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Agrargeschichte: Frühreis

Über die Hälfte der Menschheit lebt von ihm: Reis gehört heute zu den wichtigsten Kulturpflanzen der Erde und blickt auf eine lange Kulturgeschichte zurück. Zu Beginn des Neolithikums betraten chinesische Bauern mit ihren ersten Reisfeldern Neuland - mit hoch ausgeklügelten Methoden.
Reisterrassen in Honghe Hani, China
Kultur – so lesen wir im Lexikon – stammt vom lateinischen Wort cultura und steht für Bearbeitung, Pflege, Anbau oder Veredlung. In der Tat stellt die Erfindung der Landwirtschaft – als Jäger und Sammler ihr unstetes Leben aufgaben und sich als Bauern niederließen – einen wesentlichen Fortschritt in der menschlichen Kultur dar. Nicht umsonst markiert dieser revolutionäre Umbruch in der Kulturgeschichte die Wende zur Jungsteinzeit und wird als neolithische Revolution bezeichnet.

Natürlich fand diese Revolution nicht schlagartig an einem Ort der Erde statt, sondern vollzog sich nach und nach in verschiedenen Regionen parallel. Als besonders revolutionäres Gebiet zeichnete sich der fruchtbare Halbmond zwischen Palästina und dem Zweistromland aus, wo die Bewohner schon vor über 10 000 Jahren verschiedene Getreidearten wie Gerste und Weizen zu nutzen wussten.

Oryza sativa | Über die Hälfte der Weltbevölkerung ernährt sich von Reis. In manchen Ländern Asiens stellt er gar achtzig Prozent der täglichen Nahrung dar. Die Kulturpflanze kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis in die Anfänge der Landwirtschaft in der Steinzeit zurückreicht.
Weiter im Osten liegt vermutlich die Heimat eines Getreides, das heutzutage bei mehr als der Hälfte der Menschheit täglich auf den Tisch kommt: Reis. Seine Spur verliert sich irgendwo in Südostasien, es spricht jedoch einiges dafür, dass chinesische Bauern die Kunst des Reisanbaus seit mindestens 7000 Jahren beherrschen. Hier stand wahrscheinlich der Wildreis Oryza rufipogon, der natürlicherweise in den subtropischen Feuchtgebieten gedeiht, Pate für die heutige Kulturform O. sativa.

Bisher gingen Archäologen davon aus, dass diese frühen chinesischen Bauern mit noch recht einfachen Reisanbautechniken hantierten. Doch ein britisch-chinesisches Team unter der Leitung von Yongqiang Zong von der Universität Durham entwirft nun ein etwas differenziertes Bild.

Fündig wurden die Forscher an der südostchinesischen Ausgrabungsstätte Kuahuquiao in der Nähe der Bucht von Hangzhou. Grabungen in über zwei Meter Tiefe – durch wasserundurchlässige Tonschichten bestens erhalten – lieferten hier ein umfangreiches Archiv über die Kulturgeschichte dieses Landstrichs.

Demnach erschien die Gegend vor 9000 Jahren noch wenig heimelig – im Gegenteil: Überreste mariner Algen zeugen von einer Überflutung. Doch nach und nach zog sich der Ozean zurück und machte einer morastigen Sumpflandschaft Platz. Vor 7700 Jahren siedelten sich die ersten Einwanderer in dem Neuland an. Austernfunde belegen, dass sie die Ressourcen des Meeres zu nutzen wussten; Wild stand offensichtlich ebenfalls noch auf dem Speiseplan. Allerdings tauchten mit Hunden und Schweinen auch schon die ersten Haustiere auf – mit letzterem teilten sich die Bewohner gar die Parasiten, wie Überreste des Peitschenwurms Trichuris zeigten.

Reisterrassen in Honghe Hani, China | Heutzutage wird Reis in China auf Terrassen wie die von Honghe Hani in der südwestchinesischen Provinz Yunnan angebaut. Bereits in der Jungsteinzeit vor 7700 Jahren beherrschten chinesische Reisbauern ausgeklügelte Kultivierungsmethoden.
Und die Bewohner kannten bereits Reis. Aus Pilzsporen, die als kulturelle Leitfossilien gelten, schlossen die Wissenschaftler auf eine erstaunlich ausgeklügelte Kultivierung des Getreides: Die Frühbauern hatten ihre Scholle per Brandrodung präpariert, die Felder gedüngt und mit Deichen gegen eindringendes Seewasser gesichert.

Doch das Glück währte nicht lange. Bereits nach einem Jahrhundert unterbrach das Meer die kulturellen Aktivitäten der Menschen. Weiterer Deichbau konnte wohl den Reisanbau zunächst wieder retten, doch vor 7550 Jahren war es endgültig vorbei: Die See hatte die frühe chinesische Reiskultur von Kuahuquiao endgültig zerstört.

Die Saat war allerdings bereits aufgegangen. Nach Ansicht der Forscher breitete sich die Anbaumethode mit Feuer und Deich weiter Richtung Nordosten aus und lieferte die Basis für die Hemudu-Kultur, die schon lange als Zentrum steinzeitlichen Reisanbaus gilt.

"Unsere Ergebnisse zeigen", schreiben die Wissenschaftler, "dass der Reisanbau in den küstennahen Feuchtgebieten Ostchinas begann – einem sehr fruchtbaren und produktiven, aber auch empfindlichen Ökosystem, dessen Anziehungskraft über zwei Jahrhunderte durch eine anhaltende und hoch effektive Bewirtschaftung der Umwelt aufrecht erhalten wurde."

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