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Der blinde Höhlenfisch: Mal dünn, mal dick, aber immer hungrig

Immer Hunger, trotz niedrigem Energieverbrauch. Der unstillbare Appetit und der langsame Stoffwechsel des blinden Höhlenfischs scheinen einen genetischen Nenner zu haben.

Der Höhlensalmler, ein Süßwasserfisch aus den mexikanischen Pachón-Höhlen, ist dick. Dafür kann er nichts, meinen Wissenschaftler der Harvard Medical School, denn er kennt schlichtweg kein Sättigungsgefühl. Ursache ist laut den Forschern eine Veränderung des Gens MC4R, welche neben dem zügellosen Appetit auch einen geringeren Energiebedarf des Fischs bewirkt. Dieselbe genetische Variation findet sich auch bei Menschen, die an Übergewicht und Essanfällen leiden.

Im Lauf der Jahrhunderte passte sich Astyanax mexicanus den widrigen Umständen seiner dunklen Nische an. Die Augen bildeten sich zurück, genauso wie seine Pigmente. Zudem entwickelte er sich zu einer wahren Fressmaschine, um dem schwankenden Nahrungsangebot zu trotzen. Wann immer sich dem Höhlensalmler die Möglichkeit bietet, frisst er sich wortwörtlich kugelrund. Das zusätzliche Fettpolster lässt ihn Hungerperioden, die länger als drei Monate andauern können, völlig unbeschadet überstehen. Er verstoffwechselt einfach fast die Hälfte seines Körpergewichts, um an Energie zu gelangen.

Neben dem unstillbaren Appetit fanden die Wissenschaftler um Nicolas Rohner einen weiteren Faktor, der das Überleben des Höhlenfischs während einer Hungerphase sichert. Im Vergleich zu seinen Artgenossen ist die Stoffwechselrate stark verlangsamt. Er benötigt also viel weniger Energie und kann überschüssige direkt in Form von Fett bunkern. Der streichholzgroße Salmler ist nicht nur Meister im Aushalten von Hunger, sondern auch im Dickwerden.

Die Pachón-Höhlen sind Heimat der blinden Höhlenfische | Blinde Höhlenfische passen sich der unsicheren Ernährungssituation im Dunkeln der Pachón-Höhlen an. Sie verlangsamten ihren Stoffwechsel und hoben ihr Sättigungsgefühl aus.

Die Forscher analysierten die DNA von A. mexicanus, um den genetischen Ursprung der Fressattacken und des verlangsamten Stoffwechsels zu identifizieren, und entdeckten bei fast allen Fischen ein verändertes MC4R-Gen. Dieses ist nicht unbekannt, auch bei Labormäusen führten Mutationen von MC4R zu Heißhungerattacken und Korpulenz. Es lässt sich jedoch nicht nur im Tierreich, sondern auch bei Menschen finden. Leidet man an einer erblichen Neigung zum Übergewicht, so ist die Ursache häufig eine Variation des MC4R. Auch beim Abnehmen spielt das spezielle Gen eine wichtige Rolle, erklärt Ariel Aspiras, der Koautor der Studie. Es stellt einen der Regulatoren im Gehirn dar, die versuchen, Gewichtsveränderungen entgegenzuwirken und das Körpergewicht zu stabilisieren.

Der Höhlenfisch könne ein Hilfsmodell darstellen, hoffen die Wissenschaftler, um den Zusammenhang zwischen Energieumsatz, Übergewicht und Krankheiten genauer zu verstehen. Denn einige Mechanismen, die bei dem Fisch zu beobachten sind, könnten Schlussfolgerungen auf den Stoffwechsel des Menschen zulassen und so dem Erhalt der Gesundheit dienen.

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