Genetik: Genschalter
Gentherapie - also der gezielte Eingriff ins menschliche Erbgut - gilt nach wie vor als riskantes Unterfangen. Nicht nur Einbau, auch die Aktivierung neuer Gene gestaltet sich als schwierig. Doch die Natur hat hier ein Werkzeug parat, das sich als Schalter einsetzen lässt - zumindest im Prinzip.
Lehrsätze gelten nicht für alle Zeiten, sondern müssen mitunter das Schicksal erleiden, umgeworfen zu werden. Einer dieser Lehrsätze lautete, dass ausschließlich Proteine als Enzyme in der Lage sind, biochemische Reaktionen zu katalysieren. Doch in den 1980er Jahren brachten Thomas Cech und Sidney Altman dieses Dogma ins Wanken: Sie entdeckten die katalytischen Fähigkeiten von Nukleinsäuren. Ihre RNA-Enzyme – kurz Ribozyme genannt – spalten ohne Mitwirkung enzymatischer Proteine Stücke von sich selbst oder auch von anderen RNA-Strängen ab. Inzwischen ist klar, dass Ribozyme bei wohl allen Organismen vorkommen und hier eine wichtige Rolle bei der Genregulation spielen – eine Entdeckung, die Cech und Altman 1989 den Nobelpreis für Chemie bescherte.
Was in der Natur klappt, sollte sich auch künstlich nutzen lassen, dachte sich Richard Mulligan. Der Genetiker von der Harvard Medical School in Boston suchte nach einem Schalter, mit dem sich Gene, die im Rahmen einer Gentherapie in das Erbgut eines Patienten künstlich eingebaut werden sollen, gezielt aktivieren lassen.
Denn hier liegt noch immer eine Crux des riskanten und daher auch umstrittenen Eingriffs: Gelingt es tatsächlich, ein Gen an der richtigen Stelle im Erbgut einzubauen, dann muss es an- und gegebenenfalls auch wieder abgeschaltet werden können. Dies versuchen die Geningenieure über den so genannten Promotor. An diesem DNA-Abschnitt, der vor dem eigentlichen Gen sitzt, beginnt die Synthese der Boten- oder mRNA, also die Abschrift, nach der später das entsprechende Protein gebaut wird. Substanzen, die einen Promotor aktivieren, kennen die Genetiker durchaus, doch leider sorgen sie mitunter für unkalkulierbare Nebenwirkungen, sie können das Immunsystem alarmieren oder auch Krebs auslösen.
Laising Yen aus Mulligans Arbeitsgruppe versuchte nun zusammen mit anderen Kollegen, die Aktivität eines bestimmten Gens statt über den Promotor per Ribozym zu steuern. Aus den hunderten bekannten Ribozymen suchten die Forscher zunächst ein passendes, das auch in menschlichen Zellen arbeitet. Dieses Ribozym namens N79 hatte die Eigenschaft, sich selbst in der Mitte durchzuschneiden.
Im nächsten Schritt fahndeten Yen und Co nach einer Substanz, die just dieses Durchschneiden unterbindet. In dem Antibiotikum Toyocamycin wurden sie fündig.
Dann verknüpften die Forscher ihr Ribozym mit einem Gen, welches für das Enzym Luciferase kodiert. Luciferase wiederum kann bestimmte Proteine zum Leuchten anregen und wird daher von Biochemikern gerne als Marker verwendet.
Nach 21 Tagen geschah – nichts. Denn, wie von den Forschern gewollt, wurde das Luciferase-Gen zusammen mit dem Ribozym zwar abgelesen. Doch das Ribozym zerschnitt die resultierende mRNA, Luciferase konnte damit nicht hergestellt werden, das Gen blieb also inaktiv.
Als die Forscher jedoch ihre Mäuse mit Toyocamycin behandelten, bekamen die Tiere nach zwei weiteren Tagen leuchtende Augen. Das Antibiotikum hatte das Ribozym deaktiviert, die mRNA des Luciferase-Gens blieb damit unbeschädigt.
Damit sei der "Proof-of-Principle", also der prinzipielle Beweis der Machbarkeit einer künstlichen Genaktivierung durch Ribozyme vollbracht, betonen die Forscher. "Mit dem System sollte es letztendlich auch möglich sein, die Freisetzung therapeutisch wirksamer Proteine über die Konzentrationsänderung bestimmter Chemikalien in Zellen zu steuern", meint Mulligan. "So könnten beispielsweise über Gentherapie Zellen derart verändert werden, dass sie Insulin nach einem Glukoseanstieg abgeben. Solche 'Bio-Messfühler' könnten vielfältige Anwendungen finden."
Was in der Natur klappt, sollte sich auch künstlich nutzen lassen, dachte sich Richard Mulligan. Der Genetiker von der Harvard Medical School in Boston suchte nach einem Schalter, mit dem sich Gene, die im Rahmen einer Gentherapie in das Erbgut eines Patienten künstlich eingebaut werden sollen, gezielt aktivieren lassen.
Denn hier liegt noch immer eine Crux des riskanten und daher auch umstrittenen Eingriffs: Gelingt es tatsächlich, ein Gen an der richtigen Stelle im Erbgut einzubauen, dann muss es an- und gegebenenfalls auch wieder abgeschaltet werden können. Dies versuchen die Geningenieure über den so genannten Promotor. An diesem DNA-Abschnitt, der vor dem eigentlichen Gen sitzt, beginnt die Synthese der Boten- oder mRNA, also die Abschrift, nach der später das entsprechende Protein gebaut wird. Substanzen, die einen Promotor aktivieren, kennen die Genetiker durchaus, doch leider sorgen sie mitunter für unkalkulierbare Nebenwirkungen, sie können das Immunsystem alarmieren oder auch Krebs auslösen.
Laising Yen aus Mulligans Arbeitsgruppe versuchte nun zusammen mit anderen Kollegen, die Aktivität eines bestimmten Gens statt über den Promotor per Ribozym zu steuern. Aus den hunderten bekannten Ribozymen suchten die Forscher zunächst ein passendes, das auch in menschlichen Zellen arbeitet. Dieses Ribozym namens N79 hatte die Eigenschaft, sich selbst in der Mitte durchzuschneiden.
Im nächsten Schritt fahndeten Yen und Co nach einer Substanz, die just dieses Durchschneiden unterbindet. In dem Antibiotikum Toyocamycin wurden sie fündig.
Dann verknüpften die Forscher ihr Ribozym mit einem Gen, welches für das Enzym Luciferase kodiert. Luciferase wiederum kann bestimmte Proteine zum Leuchten anregen und wird daher von Biochemikern gerne als Marker verwendet.
Schließlich bauten die Wissenschaftler ihr Konstrukt mit Hilfe eines Virus in die Netzhaut von Mäusen ein. Nun begann das eigentliche Experiment.
Nach 21 Tagen geschah – nichts. Denn, wie von den Forschern gewollt, wurde das Luciferase-Gen zusammen mit dem Ribozym zwar abgelesen. Doch das Ribozym zerschnitt die resultierende mRNA, Luciferase konnte damit nicht hergestellt werden, das Gen blieb also inaktiv.
Als die Forscher jedoch ihre Mäuse mit Toyocamycin behandelten, bekamen die Tiere nach zwei weiteren Tagen leuchtende Augen. Das Antibiotikum hatte das Ribozym deaktiviert, die mRNA des Luciferase-Gens blieb damit unbeschädigt.
Damit sei der "Proof-of-Principle", also der prinzipielle Beweis der Machbarkeit einer künstlichen Genaktivierung durch Ribozyme vollbracht, betonen die Forscher. "Mit dem System sollte es letztendlich auch möglich sein, die Freisetzung therapeutisch wirksamer Proteine über die Konzentrationsänderung bestimmter Chemikalien in Zellen zu steuern", meint Mulligan. "So könnten beispielsweise über Gentherapie Zellen derart verändert werden, dass sie Insulin nach einem Glukoseanstieg abgeben. Solche 'Bio-Messfühler' könnten vielfältige Anwendungen finden."
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