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News: Galaktischer Kannibalismus

Es geschieht praktisch vor unserer kosmischen Haustür und lief doch lange Zeit unbemerkt ab: Vor nicht einmal zehn Jahren haben Astronomen im Sternbild Schütze eine eng benachbarte Galaxie entdeckt - nun stellen sie fest, dass dieses Sternensystem kurz vor der Auflösung steht. Schuld an seinem Tod ist unsere Milchstraße.
Sternenfreunde, denen sich die Möglichkeit bietet, einen Blick auf die südliche Himmelskuppel zu werfen, sollten sich auf keinen Fall das Sternbild Schütze (Sagittarius) entgehen lassen. Dort ist nicht nur das Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, zu finden, sondern eine Fülle von Sternenhaufen und Nebeln, die teilweise schon in kleinen Fernrohren lohnende Beobachtungsobjekte sind. Alleine 15 von ihnen hat bereits der französische Astronom Charles Messier im frühen 19. Jahrhundert beschrieben. Dabei ahnte er natürlich nicht, welch dramatischer Kampf der kosmischen Giganten sich vor seinen Augen abspielte.

Einen ersten Hinweis darauf erhielt die Wissenschaft erst im Jahre 1994, als britische Astronomen eine bis dato unbekannte Galaxie in unserer unmittelbaren Nachbarschaft entdeckten. Sie tauften das nach ihren Messungen lediglich rund 88 000 Lichtjahre entfernte System auf den Namen "Sagittarius dwarf Elliptical galaxy" (SagdEg), unter dem es auch im deutschen Sprachraum bekannt ist. Der für Galaxien äußerst geringe Abstand war erstaunlich. Die bekannte Andromeda-Galaxie beispielsweise gilt mit 2,5 Millionen Lichtjahren schon als enger Nachbar, für gewöhnlich sind die Distanzen deutlich größer. Warum also ist der "Zwerg" im Schützen uns so nahe?

Die Antwort fanden amerikanische Forscher um Steven Majewski von der University of Virginia bei einer Kartierung des gesamten Himmels im Wellenlängenbereich von zwei Mikrometern. In dem Infrarotlicht des Two-Micron All Sky Survey (2MASS) sind bestimmte Sterne der Zwerggalaxie nämlich gut von den Objekten der Milchstraße zu unterscheiden, wohingegen sie im sichtbaren Spektrum überstrahlt werden, oder ihr Licht bleibt im kosmischen Staub hängen.

Die Astronomen filterten aus etwa einer halben Milliarde Sterne jene heraus, die zur Klasse der M-Riesensterne gehören – einem häufigen Typ im Sagittariussystem, der in den äußeren Regionen der Milchstraße dagegen selten vorkommt. Zu ihrem Erstaunen stellten sie beim Blick auf die Karte fest, dass die "Zwerg"-Galaxie sich in Wirklichkeit einmal um die ganze Milchstraße windet. "Wenn wir im Infrarotlicht sehen könnten, wären die Sterne von Sagittarius ein auffälliges Band, das sich über den Himmel zieht", sagte Majewski.

Hinter dem malerischen Bild eines zusätzlichen Sternenbandes verbirgt sich jedoch der Todeskampf einer Galaxie. "Diese erste Karte des ganzen Himmels zeigt die intensive Wechselwirkung von Sagittarius mit der Milchstraße", erläutert Majewski. "Sowohl Sterne als auch Sternhaufen, die sich jetzt in den Randbereichen der Milchstraße befinden, hat die Milchstraße mit ihren größeren Gravitationskräften von dem Zwergbegleiter gestohlen. Das zeigt anschaulich, wie die Milchstraße wächst, indem sie ihre kleineren Nachbarn auffrisst." Seit zwei Milliarden Jahren dürfte der Kampf toben, doch er ist längst entschieden. Dank ihrer größeren Masse zerreißt die Milchstraße ihr Opfer, das nach Einschätzung der Astronomen am Ende seiner eigenständigen Existenz steht.

Für die Wissenschaftler bietet das Drama am Himmel gute Gelegenheiten, ihre Theorien zu überprüfen und zu verbessern. Aus der Anordnung der Klasse M-Riesen am Himmel lassen sich Schlüsse auf die Verteilung der dunklen Materie in der Milchstraße ziehen. Und da der Schweif mit den gestohlenen Sternen relativ dicht an der Sonne entlang führt, könnten ihre Eigenschaften als Fremdlinge, die unter anderen Bedingungen entstanden sind, eingehend studiert werden.

Dass uns der Himmel auf den Kopf fallen könnte, braucht allerdings niemand zu befürchten. Dafür sind die Abstände dann doch zu groß. Immerhin ein Exemplar sollte in einem Radius von 300 Lichtjahren aufzuspüren sein, meint Majewski. Für Astronomen also praktisch "zum Greifen nah".

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