News: Doppelte Lücke
Der Rummel um die Entdeckung liegt nicht in erster Linie in dem Rekord begründet, sondern vielmehr in der Tatsache, dass er von einem normalen, metallischen Supraleiter aufgestellt wurde, denen man das gar nicht zugetraut hätte. Doch warum erreicht Magnesiumdiborid so hohe Übergangstemperaturen?
Seit der Entdeckung im Februar 2001 haben Wissenschaftler hierzu schon so manche Idee geäußert, nun liefern Hyoung Joon Choi und seine Kollegen von der University of California in Berkeley eine neue. Dabei gehen sie von dem aus, was man bereits über normale Supraleiter weiß: Demnach entsteht supraleitendes Verhalten dann, wenn sich Elektronen zu so genannten Cooper-Paaren zusammenschließen, die sich wie ein eigenständiges Teilchen verhalten und das Material ohne Widerstand passieren können.
Normalerweise stoßen sich Elektronen aufgrund ihrer gleichen Ladung voneinander ab und mögen so gar nicht zueinander finden. Bei tiefen Temperaturen überwinden sie jedoch ihre Abneigung und binden über Gitterschwingungen so genannte Phononen aneinander. Um diese Bindung wieder aufzubrechen, ist eine gewisse Energie nötig, die in Form von Wärme dem Material zugefügt werden muss. Man spricht von einer so genannten Energielücke, die es zu überwinden gilt, um die Bindung zu sprengen. Diese Energielücke bestimmt auch die thermodynamischen Eigenschaften eines Supraleiters – insbesondere seine Übergangstemperatur.
Während Supraleiter im Allgemeinen nur eine solche Energielücke besitzen, scheint nun Magnesiumdiborid gleich zwei zu besitzen. Zumindest deuten darauf so genannte ab-initio-Modellierungen hin, die Choi und sein Team durchführten, also Rechnungen, die allein auf Theorie basieren und nicht auf experimentellen Ergebnissen. Die eine Lücke lässt sich dann einer Temperatur von 15, die andere einer von 45 Kelvin zuordnen. Zusammen ergibt sich so die Übergangstemperatur von 39 Kelvin.
Das Modell von Choi und seinen Kollegen könnte außerdem ein zweites Mysterium klären: die ungewöhnlichen Veränderungen in der spezifischen Wärmekapazität des Stoffe, also jener Größe, die aussagt, wie viel Energie nötig ist, um das Material zu erwärmen.
Magnesiumdiborid ist in einer lagenartigen Struktur aufgebaut, bei der sich Boratome zu Sechsecken arrangieren und die Magnesiumatome oberhalb und unterhalb der Zentren der Sechsecke sitzen. Die Forscher in Berkeley gehen davon aus, dass auch eine Verbindung aus Bor-, Kohlenstoff- und Stickstoffatome eine ähnliche Struktur bilden könnten, die dann vergleichbare Eigenschaften, ja vielleicht sogar eine noch höhere Übergangstemperatur besäße. Nun sind Experimentatoren gefragt, die Verbindung zu synthesieren und eventuell den nächsten Rekord aufzustellen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.