Schwerkraft: Einsteins Theorie sticht Rivalen erneut aus
Seit ein paar Jahrzehnten ist klar, dass Spiralgalaxien nicht rotieren, wie sie sollen. Zwei Möglichkeiten gibt es, die Anomalie doch noch mit den Regeln Physik in Einklang zu bringen: Entweder man postuliert die Existenz Dunkler Materie, die als Wolke die Galaxie umhüllt und durch ihre Schwerkraft die äußeren Sterne beschleunigt, oder man ändert die Regeln der Schwerkraft selbst. Damit die alternativen Schwerkrafttheorien die Beobachtungen erklären, muss eine natürliche Skala der Beschleunigung eingeführt werden – so wie in der Relativitätstheorie etwa die Lichtgeschwindigkeit eine natürliche Skala der Geschwindigkeit ist. Ein internationales Team unter der Leitung von Davi C. Rodrigues von der Universität von Espírito Santo hat im Magazin »Nature Astronomy« nun die Rotation von 193 Scheibengalaxien untersucht und kommt zum Ergebnis, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine universelle Beschleunigungsskala gibt. Damit kommen auch viele alternative Gravitationstheorien an ihre Grenzen, während Einsteins Theorie, ergänzt durch Dunkle Materie, weiterhin die Konkurrenz aussticht.
Rodrigues und seine Kollegen haben dafür Daten aus zwei Rotationskurven-Katalogen verwendet, Spitzer Photometry and Accurate Rotation Curves (SPARC) und The HI Nearby Galaxy Survey (THINGS). Für ihre Analyse haben die Autoren große Unsicherheiten in gemessenen Größen wie etwa der Entfernung der einzelnen Galaxien und deren Masse-Leuchtkraft-Beziehung zugelassen, um sicherzustellen, dass Messungenauigkeiten ihr Ergebnis nicht beeinflussten. Sie rechneten für jede Galaxie die entsprechende Beschleunigungsskala aus und trotz großzügiger Fehlertoleranzen ist das Ergebnis eindeutig: Die knapp 200 untersuchten Galaxien sind nicht auf den gleichen Nenner zu bringen. Es gibt also sehr wahrscheinlich keine natürlich Beschleunigungsskala. Dies ist kein Problem für die allgemeine Relativitätstheorie, jedoch bringt diese Erkenntnis viele alternative Modelle in Erklärungsnot. Speziell nennen die Autoren die konkurrierende Klasse an Gravitationstheorien namens modifizierte newtonsche Mechanik, welche es nicht schafft, die gemessene Rotation der Galaxien zu erklären.
Die gemessenen Beschleunigungswerte sind laut den Forschern also kein Hinweis auf einen grundlegenden physikalischen Effekt, der eine neue Theorie der Schwerkraft nötig macht. Vielmehr gehen sie auf andere Prozesse zurück; diese Vermutung teilen auch Wissenschaftler aus Kalifornien in einem kürzlich erschienen Artikel. Dort wird spekuliert, dass die beobachtete radiale Beschleunigungsrelation eine direkte Konsequenz der seit gut 40 Jahren bekannten Tully-Fisher-Beziehung ist. Die Tully-Fisher-Beziehung ist ein Zusammenhang von Leuchtkraft von Galaxien und deren Rotationsgeschwindigkeit und lässt sich ebenso durch die Existenz von Dunkler Materie begründen.
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