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»Faktencheck Artenviefalt«: Deutschland verliert weiter an Biodiversität

Ob an Land oder im Meer: Fast überall ist die Artenvielfalt im Rückgang, zeigt eine große Bestandsaufnahme. Dabei würde von einer Erholung mehr als nur die Natur profitieren.
Maisfeld mit Entwässerungsgraben
Für jeden Lebensraumtyp gibt es passende Maßnahmen zur Förderung von Biodiversität – auch für die typische Agrarlandschaft aus Mais-Monokultur und Entwässerungsgräben.

Die biologische Vielfalt in Deutschland nimmt einem Bericht zufolge weiter ab. Das geht aus der Analyse »Faktencheck Artenvielfalt« hervor, an der mehr als 150 Autorinnen und Autoren beteiligt waren. Sie werteten umfangreiche Datensätze über die Bestände von Tieren und Pflanzen zu Land und im Wasser aus.

Zu den zentralen Ergebnissen des Berichts, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, gehört die Erkenntnis, dass sich 60 Prozent der 93 Lebensraumtypen in Deutschland in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand befinden – mit allgemeiner Tendenz zur weiteren Verschlechterung.

Besonders besorgniserregend sei demnach die Situation der Lebensraumtypen im Grünland, auf ehemals artenreichen Äckern, in Mooren, Moorwäldern, Sümpfen und Quellen. Mehr als die Hälfte der Meeres- und Küstenlebensraumtypen der Nord- und Ostsee sind langfristig gefährdet. Eine positive Entwicklung sehen die Fachleute nur in wenigen Fällen, etwa bei Laubwäldern, die allerdings künftig durch den Klimawandel stärker bedroht werden dürften als bislang noch.

Die schlechten Nachrichten auf Ebene der Habitate setzen sich auf Ebene der einzelnen Organismen fort. Laut Bericht sind die Bestände vieler Arten rückläufig. Von den etwa 72 000 in Deutschland einheimischen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten seien bislang rund 40 Prozent auf die Gefährdung ihrer Populationen hin untersucht worden, fast ein Drittel davon erwies sich als bestandsgefährdet. Zirka drei Prozent müsse man bereits als ausgestorben betrachten.

»Die Populationen von Vögeln im Agrar- und Offenland sind in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen«, heißt es im Bericht. Stark gesunken sei auch die Vielfalt der Insekten. Zwar entwickelten sich einige Arten positiv, zum Beispiel bei den Libellen; weit mehr zeigten aber negative Entwicklungen, darunter viele Schmetterlingsarten. Auch bei Pflanzen gebe es Verluste. Für diverse Lebensräume und Artengruppen fehlten allerdings verlässliche Daten. Insbesondere über die biologische Vielfalt der Böden und ihrer Bewohner sei nur wenig bekannt.

Über diese Erkenntnisse hinaus beschäftigt sich der Bericht auch mit zahlreichen Folgeaspekten einer geschädigten Natur sowie der Frage, wie sie sich genauer erforschen oder in ihrem Gesundheitszustand verbessern lässt. So gelangt das Autorenkollektiv zu einer Sammlung von 38 Kernaussagen.

Ein Schutz der Ökosysteme komme demnach auf unterschiedlichste Weise auch dem Menschen zugute: Ökosysteme reagieren umso robuster gegenüber Störungen und erbringen gleichzeitig mehr Dienstleistungen, je vielfältiger sie sind. So würden Mensch und Natur wechselseitig von einem besseren Schutz profitieren. Biodiverse Ökosysteme »sind weniger von einer externen Zufuhr von Energie und Chemie abhängig und daher nachhaltiger zu bewirtschaften«, heißt es weiter.

Als wesentliche Treiber des Biodiversitätsverlustes nennen die Autoren: »Flächenversiegelung, Flurbereinigung, Plantagenwirtschaft, Flussbegradigung, ungereinigte Abwässer, Küstenschutzmaßnahmen und die großflächige Entwässerung der Landschaft, vor allem von Auen und Mooren«. Diese Faktoren wirken bereits seit Langem auf die einheimische Flora und Fauna ein – deutlich länger, als deren Zustand systematisch und flächendeckend erfasst werde. Das mache es schwer, den Rückgang genau zu beziffern.

Viele dieser schädlichen Auswirkungen sind wohlbekannt. Und in der Tat bescheinigen die Fachleute zahlreichen Natur- und Umweltschutzmaßnahmen, bereits Wirkung gezeigt zu haben: Infolge der Abwasserreinigung seit 1970 habe sich die Vielfalt der Wirbellosen in Fließgewässern großflächig erholt. »Ebenso wird die starke Zunahme der Populationen von Waldvögeln seit 2010 mit einer Verbesserung der Waldstruktur in Verbindung gebracht«, heißt es im Bericht. Die Naturschutzforschung und -praxis kenne für jeden Lebensraumtyp Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt.

Dass die Naturräume sich trotz allem nicht erholen, sondern im Gegenteil verschlechtern, führen die Verfasser des Faktenchecks auf die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung zurück, die oft auch auf benachbarte Ökosysteme ausstrahle. Zu Buche schlage zudem, dass sich Lebensräume weiterhin verschlechtern oder gar verschwinden, weil sie verschmutzt oder durch Nährstoffeinträge geschädigt würden. Hinzu kommen die Schadwirkung invasiver Arten – und natürlich die Auswirkungen des Klimawandels.

Um eine Trendumkehr zu schaffen, müssten Menschen die Bedeutung biologischer Vielfalt besser verstehen und entsprechende Handlungsalternativen vermittelt bekommen. Wichtigste praktische Stellschrauben sehen die Fachleute bei der Nutzung von Land, Gewässern und dem Meer. Hier müsse auf Extensivierung gesetzt werden, weil sich so gleichzeitig die strukturelle Vielfalt im Lebensraum erhöhen und der Nährstoffeintrag durch Düngemittel verringern lasse.

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