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Luftverschmutzung: Feinstaub sorgt für vorzeitige Todesfälle

Luftverschmutzung macht krank und kann töten. Über den Zusammenhang herrscht breiter medizinischer Konsens. Eine Untersuchung liefert nun den bisher umfassendsten Beleg dafür.
Die Bay Bridge in San Francisco umgeben von Smog durch nahe gelegene Waldbrände. Saubere Luft ist in der Ferne am Hafen von Oakland zu sehen.

Als 2018 Feuer in Kalifornien wüteten, füllten Ruß und andere Verschmutzungen den Himmel. Die Feinstaubkonzentrationen stiegen auf weit mehr als zwölf Mikrogramm pro Kubikmeter – also in einen laut der Environmental Protection Agency »ungesunden« Bereich. An einigen Orten stiegen sie sogar auf Hunderte von Mikrogramm pro Kubikmeter.

In der Mischung fanden sich Partikel mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometern oder kleiner, bekannt als PM2,5. Die treten auch aus Auspuffrohren und Schornsteinen, wenn Autos Gas und Kraftwerke Kohle verbrennen. Auf Grund ihrer winzigen Größe gelangen sie tief in die Lunge und verursachen kurzfristige Atemprobleme. Tausende früherer Studien zeigen, dass solche Partikel langfristig Asthma verschlimmern und zu Herz-Kreislauf-Problemen, niedrigem Geburtsgewicht und anderen Problemen beitragen können.

Es besteht ein breiter medizinischer Konsens über diesen Zusammenhang. Dennoch behaupten einige Mitglieder eines EPA-Ausschusses, der von einem Regierungsbeauftragten mit Beratern der Öl- und Gasindustrie überholt wurde: Die Studien zeigten keine direkte Kausalität. Die Biostatistikerin der Harvard University Francesca Dominici und ihre Kollegen gehen in einer im Juli in »Science Advances« veröffentlichten Studie auf solche Behauptungen ein. Ihnen zufolge liefert ihre Untersuchung den bisher deutlichsten Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und vorzeitigen Todesfällen.

Der Datensatz umfasst 68,5 Millionen Menschen

Traditionelle Studien zur Luftverschmutzung verwendeten in der Regel nur die Regressionsanalyse. Das ist eine statistische Methode, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass ein bestimmter Faktor – etwa die Luftverschmutzung – ein Ergebnis beeinflusst; in diesem Fall die Mortalität. Es ist jedoch nicht immer klar, ob solche Modelle andere mögliche Einflussfaktoren angemessen berücksichtigen.

In der aktuellen Studie verwendete Dominicis Team fünf separate statistische Ansätze einschließlich Regressionsanalyse. Ihr Datensatz umfasst 570 Millionen Beobachtungen, die über 16 Jahre von 68,5 Millionen Medicare-Empfängern gesammelt wurden. Diese Technik trug dazu bei, die Auswirkungen der Partikelverschmutzung von anderen Einflüssen zu isolieren. Sie imitierte effektiv ein randomisiertes Experiment – den Goldstandard-Test zum Herausstreichen von Ursache und Wirkung –, dessen Durchführung bei dieser Art von Untersuchung unethisch wäre. »Dieser Bereich der Statistik wurde noch nie auf Luftverschmutzung und Sterblichkeit angewendet«, sagt Dominici.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Verschärfung der zulässigen PM2,5-Konzentration, nämlich von zwölf auf zehn Mikrogramm pro Kubikmeter, das Sterblichkeitsrisiko bei älteren Menschen um bis zu sieben Prozent senken könnte. Die Statistik anders ausgedrückt: In einem Jahrzehnt würde das mehr als 143 000 Todesfälle verhindern.

»Was die Größe, die statistische Aussagekraft und die analytische Raffinesse betrifft, ist dies das Beste, was es gibt«
C. Arden Pope III, forscht zu Luftverschmutzung

Andere Forscher sind von der Studie beeindruckt. Darunter C. Arden Pope III, der an der Brigham Young University zu Luftverschmutzung forscht, und John Bachmann, ein ehemaliger stellvertretender Direktor im Office of Air Quality der EPA. »Was die Größe, die statistische Aussagekraft und die analytische Raffinesse betrifft, ist dies das Beste, was es gibt«, sagt Pope.

Die Ergebnisse stammen aus der Zeit, als die Trump-Administration die Vorschriften zur Luftverschmutzung zurückgenommen hat. Im April schlug die EPA vor, die PM2,5-Vorschriften unverändert beizubehalten, nachdem die Behörde eine sorgfältige Überprüfung und Beratung mit ihren wissenschaftlichen Beratern durchgeführt hatte. Bevor die Überprüfung jedoch abgeschlossen war, entließ der Administrator der EPA Andrew Wheeler ein Beratergremium, das in der Regel wissenschaftliche Expertise zu solchen Fragen bereitstellt. Die ganze Sammlung von Luftverschmutzungsstudien sei mächtig, sagt Bachmann, und »diese [neue Studie] als Krönung ist eine ziemlich starke Antwort« auf den Vorschlag der EPA.

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