Spektroskopie. So lassen sich im Strahl eines Lasers lassen sich einzelne Mikropartikel wie beispielweise rote Blutkörperchen fixieren. Bonner Forscher haben damit gar einzelne Cäsium-Atome bewegt. Und das Raman-Spektrum des angestrahlten und ausgebremsten Partikels gibt darüber hinaus Auskunft über dessen chemische Struktur. Dahinter steckt der Raman-Effekt: Wenn Licht auf Moleküle trifft, dann gibt ein Teil der Strahlen Energie an die Molekülbindungen ab – "inelastische Streuung" nennen das die Physiker. Da die Energie die Frequenz und damit die Farbe des Lichtes bestimmt, ändert das abgestrahlte Licht sein Farbspektrum.
Diese Farbänderung gleicht einem Fingerabdruck der Moleküle: Von der Verschiebung des Spektrums lässt sich auf die Art der Molekülbindungen schließen – und damit auf das Molekül insgesamt. Sofern man sie messen kann – denn nur eines unter zehn Milliarden Lichtteilchen wird verändert abgestrahlt. Der Großteil wird unverzerrt, "elastisch" gestreut. Bei kleinen Molekülen ist der Raman-Effekt deshalb nicht messbar.
Hier setzten nun Zenobi und sein Team an: Sie verstärkten den Raman-Effekt. Er wird größer, wenn die angestrahlten Moleküle auf einer Goldoberfläche liegen. Und er steigert sich noch mehr, wenn eine extrem feine Silberspitze bis auf ein paar Atomdurchmesser an die Probe herangefahren wird, wodurch eine Art Rückkopplung entsteht. Warum also nicht beide Methoden kombinieren, um das Raman-Spektrum einzelner Moleküle messbar zu machen?
Zehn mal zehn Nanometer: Auf dieser Fläche liegen nur eine Handvoll Probe-Moleküle. Das ist wichtig, denn so konnten die Forscher belegen, dass sie wirklich die Raman-Strahlung einzelner Moleküle aufgefangen haben. Zum einen schwankte die Strahlung in Stärke und Frequenz – hervorgerufen durch die Bewegung der einzelnen abgelichteten Moleküle auf dem Bildausschnitt. Wären ungeahnt viele im Fokus, würde das Spektrum nicht fluktuieren – auf dem Klassenfoto kann eher jemand unbemerkt fehlen als beim Einzelportrait. Außerdem verschwand der Raman-Effekt mitunter plötzlich: Das Laserlicht zerstört bestrahlte Moleküle. Nur wenn wirklich einzelne von ihnen auf der Bildfläche sind, bedeutet der Tod eines Moleküls auch das abrupte Ende des Raman-Effektes.
Anhand des verstärkten Raman-Spektrums lassen sich also tatsächlich einzelne Moleküle unterscheiden und lokalisieren. Und zwar in Echtzeit. Nur eine der vielen Anwendungsmöglichkeiten sieht Zenobi für die Mikrobiologie: Bald können mit dieser Methode Bakterien, erfahrene Baumeister von Nanostrukturen, beim Bau ihrer Kolonien beobachtet werden – und das nun Molekül für Molekül. Ihre Technologie, sich in einer hauchzarten molekularen Schleimschicht als Biofilm an Oberflächen zu klammern, stößt auf reges Forscherinteresse. Man zwar die chemischen Verbindungen, die dabei zum Einsatz kommen – doch nun lässt sich vielleicht "live" verfolgen, welches Molekül sie wann wohin bugsieren.
Bei den Methoden, die Welt im kleinsten zu erforschen, klaffte bislang eine große Lücke. Zwar liefert das Rastertunnelmikroskop ein atomgenaues Bild chemischer Strukturen, deren Oberfläche es ähnlich wie ein Echolot den Meeresboden abtastet. Heraus kommt allerdings nur eine extrem genaue Topografie – Berge und Täler molekularer Oberflächen. So lassen sich Strukturen vermessen, jedoch keinesfalls bestimmen. Oder wie es Renato Zenobi von der ETH Zürich formuliert: "Sie können damit den Bauchumfang von Bakterien ermitteln. Wir wollen aber wissen: Ist das dort ein Porenprotein? Ist dies hier ein Lipid?"
Eine weiteres Werkzeug auf dem molekularen Seziertisch sind Laserpinzette und Raman-Spektroskopie. So lassen sich im Strahl eines Lasers lassen sich einzelne Mikropartikel wie beispielweise rote Blutkörperchen fixieren. Bonner Forscher haben damit gar einzelne Cäsium-Atome bewegt. Und das Raman-Spektrum des angestrahlten und ausgebremsten Partikels gibt darüber hinaus Auskunft über dessen chemische Struktur. Dahinter steckt der Raman-Effekt: Wenn Licht auf Moleküle trifft, dann gibt ein Teil der Strahlen Energie an die Molekülbindungen ab – "inelastische Streuung" nennen das die Physiker. Da die Energie die Frequenz und damit die Farbe des Lichtes bestimmt, ändert das abgestrahlte Licht sein Farbspektrum.
Diese Farbänderung gleicht einem Fingerabdruck der Moleküle: Von der Verschiebung des Spektrums lässt sich auf die Art der Molekülbindungen schließen – und damit auf das Molekül insgesamt. Sofern man sie messen kann – denn nur eines unter zehn Milliarden Lichtteilchen wird verändert abgestrahlt. Der Großteil wird unverzerrt, "elastisch" gestreut. Bei kleinen Molekülen ist der Raman-Effekt deshalb nicht messbar.
Hier setzten nun Zenobi und sein Team an: Sie verstärkten den Raman-Effekt. Er wird größer, wenn die angestrahlten Moleküle auf einer Goldoberfläche liegen. Und er steigert sich noch mehr, wenn eine extrem feine Silberspitze bis auf ein paar Atomdurchmesser an die Probe herangefahren wird, wodurch eine Art Rückkopplung entsteht. Warum also nicht beide Methoden kombinieren, um das Raman-Spektrum einzelner Moleküle messbar zu machen?
Das Züricher Team belegte eine Goldplatte mit extrem dünnen Lagen von Probemolekülen: ein Farbstoff und eine einfache organische Verbindung. Sie brachten die scharfe Silberspitze ganz nah an die Oberfläche heran, schalteten den Laser ein – und fingen das Raman-Spektrum von einem winzigen Abschnitt mit zehn Nanometer Seitenlänge auf. In zehnmillionenfacher Verstärkung. Molekülspezifisch.
Zehn mal zehn Nanometer: Auf dieser Fläche liegen nur eine Handvoll Probe-Moleküle. Das ist wichtig, denn so konnten die Forscher belegen, dass sie wirklich die Raman-Strahlung einzelner Moleküle aufgefangen haben. Zum einen schwankte die Strahlung in Stärke und Frequenz – hervorgerufen durch die Bewegung der einzelnen abgelichteten Moleküle auf dem Bildausschnitt. Wären ungeahnt viele im Fokus, würde das Spektrum nicht fluktuieren – auf dem Klassenfoto kann eher jemand unbemerkt fehlen als beim Einzelportrait. Außerdem verschwand der Raman-Effekt mitunter plötzlich: Das Laserlicht zerstört bestrahlte Moleküle. Nur wenn wirklich einzelne von ihnen auf der Bildfläche sind, bedeutet der Tod eines Moleküls auch das abrupte Ende des Raman-Effektes.
Anhand des verstärkten Raman-Spektrums lassen sich also tatsächlich einzelne Moleküle unterscheiden und lokalisieren. Und zwar in Echtzeit. Nur eine der vielen Anwendungsmöglichkeiten sieht Zenobi für die Mikrobiologie: Bald können mit dieser Methode Bakterien, erfahrene Baumeister von Nanostrukturen, beim Bau ihrer Kolonien beobachtet werden – und das nun Molekül für Molekül. Ihre Technologie, sich in einer hauchzarten molekularen Schleimschicht als Biofilm an Oberflächen zu klammern, stößt auf reges Forscherinteresse. Man zwar die chemischen Verbindungen, die dabei zum Einsatz kommen – doch nun lässt sich vielleicht "live" verfolgen, welches Molekül sie wann wohin bugsieren.
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