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Archäogenetik: Forscher gewinnen RNA des ausgestorbenen Tasmanischen Tigers

Erstmals ist es Forschern gelungen, von einem ausgestorbenen Tier RNA zu sichern. Sie extrahierten Sequenzen aus einem präparierten Exemplar des australischen Beutelwolfs.
Beutelwolf im Zoo von Hobart in Tasmanien im Jahr 1933.
Der Beutelwolf oder Tasmanische Tiger (Thylacinus cynocephalus) gilt seit den 1930er Jahren als ausgestorben. Das Foto zeigt ein Tier im Zoo von Hobart in Tasmanien im Jahr 1933.

Zum ersten Mal haben Forscher die RNA einer ausgestorbenen Tierart sequenziert. Dazu entnahmen sie dem präparierten Exemplar eines Tasmanischen Tigers oder Beutelwolfs (Thylacinus cynocephalus) Muskel- und Hautproben und konnten so aus dem mehr als 130 Jahre alten Museumsstück Millionen von Ribonukleinsäure-Sequenzen isolieren. Das Material gibt Aufschluss über Gene und auch Proteine, die einst in den Zellen und im Gewebe des Beutelwolfs gebildet wurden, wie die Arbeitsgruppe um den Genetiker Love Dalén von der Universität Stockholm in der Fachzeitschrift »Genome Research« schreibt. Die Erkenntnisse ließen hoffen, dass weitere Museumspräparate von ausgestorbenen Arten noch RNA enthalten und so neue Ergebnisse über diese verlorenen Lebewesen liefern könnten.

Dass es den Fachleuten gelang, die Ribonukleinsäure zu untersuchen, »öffnet eine ganz neue potenzielle Informationsquelle«, sagt der Genetiker Oliver Smith vom medizinischen Labor Micropathology im britischen Coventry. »Im Unterschied zu der Frage, was ein Genom ist, können wir uns so anschauen, was das Genom tut.«

Der Fleisch fressende Beutelwolf, der einst in ganz Australien, aber zuletzt nur auf der Insel Tasmanien im Südosten des Kontinents existierte, starb 1936 aus. In jenem Jahr verendete jedenfalls das letzte in Gefangenschaft lebende Tier im Zoo von Hobart in Tasmanien. Überreste befinden sich jedoch noch in Museen.

Die Forschergruppe untersuchte daher ein Beutelwolf-Exemplar, das seit 1891 im Stockholmer Naturkundemuseum aufbewahrt wird. Sie entnahm drei Proben aus den Muskeln und drei aus der Haut des ausgestopften Tigers. Jede Probe wog etwa 80 Milligramm, doch daraus RNA zu gewinnen, ist keine leichte Aufgabe. RNA ist nämlich deutlich instabiler als DNA. Im Fall der Desoxyribonukleinsäure gelang es Fachleuten bereits, alte DNA-Schnipsel aus den Stoßzähnen von Mammuts zu extrahieren, die vor mehr als einer Million Jahren gelebt hatten. RNA hingegen zerfällt recht schnell in kleinere Fragmente. »Außerhalb von lebenden Zellen, so vermutet man, wird sie innerhalb von Minuten abgebaut oder zerstört«, sagt Marc Friedländer, Genetiker an der Universität Stockholm und Koautor der aktuellen Studie.

Eine Überraschung für die Fachleute

Um die alte RNA aus den Gewebeproben zu gewinnen, entwickelte das Team ein spezielles Verfahren. Dafür passte es die Methodik an, die üblicherweise bei frischen Proben angewendet wird. Dennoch »war es eine Überraschung, dass wir tatsächlich RNA-Sequenzen in diesem mumifizierten Tasmanischen Tiger gefunden haben«, sagt Friedländer.

Diese Studie »bringt Leben in einen Bereich, der unterrepräsentiert und unterbewertet ist«Oliver Smith, Genetiker, Micropathology in Coventry

Die Forschergruppe dokumentierte 81,9 Millionen RNA-Fragmente im Muskelgewebe und 223,6 Millionen im Hautgewebe des Beutelwolfs. Nachdem sie Duplikate und sehr kurze Sequenzen entfernt hatten, zählten sie immer noch 1,5 Millionen RNA-Sequenzen aus den Muskeln und bargen 2,8 Millionen aus der Haut.

Die RNA verrät, wie die Genexpression je nach Art des Gewebes abläuft, sagt Mitautor und Bioinformatiker Emilio Mármol-Sánchez von der Universität Stockholm. Die RNA-Sequenzen aus den Muskelproben konnte das Forschungsteam 236 Genen zuordnen – denn die RNA-Moleküle tragen genetische Informationen aus der DNA. Die Gene codierten unter anderem die Proteine Aktin und Titin, die für die Streckung und Kontraktion der Muskeln zuständig sind. Aus den Sequenzen der Haut rekonstruierten die Forschenden 270 Gene, einschließlich demjenigen, das das Strukturprotein Keratin codiert.

Es fand sich auch RNA von Viren

Die Forschergruppe stieß auch auf einige wenige RNA-Moleküle von Viren, die im Tasmanischen Tiger schlummerten oder ihn infiziert hatten. Dass auch solche RNA extrahiert werden konnte, eröffne neue Möglichkeiten, sagt Archäogenetiker Hannes Schroeder von der Universität Kopenhagen, der an der Studie von Dalén nicht beteiligt war. Man könne so jahrzehnte- oder jahrhundertealte Viren analysieren.

Alte DNA zu entziffern, sei inzwischen eine etablierte Methodik, betont Smith, aber die Sequenzierung alter RNA stehe noch am Anfang. Diese Studie »bringt Leben in einen Bereich, der unterrepräsentiert und unterbewertet ist«. Smith hofft, dass in Zukunft mehr Studien durchgeführt werden, die standardmäßig die Sequenzierung von DNA und RNA kombinieren.

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