News: Gar nicht so übel
Prionen genießen wahrlich keinen guten Ruf, sind mit ihnen doch tödlich endende Leiden wie Rinderwahnsinn oder Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verbunden. Doch jetzt gibt es Hinweise für eine nützliche Funktion dieser umgefalteten Proteinstrukturen.
Vor drei Jahren wollte der Weihnachtsbraten bei uns nicht so richtig schmecken. Drei Buchstaben waren aus England über den Kanal herübergeschwappt und verdarben den Deutschen den Appetit: BSE. Nach kurzer Aufregung und einigen Ministerrücktritten ist es seit dem ersten deutschen Fall von Rinderwahnsinn im November 2000 hier wieder ruhig geworden; die große Katastrophe ist – bisher – zum Glück ausgeblieben.
Der Forschung hat die europäische BSE-Krise natürlich – nicht nur finanziell – gut getan, und so hat sich die 1997 noch als ziemlich gewagt geltende Hypothese des Nobelpreisträgers Stanley Prusiner über die Ursache dieser rätselhaften Nervenkrankheit weitgehend etabliert. Demnach werden die so genannten transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, zu denen auch die höchstwahrscheinlich über BSE-infiziertes Fleisch übertragene neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zählt, durch Proteine ausgelöst. Diese von Prusiner Prionen genannten Strukturen kommen in zwei Formen vor: als normales PrPC sowie als krankheitsauslösendes PrPSc, das fatalerweise immer neues PrPC in PrPSc umfalten kann.
So weit, so schlecht. Prionen könnte man daher ruhigen Gewissens als Inbegriff des Übels abschreiben, zu denen die Forschung bestimmt noch einiges Interessantes zutage fördern wird. Doch jetzt erreichen uns Neuigkeiten über die fatalen Faltmoleküle aus einer Ecke, aus der dies zunächst nicht zu erwarten war: der Gedächtnisforschung.
Der aus Österreich stammende Neurobiologe Eric Kandel, der an der Columbia University forscht, versucht schon seit langem, den Schleier der Geheimnisse des Gedächtnisses ein wenig zu lüften – ein Bemühen, das im Jahr 2000 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin gewürdigt wurde. Als Haustier für seine Lernversuche wählte er den Kalifornischen Seehasen (Aplysia californica) – schließlich zeichnet sich diese Meeresschnecke durch ein überschaubares Nervensystem aus, deren Neurone praktischerweise auch noch handlich groß sind.
Kausik Si aus Kandels Arbeitsgruppe hat sich beim Seehasen nun ein Protein angeschaut, von dem bekannt ist, dass es beim Langzeitgedächtnis eine Rolle spielt: Das auf den Namen CPEB (cytoplasmic polyadenylation element binding protein) hörende Protein ist zuerst in Eizellen des Krallenfrosches Xenopus entdeckt worden, wo es die Übersetzung von Boten-RNA – also der Abschrift aus dem Erbmolekül DNA – in Proteine reguliert. Und solche Regulationsfaktoren scheinen auch die Verknüpfung von Synapsen im Nervensystem zu festigen – ein Prozess, der für das Langzeitgedächtnis entscheidend ist.
Als nun die Forscher CPEB von Aplysia genauer unter die Lupe nahmen, fiel ihnen auf, dass das eine Ende des Proteinfadens fast nur aus den beiden Aminosäuren Glutamin und Asparagin besteht. Und diese eher etwas langweilig anmutende Struktur kam den Wissenschaftlern irgendwie bekannt vor: Auch bei Prionen gibt es diese sich wiederholenden Sequenzen.
Dem wollten die Forscher natürlich auf den Grund gehen. Sie isolierten daher das Protein, markierten es und pflanzten es in Hefezellen ein. Hier konnten die Forscher beobachten, dass CPEB tatsächlich – wie ein Prion – sich umfalten und dann das Umfalten weiterer Proteine katalysieren kann.
Und nicht nur das: Das umgefaltete CPEB behielt auch seine normale Funktion als Regulator der Proteinsynthese bei. "Das ist bemerkenswert", betont Mitautorin Susan Lindquist vom Whitehead Institute for Biomedical Research. "Nicht nur, weil das Protein seine Funktion im Prionen-ähnlichen Zustand behält. Es zeigt auch, dass Prionen vielleicht nicht irgendwelche Absonderheiten der Natur sind, sondern dass sie an grundlegenden Prozessen beteiligt sein könnten."
Wenn tatsächlich prionenartige Strukturen beim Langzeitgedächtnis eine Rolle spielen sollten, dann würde dies tatsächlich die Prionen in neuem Licht erscheinen lassen. Doch noch geben sich die Forscher vorsichtig, wie Kandel betont: "Wir müssen erst sehen, ob dieser Prionenmechanismus nicht nur in Hefe-, sondern auch in Nervenzellen funktioniert."
Der Forschung hat die europäische BSE-Krise natürlich – nicht nur finanziell – gut getan, und so hat sich die 1997 noch als ziemlich gewagt geltende Hypothese des Nobelpreisträgers Stanley Prusiner über die Ursache dieser rätselhaften Nervenkrankheit weitgehend etabliert. Demnach werden die so genannten transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, zu denen auch die höchstwahrscheinlich über BSE-infiziertes Fleisch übertragene neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zählt, durch Proteine ausgelöst. Diese von Prusiner Prionen genannten Strukturen kommen in zwei Formen vor: als normales PrPC sowie als krankheitsauslösendes PrPSc, das fatalerweise immer neues PrPC in PrPSc umfalten kann.
So weit, so schlecht. Prionen könnte man daher ruhigen Gewissens als Inbegriff des Übels abschreiben, zu denen die Forschung bestimmt noch einiges Interessantes zutage fördern wird. Doch jetzt erreichen uns Neuigkeiten über die fatalen Faltmoleküle aus einer Ecke, aus der dies zunächst nicht zu erwarten war: der Gedächtnisforschung.
Der aus Österreich stammende Neurobiologe Eric Kandel, der an der Columbia University forscht, versucht schon seit langem, den Schleier der Geheimnisse des Gedächtnisses ein wenig zu lüften – ein Bemühen, das im Jahr 2000 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin gewürdigt wurde. Als Haustier für seine Lernversuche wählte er den Kalifornischen Seehasen (Aplysia californica) – schließlich zeichnet sich diese Meeresschnecke durch ein überschaubares Nervensystem aus, deren Neurone praktischerweise auch noch handlich groß sind.
Kausik Si aus Kandels Arbeitsgruppe hat sich beim Seehasen nun ein Protein angeschaut, von dem bekannt ist, dass es beim Langzeitgedächtnis eine Rolle spielt: Das auf den Namen CPEB (cytoplasmic polyadenylation element binding protein) hörende Protein ist zuerst in Eizellen des Krallenfrosches Xenopus entdeckt worden, wo es die Übersetzung von Boten-RNA – also der Abschrift aus dem Erbmolekül DNA – in Proteine reguliert. Und solche Regulationsfaktoren scheinen auch die Verknüpfung von Synapsen im Nervensystem zu festigen – ein Prozess, der für das Langzeitgedächtnis entscheidend ist.
Als nun die Forscher CPEB von Aplysia genauer unter die Lupe nahmen, fiel ihnen auf, dass das eine Ende des Proteinfadens fast nur aus den beiden Aminosäuren Glutamin und Asparagin besteht. Und diese eher etwas langweilig anmutende Struktur kam den Wissenschaftlern irgendwie bekannt vor: Auch bei Prionen gibt es diese sich wiederholenden Sequenzen.
Dem wollten die Forscher natürlich auf den Grund gehen. Sie isolierten daher das Protein, markierten es und pflanzten es in Hefezellen ein. Hier konnten die Forscher beobachten, dass CPEB tatsächlich – wie ein Prion – sich umfalten und dann das Umfalten weiterer Proteine katalysieren kann.
Und nicht nur das: Das umgefaltete CPEB behielt auch seine normale Funktion als Regulator der Proteinsynthese bei. "Das ist bemerkenswert", betont Mitautorin Susan Lindquist vom Whitehead Institute for Biomedical Research. "Nicht nur, weil das Protein seine Funktion im Prionen-ähnlichen Zustand behält. Es zeigt auch, dass Prionen vielleicht nicht irgendwelche Absonderheiten der Natur sind, sondern dass sie an grundlegenden Prozessen beteiligt sein könnten."
Wenn tatsächlich prionenartige Strukturen beim Langzeitgedächtnis eine Rolle spielen sollten, dann würde dies tatsächlich die Prionen in neuem Licht erscheinen lassen. Doch noch geben sich die Forscher vorsichtig, wie Kandel betont: "Wir müssen erst sehen, ob dieser Prionenmechanismus nicht nur in Hefe-, sondern auch in Nervenzellen funktioniert."
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