Fotosynthese: Wie sich Pflanzen vor zu viel Sonne schützen
Pflanzen brauchen Licht. Damit verhält es sich aber ähnlich wie bei uns Menschen. Allzu viel ist ungesund – sonst droht eine Art Sonnenbrand. Zum Glück haben grüne Gewächse nicht nur Pigmente, die Licht sammeln und in chemische Energie – sprich: Zucker – umwandeln, sondern auch solche, die überschüssige Energie aufnehmen und in Form von Wärme abgeben.
Wie das funktioniert, war bislang wenig erforscht. Ein Team um die Chemikerin Gabriela Schlau-Cohen vom Massachusetts Institute of Technology hat es zum ersten Mal geschafft, die Energieübertragung live zu beobachten. Dazu muss man sehr schnell sein, denn sie läuft binnen billiardstel (10-15) Sekunden ab. Zudem gilt es, ein relativ breites Lichtspektrum gleichzeitig im Blick zu behalten: Das Chlorophyll, das die Blätter grün färbt, schluckt den roten Teil des Lichts, während die Pigmente, die vor zu viel Licht schützen, den energiereicheren grünen und blauen Anteil absorbieren. Mittels einer speziellen Methode, der zweidimensionalen Ultrabreitband-Elektronenspektroskopie, sei es gelungen, diese Hürden zu überwinden, schreibt das Team nun in der Fachzeitschrift »Nature Communications«.
In den Innenwänden der Chloroplasten, die allen grünen Pflanzen gemein sind, befinden sich so genannte Antennenkomplexe. Sie enthalten verschiedene Pigmente und Proteine, die die Fotosynthese ermöglichen. Dabei wird aus Kohlendioxid und Licht Zucker und Sauerstoff. Die energiereiche Sonnenstrahlung kann jedoch freie Radikale erzeugen und Zellschäden hervorrufen. Damit dies nicht zum Problem wird, gibt es Karotinoide. Diese Pigmente sind ebenfalls in den Antennenkomplexen beheimatet und übernehmen überschüssige Energie vom Chlorophyll.
Die Rolle der Karotinoide, die auch für die orangerote Färbung des Herbstlaubs verantwortlich sind, war der Forschung bereits länger bekannt. Den eigentlichen Energietransfer zu beobachten, hatte die Wissenschaft aber vor Schwierigkeiten gestellt. Die Proteine sind normalerweise in eine Zellmembran eingebettet; ohne diesen Schutz sind sie sehr empfindlich und können nicht in einer Lösung umherschwimmend untersucht werden. Das Team um Schlau-Cohen verpackte die Lichtsammelkomplexe darum in eine Nanodisc. Dabei handelt es sich um eine scheibenförmige Doppelschicht aus Lipiden, jenen fettähnlichen Molekülen, aus denen Zellmembranen aufgebaut sind. In dieser Umgebung verhalten sich die Pigmente den Forschern zufolge sehr ähnlich wie in der Membran der Chloroplasten. In einer solchen Nanodisc lief der Energietransfer vom Chlorophyll zu den Karotinoiden schneller ab, als wenn das Team den Lichtsammelkomplex mit löslichen Lipiden mischte und so in eine Art Fettbläschen einschloss. Das zeige, dass die Umgebung einen großen Einfluss auf die Energieübertragung habe, schreiben die Forscher.
»Pflanzen können extrem schnell auf Veränderungen der Sonnenintensität reagieren«, sagt Schlau-Cohen in einer Pressemitteilung ihrer Universität. Was genau den Schutzmechanismus auslöst, ist jedoch noch unklar. In künftigen Studien will das Team untersuchen, welche Rolle die räumliche Anordnung der Pigmente in der Chloroplastenmembran spielt. Das könnte auch Pflanzenzüchter und Landwirte interessieren. So zeigte eine Studie von anderen Forschern aus dem Jahr 2016 bereits, dass Tabakpflanzen, die auf Grund genetischer Veränderungen mehr Lichtsammelkomplexe herstellen, 15 bis 20 Prozent mehr Ertrag brachten. »Wenn wir genau wissen, wie die Schutzreaktion abläuft, könnten wir das System optimieren und sogar bis zu 30 Prozent mehr Erträge erzielen«, sagt Schlau-Cohen.
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