Kognitive Fähigkeiten: Hemmt ein Algenvirus unsere Hirnaktivität?
Ursprünglich stammt das Virus ATCV-1 aus Grünalgen, die in Seen und Flüssen gedeihen. Doch irgendwie fand der Erreger seinen Weg auch in menschliche Gehirne – und verlangsamt dort womöglich bestimmte Denkprozesse, schreiben Neurovirologen um Robert Yolken von der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore. Sie waren auf die Viren aufmerksam geworden, nachdem diese im Rachen von Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen nachgewiesen worden waren, und wollten wissen, ob ATCV-1 vielleicht mitschuldig daran ist. Sie testeten deshalb die kognitiven Fähigkeiten von 92 gesunden Probanden, von denen mehr als 40 Prozent das Virus in sich trugen: Unter anderem sollten die Testpersonen zufällig auf einem Blatt Papier verteilte Zahlen mit einer Linie in der richtigen Reihenfolge verbinden – wofür die Infizierten unabhängig von Geschlecht, Alter oder Bildung im Schnitt zehn Prozent länger benötigten, was die Forscher bereits als signifikant bezeichnen.
Um auszuschließen, dass die Viren nicht nur symbolisch für andere neurologisch hemmende Faktoren wie Schwermetallbelastung oder Infektionen mit weiteren Viren oder Bakterien stehen, infizierten sie gesunde Mäuse mit ATCV-1 und ließen sie dann ebenfalls verschiedene Tests absolvieren. Auch hier brauchten die von ATCV-1 betroffenen Tiere länger, um aus einem Labyrinth zu finden, als gesunde Nager. Zudem untersuchten sie seltener und kürzer neue Objekte, was die Virologen auf eine verminderte Aufmerksamkeitsspanne zurückführen. Und schließlich untersuchten sie die Genaktivität im Hippocampus der Mäuse: 1300 Gene zeigten dabei Veränderungen – darunter auch jene, die mitverantwortlich dafür sind, wie das Hirn auf Botenstoffe wie Dopamin reagiert. Allerdings wiesen Yolken und Co das Virus nicht im Hirn der Mäuse direkt nach. Sie vermuten daher, dass es indirekt die Hirnaktivität durch Immunantworten im restlichen Körper beeinflusst, was sich letztlich auch auf den Denkapparat auswirkt. Wie ATCV-1 auf Menschen überspringt, bleibt allerdings noch ungeklärt – und ebenso, wie weit es in der menschlichen Bevölkerung verbreitet ist. Ohnehin seien die beobachteten kognitiven Effekte klein, meint der an der Studie nicht beteiligte Neurologe Joram Feldon von der ETH Zürich gegenüber "Science".
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