Geophysik: Erdwärme taut Grönlands Eis von unten an
Das grönländische Eis schmilzt seit Jahren drastisch. Doch nicht nur die globale Erwärmung ist für das große Tauen verantwortlich – auch von unten wird der (noch) mächtige Eisschild ausgedünnt: Ein ungewöhnlich hoher Wärmefluss aus dem Erdinneren ist dafür verantwortlich, wie jetzt Forscher um Alexey Petrunin und Irina Rogozhina vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam herausgefunden haben.
Die Lithosphäre, die feste Gesteinshülle, ist unter der größten Insel der Welt ungewöhnlich dünn: Obwohl sie mit geschätzten 1,7 bis 2,8 Milliarden Jahren einen sehr alten Teil der kontinentalen Kruste darstellt, hat sie im Zentrum der Insel eine Dicke von lediglich 70 bis 80 Kilometern. Dies führt zu einem deutlich stärkeren Wärmefluss vom Erdmantel an die Oberfläche.
Alexey Petrunin und Irina Rogozhina kombinierten erstmals ein Eis-Klimamodell mit einem Modell des geothermischen Wärmeflusses in der Lithosphäre unter Grönland. "Die Dynamik des grönländischen Eisschildes ist das Ergebnis der Wechselwirkung des Wärmeflusses aus dem Erdinneren mit den glazialen Zyklen", erklärt Irina Rogozhina: Die Wärme aus der Tiefe verändert einerseits die Verteilung von Temperatur und Schmelzwasser an der Unterseite des Eisschildes. Andererseits führte die vor etwa drei Millionen Jahren einsetzende Vergletscherung Grönlands zu thermischen Störungen in der oberen Erdkruste. Dieses komplexe Zusammenspiel müsse bei künftigen Modellierungen berücksichtigt werden.
Mit ihrem Ansatz können die Klimaforscher auch erklären, warum bei geografisch nahe beieinander gezogenen Eisbohrkernen deutlich unterschiedliche Temperaturen an der Basis des Eisschildes gemessen wurden. "Wir fanden Stellen, an denen das Eis an der Basis rapide schmilzt, unmittelbar neben solchen, wo das Eis extrem kalt war", so Rogozhina. Die Erklärung dafür liegt tief unter der Erde: Wie seismische und magnetische Daten zeigen, nimmt der geothermische Wärmefluss im Zentrum Grönlands von Westen nach Osten zu, da die Lithosphäre hier deutlich dünner wird.
Die außergewöhnlich dünne Lithosphäre könnte das Werk eines Hotspots gewesen sein – einer stationären Region unter der Erdkruste, wo heißes Gesteinsmaterial aus dem Mantel aufsteigt. Wie ein Bunsenbrenner schmolz er womöglich einst die Erdkruste von unten auf und dünnte sie so aus. Tatsächlich lag Grönland im frühen Känozoikum vor über 60 Millionen Jahren über dem heutigen Island-Hotspot.
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