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News: Hirn im Schwanz

Ein Gen sorgt bei Strudelwürmern für die richtige Hirnentwicklung. Ist es abgeschaltet, dann fehlt den Würmern nicht das Hirn - sondern es wächst überall.
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Strudelwürmer gelten als äußerst genügsam. Zerteilt man ein Würmchen mit der Rasierklinge sauber in zwei Hälften, dann wächst jedes Stück wieder zu einem kompletten Organismus heran. Die Regenerationsfähigkeit der Turbellaria – wie die Klasse der Plathelminthes heißt – ist beeindruckend.

Und diese Fähigkeit fasziniert auch Entwicklungsbiologen, laufen doch embryonale Wachstumsprozesse ähnlich wie Regenerationen bei ausgewachsenen Tieren ab. Daher beschäftigten sich auch Frances Cebrià vom Center for Developmental Biology in Kobe und seine Kollegen mit Dugesia japonica, einen etwa fünf Millimeter langen Bewohner japanischer Bäche.

Die Wissenschaftler interessierte vor allem, wie die Hirnentwicklung bei den Würmern gesteuert wird. Dazu untersuchten sie, welche von insgesamt 1640 der geschätzten 13 000 bis 18 000 Gene der Art in welchen Körperregionen aktiv sind. So konnten sie ein bestimmtes Gen herausfischen, das nur im Kopf der Würmer aktiv ist.

Als nächstes schalteten sie dieses Gen bei den Tieren aus, indem sie ihnen ein RNA-Molekül injizierten, das sich an das Gen anlagert und damit das Ablesen verhindert. Anschließend teilten sie ihre Würmer und warteten ab, wie sich die Schwanzstücke regenerierten.

Die Wissenschaftler erwarteten, dass die Schwanzstücke hirnlos bleiben, schließlich sollte das entdeckte Gen die Hirnentwicklung steuern. Doch es geschah etwas völlig Unerwartetes. "Wir sahen eine Ausbreitung von Hirnmaterial im ganzen Körper", erinnert sich Sanchez Alvarado von der University of Utah. "Wir fanden Hirn im Schwanz."

Und nicht nur das: Die sich regenerierenden Würmer entwickelten plötzlich mehrere Augenflecken, und nicht nur, wie es sich für einen Strudelwurm gehört, zwei vorne am Kopf.

Die Wissenschaftler gaben dem rätselhaften Gen den Namen ndk – abgeleitet aus dem japanischen nou-darake für "Hirn überall". Doch was tut ndk?

Weitere Studien ergaben, dass das Genprodukt – das Protein NDK – vermutlich als Rezeptor dient, das einen bestimmten Wachstumsfaktor bindet, der wiederum die Teilung und Entwicklung von Stammzellen beeinflusst. Doch nach der Bindung geschieht zunächst – nichts. Die Forscher vermuten, dass NDK vielmehr die Aufgabe hat, den Wachstumsfaktor wegzufangen: Wie ein Schwamm saugt es ihn im Gehirn auf und verhindert damit seine Ausbreitung durch den ganzen Wurmkörper. Ist das Gen ndk abgeschaltet, dann fehlt der Wachtsumsfaktorfänger, und das Hirngewebe wächst überall – auch im Schwanz.

Interessanterweise findet das Gen ndk sein Gegenstück auch beim Menschen. Hier heißt es FGFRL1 (fibroblast growth factor receptor-like), verhindert jedoch sicherlich nicht, dass im ganzen Körper Hirngewebe entsteht. "Es hat irgendetwas mit der Entwicklung des zentralen Nervensystems zu tun", sagt Alvarado, "aber was, wissen wir nicht."

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