Fortpflanzung: Doppelt gebrütet hält besser
Der Herbst ist da, und zielgerichtet verlassen uns viele Vögel, um schnurstracks in den Süden zu ziehen. Alle? Nein, ein paar finden immer noch Zeit für ein Schäferstündchen und neuen Nachwuchs.
Die niedrigen Dornwälder an den Küsten der mexikanischen Bundesstaaten Baja California und Sinaloa gehören nicht unbedingt zu den angenehmsten Forschungsgebieten für Freilandbiologen: Die meiste Zeit des Jahres herrscht sengende Hitze und Dürre, von Juni bis August dagegen der Monsun, der neben tropischer Schwüle auch Myriaden stechender, beißender und saugender Insekten bringt. Dazu kommt die stachelige Vegetation, die Unzugänglichkeit des Gebiets und Temperaturen, die meist an 40 Grad Celsius heranreichen.
Kein Wunder also, dass sich Forscher diesem Lebensraum nur selten nähern – und dafür auch manche wissenschaftliche Überraschung erst spät entdecken, so wie nun Sievert Rohwer von der University of Washington in Seattle und sein Team. Eigentlich wollten die Biologen die Bedeutung dieses Ökosystems als Rastplatz für Zugvögel untersuchen. Stattdessen erlebten sie etwas völlig Unerwartetes, so Rohwer: "Wir sahen unsere Zugvögel dort brüten, das hatten wir überhaupt nicht gerechnet."
Als die Ornithologen jedoch in den Dornwäldern im westlichen Mexiko auftauchten, beobachteten sie brütende Individuen der fünf Arten, besetzte Nester und singende Männchen, die ihr Revier verteidigten oder Weibchen versorgten. Viele der Weibchen wiesen zudem trockene und kahle Brutflecken in ihrem Bauchbereich auf, was auf ein früheres Gelege in der Brutsaison hindeutet: Sie verlieren ihre Federn, und das Gewebe schwemmt auf, damit sich die Körperwärme besser auf die bebrüteten Eier überträgt. Sobald die Küken größer werden, schrumpelt der Bauchansatz wieder zusammen, bleibt jedoch bis zur Mauser unbefiedert. Und die untersuchten Männchen besaßen vergrößerte Hoden. Anzeichen für eine Mauser entdeckte Rohwers Team an diesen Vögeln jedoch ebenso wenig wie frisch flügge Jungvögel – die nistenden Tiere waren also keine ortstreuen Standvögel, die einfach ein Nachgelege versorgten.
Konnte es tatsächlich sein, dass die Tiere auf ihrem Weg eine Pause einlegen, um noch eine zweite Brut in den Terminkalender zu quetschen? "Es wäre ziemlich einmalig, dass nachts ziehende Vögel stoppen, um ein weiteres Gelege zu produzieren – und eine ziemlich ungewöhnliche Beobachtung", meint Rohwer. Bei Wachteln (Coturnix coturnix) in der Alten Welt wurde dies allerdings schon beobachtet, bestätigt Peter Berthold vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell: "Wachteln besitzen eine sehr ausgedehnte Brutperiode. Sie ziehen regelmäßig Jungvögel in Südeuropa groß, bevor sie zu uns kommen und im Juni oder Juli noch ein zweites Mal nisten." In Nordamerika und vor allem auf dem Weg nach Süden nach der eigentlichen Brutzeit war dieses Verhalten bislang jedoch völlig unbekannt.
Isotopenanalysen ihres Gefieders belegten, dass die Trupiale, Kuckucke und Waldsänger tatsächlich zuvor längere Zeit im Osten und Nordwesten der USA verweilt hatten: Je nach Region nehmen die Tiere über die Nahrung und das Wasser unterschiedliche Mengen von Wasser-, Kohlen- und Stickstoffisotopen auf, die sie in ihrem Gewebe einlagern. Über den Abgleich mit geologischen Isotopenkarten kann man dann gut zurückverfolgen, von woher ein Individuum stammt, und wie lange es sich dort ungefähr aufgehalten hat. Die Vögel waren demnach frisch nach Mexiko gezogen und hatten sich zur Brut entschlossen.
Die Strategie ist durchaus sinnvoll, meint Rohwer: "Während des Monsuns werden die Dornwälder sehr produktiv: Die kleinen Bäume treiben aus, und Insekten treten in Massen auf." Die Vögel fänden also genügend Nahrung für ihre Jungen und eine erfolgreiche zweite Brut, bevor sie sich endgültig ins Winterquartier in Costa Rica oder Panama verabschieden. Eine Schlussfolgerung, der Peter Berthold allerdings nicht unbedingt zustimmen möchte: "Es muss erst noch durch Beringungsversuche bestätigt werden, ob diese Vögel tatsächlich Doppelbrüter sind. Vielleicht handelt es sich schlicht um eine so genannte Zugprolongation, bei der Tiere weit über ihr Ziel hinaus nach Norden geflogen sind und dort herumstreiften. Erst dann haben sie sich zurück ins eigentliche Brutgebiet begeben, um sich fortzupflanzen."
Weiteren Forschungsbedarf sieht auch Rohwer: "Interessant wäre vor allem zu wissen, wie die Jungvögel aus den Bruten jeweils ihr Winterquartier finden, denn die Zugrichtung wird vererbt. Während der Nachwuchs von der US-Ostküste nach Südwesten steuert, müssen die Jungtiere aus dem Westen Mexikos nach Südosten fliegen." Eile tut allerdings not, wenn die Wissenschaftler Antworten finden wollen: Die Dornwälder fallen mehr und mehr den Planierraupen zum Opfer, die Platz schaffen für bewässerte Felder. Vielleicht hat Rohwers Team das Doppelbrutsystem gerade noch rechtzeitig entdeckt, bevor es auch schon wieder verschwindet.
Kein Wunder also, dass sich Forscher diesem Lebensraum nur selten nähern – und dafür auch manche wissenschaftliche Überraschung erst spät entdecken, so wie nun Sievert Rohwer von der University of Washington in Seattle und sein Team. Eigentlich wollten die Biologen die Bedeutung dieses Ökosystems als Rastplatz für Zugvögel untersuchen. Stattdessen erlebten sie etwas völlig Unerwartetes, so Rohwer: "Wir sahen unsere Zugvögel dort brüten, das hatten wir überhaupt nicht gerechnet."
Gelbschnabelkuckucke(Coccyzus americanus), Garten- (Icterus spurius) und Maskentrupiale(Icterus cucullatus), Gelbbrustwaldsänger(Icteria virens) und Cassin-Vireos(Vireo cassinii) pflanzen sich eigentlich in Nordamerika fort und verbringen den Winter in den tropischen Wäldern Zentralamerikas. Dazwischen legen sie aber noch einen Zwischenstopp in Mexiko ein, wo sie einen Teil ihres Gefieders wechseln, bevor sie weiterreisen – so dachte man bislang.
Als die Ornithologen jedoch in den Dornwäldern im westlichen Mexiko auftauchten, beobachteten sie brütende Individuen der fünf Arten, besetzte Nester und singende Männchen, die ihr Revier verteidigten oder Weibchen versorgten. Viele der Weibchen wiesen zudem trockene und kahle Brutflecken in ihrem Bauchbereich auf, was auf ein früheres Gelege in der Brutsaison hindeutet: Sie verlieren ihre Federn, und das Gewebe schwemmt auf, damit sich die Körperwärme besser auf die bebrüteten Eier überträgt. Sobald die Küken größer werden, schrumpelt der Bauchansatz wieder zusammen, bleibt jedoch bis zur Mauser unbefiedert. Und die untersuchten Männchen besaßen vergrößerte Hoden. Anzeichen für eine Mauser entdeckte Rohwers Team an diesen Vögeln jedoch ebenso wenig wie frisch flügge Jungvögel – die nistenden Tiere waren also keine ortstreuen Standvögel, die einfach ein Nachgelege versorgten.
Konnte es tatsächlich sein, dass die Tiere auf ihrem Weg eine Pause einlegen, um noch eine zweite Brut in den Terminkalender zu quetschen? "Es wäre ziemlich einmalig, dass nachts ziehende Vögel stoppen, um ein weiteres Gelege zu produzieren – und eine ziemlich ungewöhnliche Beobachtung", meint Rohwer. Bei Wachteln (Coturnix coturnix) in der Alten Welt wurde dies allerdings schon beobachtet, bestätigt Peter Berthold vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell: "Wachteln besitzen eine sehr ausgedehnte Brutperiode. Sie ziehen regelmäßig Jungvögel in Südeuropa groß, bevor sie zu uns kommen und im Juni oder Juli noch ein zweites Mal nisten." In Nordamerika und vor allem auf dem Weg nach Süden nach der eigentlichen Brutzeit war dieses Verhalten bislang jedoch völlig unbekannt.
Isotopenanalysen ihres Gefieders belegten, dass die Trupiale, Kuckucke und Waldsänger tatsächlich zuvor längere Zeit im Osten und Nordwesten der USA verweilt hatten: Je nach Region nehmen die Tiere über die Nahrung und das Wasser unterschiedliche Mengen von Wasser-, Kohlen- und Stickstoffisotopen auf, die sie in ihrem Gewebe einlagern. Über den Abgleich mit geologischen Isotopenkarten kann man dann gut zurückverfolgen, von woher ein Individuum stammt, und wie lange es sich dort ungefähr aufgehalten hat. Die Vögel waren demnach frisch nach Mexiko gezogen und hatten sich zur Brut entschlossen.
Die Strategie ist durchaus sinnvoll, meint Rohwer: "Während des Monsuns werden die Dornwälder sehr produktiv: Die kleinen Bäume treiben aus, und Insekten treten in Massen auf." Die Vögel fänden also genügend Nahrung für ihre Jungen und eine erfolgreiche zweite Brut, bevor sie sich endgültig ins Winterquartier in Costa Rica oder Panama verabschieden. Eine Schlussfolgerung, der Peter Berthold allerdings nicht unbedingt zustimmen möchte: "Es muss erst noch durch Beringungsversuche bestätigt werden, ob diese Vögel tatsächlich Doppelbrüter sind. Vielleicht handelt es sich schlicht um eine so genannte Zugprolongation, bei der Tiere weit über ihr Ziel hinaus nach Norden geflogen sind und dort herumstreiften. Erst dann haben sie sich zurück ins eigentliche Brutgebiet begeben, um sich fortzupflanzen."
Weiteren Forschungsbedarf sieht auch Rohwer: "Interessant wäre vor allem zu wissen, wie die Jungvögel aus den Bruten jeweils ihr Winterquartier finden, denn die Zugrichtung wird vererbt. Während der Nachwuchs von der US-Ostküste nach Südwesten steuert, müssen die Jungtiere aus dem Westen Mexikos nach Südosten fliegen." Eile tut allerdings not, wenn die Wissenschaftler Antworten finden wollen: Die Dornwälder fallen mehr und mehr den Planierraupen zum Opfer, die Platz schaffen für bewässerte Felder. Vielleicht hat Rohwers Team das Doppelbrutsystem gerade noch rechtzeitig entdeckt, bevor es auch schon wieder verschwindet.
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