Evolution des Menschen: Frühe Dickschädel
Das Aufrichten auf zwei Beine brachte unseren Vorfahren viele Vorteile - und ein Platzproblem: Der Nachwuchs musste nun bei der Geburt durch die nur in Grenzen dehnbare knöcherne Spange des Beckens passen. Ein zu dicker Kopf wurde dadurch gefährlich für Mutter und Kind, ein kleiner Kopf aber entsprach einem frühen Entwicklungsstand und damit entsprechender Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit des Babys. Wann und wie löste sich das Dilemma?
Groß sollen sie gewesen sein, um die 1,80 Meter, und ihr Körperbau sehr schlank. Das schlossen Forscher aus den Funden eines männlichen Vertreters von Homo erectus, die sie in Kenia aufgespürt hatten. Der "Turkana-Junge", der vor 1,53 Millionen Jahren gelebt hatte, war damit optimal an die Lebensbedingungen in der offenen halbtrockenen Savanne seiner Heimat angepasst: Lange Beine ermöglichten ihm das Laufen weiter Strecken und die große Oberfläche eine besser auszugleichende Körpertemperatur in der Hitze – die Gefahr des ebenso leichten Auskühlens bestand schließlich nicht, die in gemäßigteren und kühlen Gegenden zu breiteren Körpergestalten führte.
Und noch etwas zeichnete Homo erectus aus: ein deutlich vergrößertes Hirnschädelvolumen, das mit seinen im Schnitt knapp 900 Kubikzentimetern zwar noch nicht an den modernen Menschen herankommt, jedoch die Maße des älteren Vorfahren Homo habilis weit überschreitet. Nur: Wer als Erwachsener einen solchen Dickschädel aufweist, muss wohl schon mit einem großen Kopf geboren werden – oder aber in den ersten Lebensjahren schnell aufholen. Was stimmt?
Bislang neigten Anthropologen zur zweiten These, denn das schmale Becken, das der Turkana-Junge für seinesgleichen vermuten ließ, hätte keinen ausreichend weiten Geburtskanal für große Köpfe geboten. Der knöcherne Ring des weiblichen Beckens, ein Nebeneffekt des Aufrichtens auf zwei Beine, bestimmt letztendlich den maximalen Kopfumfang des Neugeborenen – ist er zu groß, bleibt das Kleine auf seinem Weg stecken, und Lebensgefahr herrscht für Mutter und Sprössling.
Ein kleiner Kopf, wie er also für Homo-erectus-Nachkommen angenommen wurde, ginge aber einher mit noch sehr gering entwickelten Neugeborenen, die auf intensive Fürsorge Erwachsener angewiesen wären. Grund genug, diesen Frühmenschen bereits eine ausgeprägte soziale Ader in Familienangelegenheiten zuzuerkennen.
Funde von Beckenknochen sind sehr selten, meist entdecken Anthropologen Überreste von Schädeln, Kiefern und Zähnen. Das letzte ähnlich vollständige Becken stammt von "Lucy", die vor 3,2 Millionen Jahre bereits aufrecht ging, aber noch keine Anpassungen für die Geburt von Kindern mit größeren Schädeln aufwies. Die nun beschriebenen Knochen bilden eine Mischform zwischen Merkmalen, die sich bei Lucy finden, und dem modernen Becken von Homo sapiens, das für beide Aufgaben – Gehen und Geburt großkopfigen Nachwuchses – optimiert wurde.
Wobei "optimiert" in diesem Fall durchaus Maßarbeit bedeutet: Bei keinem anderen Angehörigen der Menschenaffen- und Menschenverwandtschaft liegen die Dimensionen von Kopfumfang und Geburtskanal so eng beisammen. Ob allerdings auch Homo erectus entsprechende Komplikationen bei der Entbindung durchleben musste, wird bis zum Fund eines Neugeborenenschädels wohl offen bleiben.
Und noch etwas zeichnete Homo erectus aus: ein deutlich vergrößertes Hirnschädelvolumen, das mit seinen im Schnitt knapp 900 Kubikzentimetern zwar noch nicht an den modernen Menschen herankommt, jedoch die Maße des älteren Vorfahren Homo habilis weit überschreitet. Nur: Wer als Erwachsener einen solchen Dickschädel aufweist, muss wohl schon mit einem großen Kopf geboren werden – oder aber in den ersten Lebensjahren schnell aufholen. Was stimmt?
Bislang neigten Anthropologen zur zweiten These, denn das schmale Becken, das der Turkana-Junge für seinesgleichen vermuten ließ, hätte keinen ausreichend weiten Geburtskanal für große Köpfe geboten. Der knöcherne Ring des weiblichen Beckens, ein Nebeneffekt des Aufrichtens auf zwei Beine, bestimmt letztendlich den maximalen Kopfumfang des Neugeborenen – ist er zu groß, bleibt das Kleine auf seinem Weg stecken, und Lebensgefahr herrscht für Mutter und Sprössling.
Ein kleiner Kopf, wie er also für Homo-erectus-Nachkommen angenommen wurde, ginge aber einher mit noch sehr gering entwickelten Neugeborenen, die auf intensive Fürsorge Erwachsener angewiesen wären. Grund genug, diesen Frühmenschen bereits eine ausgeprägte soziale Ader in Familienangelegenheiten zuzuerkennen.
Doch beschreiben Forscher um Sileshi Semaw von der Indiana University in Bloomington nun etwa 1,2 Millionen Jahre alte weibliche Beckenknochen aus Äthiopien, die die bisherigen Vermutungen umwerfen. Die zugehörige Dame erreichte gerade einmal 1,20 bis 1,46 Meter – und entkräftet damit bereits die Vorstellung einer Population ausschließlich hochgewachsener Individuen: Der Selektionsdruck des Klimas war wohl doch geringer als gedacht.
Vor allem aber hätten kleine Dickschädel ihr unerwartet breites Becken problemlos passiert: Ihr Geburtskanal war sogar weiter als der heutiger Frauen. Das Hirnvolumen ihrer potenziellen Kinder hätte das bislang angenommene um mehr als 30 Prozent überschreiten können – ein deutlich schnelleres Schädelwachstum als heutzutage wäre also bei den Kleinen nicht mehr notwendig. Eher verlief die Entwicklung im Mutterleib ähnlich wie bei Homo sapiens, meinen die Forscher, und nach der Geburt nur etwas beschleunigt.
Funde von Beckenknochen sind sehr selten, meist entdecken Anthropologen Überreste von Schädeln, Kiefern und Zähnen. Das letzte ähnlich vollständige Becken stammt von "Lucy", die vor 3,2 Millionen Jahre bereits aufrecht ging, aber noch keine Anpassungen für die Geburt von Kindern mit größeren Schädeln aufwies. Die nun beschriebenen Knochen bilden eine Mischform zwischen Merkmalen, die sich bei Lucy finden, und dem modernen Becken von Homo sapiens, das für beide Aufgaben – Gehen und Geburt großkopfigen Nachwuchses – optimiert wurde.
Wobei "optimiert" in diesem Fall durchaus Maßarbeit bedeutet: Bei keinem anderen Angehörigen der Menschenaffen- und Menschenverwandtschaft liegen die Dimensionen von Kopfumfang und Geburtskanal so eng beisammen. Ob allerdings auch Homo erectus entsprechende Komplikationen bei der Entbindung durchleben musste, wird bis zum Fund eines Neugeborenenschädels wohl offen bleiben.
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