Entwicklungsbiologie: Hackfleisch
Sie sind klein und unscheinbar, aber hart im Nehmen: Selbst in winzige Stücke zerhackt, wächst aus jedem Fitzelchen ein kompletter Wurm heran - Planarien gelten als Meister der Erneuerung. Jetzt haben Forscher die Gene dieses Regenerationswunder systematisch durchforstet.
Der Legende nach äußerte Klaus Störtebeker, der Schrecken der Hanse, noch einen letzten Wunsch, bevor ihn der Scharfrichter am 20. Oktober des Jahres 1401 auf die letzte Fahrt schicken sollte: All jene seiner mitverurteilten Gefährten sollten frei sein, an denen er mit abgeschlagenem Haupt noch vorbeischreiten kann. Gerne gewährte der Bürgermeister von Hamburg diese aussichtlos erscheinende Bitte. Doch tatsächlich soll es der kopflose Pirat geschafft haben, an elf Männern vorbeizulaufen – bevor ihm der Henker ein Bein stellte und damit dem makabren Spiel ein Ende setzte.
Über diese schaurige Anekdote könnten Planarien nur milde lächeln. Denn eine Enthauptung bleibt bei diesen mit schielendem Blick und seitlich abstehenden "Öhrchen" etwas drollig aussehenden Würmchen ziemlich bedeutungslos: In nur wenigen Tagen wächst ihnen schlicht ein neuer Kopf nach. Die in Bächen und Teichen lebenden Tiere, die Zoologen in den Stamm der Plattwürmer oder Plathelminthes und in die Klasse der Strudelwürmer oder Turbellaria einorden, haben die Kunst der Regeneration zur Meisterschaft perfektioniert. Angeblich soll selbst aus einem 279stel Wurmstückchen ein komplettes Individuum heranwachsen können.
Kein Wunder, dass sich Biologen für die unverwüstlichen Würmer schon seit über hundert Jahren begeistern können. Vermutet wird, dass die Planarien ihre Regenenrationsfähigkeit bestimmten, zunächst undifferenzierten Stammzellen, den Neoblasten, verdanken, die sich bei Bedarf teilen und zu fehlenden Organzellen heranreifen können. Hierbei müssen bestimmte Gene aus dem Wurm-Erbgut zur richtigen Zeit aktiv werden, um die Regeneration zielgerecht zu steuern.
Die martialische Häckselei mündete in der Identifizierung von 240 Genen, die an der Regeneration beteiligt sind. 204 davon, also 85 Prozent, kamen den Wissenschaftlern bekannt vor – tauchen sie doch in ähnlicher Form bei anderen Arten, einschließlich des Menschen, ebenfalls auf. 38 Gene konnten die Forscher sogar einzelnen Krankheiten zuordnen, wie Muskel-Ataxie, Sehstörungen oder Krebs. "Die Biologie der Planarien hat sehr viel mit unserer Biologie gemeinsam", kommentiert Arbeitsgruppenleiter Alejandro Sánchez Alvarado die überraschend erscheinende Parallele zwischen Mensch und Wurm.
Nachdem die entscheidenden Gene nun aufgespürt sind, hoffen die Forscher, den Schleier über das Geheimnis der Regeneration früher oder später endgültig lüften zu können. "Uns schränkt jetzt nur noch ein, wie viele Experimente wir an einem Tag schaffen", meint Sánchez Alvarado. Demnach dürften wohl noch etliche Planarien ihren Kopf verlieren.
Störtebekers kopfloser Lauf blieb übrigens nutzlos: Der Bürgermeister brach sein Versprechen und ließ alle Seeräuber enthaupten. In einer Planarienwelt hätte er sich damit eine Menge neue Freunde gemacht.
Über diese schaurige Anekdote könnten Planarien nur milde lächeln. Denn eine Enthauptung bleibt bei diesen mit schielendem Blick und seitlich abstehenden "Öhrchen" etwas drollig aussehenden Würmchen ziemlich bedeutungslos: In nur wenigen Tagen wächst ihnen schlicht ein neuer Kopf nach. Die in Bächen und Teichen lebenden Tiere, die Zoologen in den Stamm der Plattwürmer oder Plathelminthes und in die Klasse der Strudelwürmer oder Turbellaria einorden, haben die Kunst der Regeneration zur Meisterschaft perfektioniert. Angeblich soll selbst aus einem 279stel Wurmstückchen ein komplettes Individuum heranwachsen können.
Kein Wunder, dass sich Biologen für die unverwüstlichen Würmer schon seit über hundert Jahren begeistern können. Vermutet wird, dass die Planarien ihre Regenenrationsfähigkeit bestimmten, zunächst undifferenzierten Stammzellen, den Neoblasten, verdanken, die sich bei Bedarf teilen und zu fehlenden Organzellen heranreifen können. Hierbei müssen bestimmte Gene aus dem Wurm-Erbgut zur richtigen Zeit aktiv werden, um die Regeneration zielgerecht zu steuern.
In einer wahren Schlachtstudie haben jetzt Peter Reddien und seine Kollegen von der Universität von Utah versucht, die dabei beteiligten Gene bei der Art Schmidtea mediterranea aufzuspüren. Hierzu fütterten die Forscher zunächst ihre Würmer mit Bakterien, die doppelsträngige RNA-Abschriften verschiedener Planarien-Gene synthetisierten. Im Wurm blockierten die bakteriellen RNA-Schnipsel die Boten-RNA aktiver Planarien-Gene – ein Phänomen, das als RNA-Interferenz bekannt ist. Damit konnten die Forscher insgesamt 1065 Wurm-Gene gezielt abschalten. Um die Wirkung dieses Genverlustes zu beobachten, brauchten die Forscher anschließend nur noch zur Rasierklinge zu greifen: Über 54 000 Amputationen mussten die Würmer über sich ergehen lassen.
Die martialische Häckselei mündete in der Identifizierung von 240 Genen, die an der Regeneration beteiligt sind. 204 davon, also 85 Prozent, kamen den Wissenschaftlern bekannt vor – tauchen sie doch in ähnlicher Form bei anderen Arten, einschließlich des Menschen, ebenfalls auf. 38 Gene konnten die Forscher sogar einzelnen Krankheiten zuordnen, wie Muskel-Ataxie, Sehstörungen oder Krebs. "Die Biologie der Planarien hat sehr viel mit unserer Biologie gemeinsam", kommentiert Arbeitsgruppenleiter Alejandro Sánchez Alvarado die überraschend erscheinende Parallele zwischen Mensch und Wurm.
Nachdem die entscheidenden Gene nun aufgespürt sind, hoffen die Forscher, den Schleier über das Geheimnis der Regeneration früher oder später endgültig lüften zu können. "Uns schränkt jetzt nur noch ein, wie viele Experimente wir an einem Tag schaffen", meint Sánchez Alvarado. Demnach dürften wohl noch etliche Planarien ihren Kopf verlieren.
Störtebekers kopfloser Lauf blieb übrigens nutzlos: Der Bürgermeister brach sein Versprechen und ließ alle Seeräuber enthaupten. In einer Planarienwelt hätte er sich damit eine Menge neue Freunde gemacht.
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