Hirnforschung: Prägende Nachbarschaft
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Wie schnell das Gehirn altert, hängt davon ab, wie sich Hirnzellen in räumlicher Nähe gegenseitig beeinflussen. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um James Zou von der Stanford University (USA). Einige Zellen scheinen demnach die Alterung ihrer Nachbarn zu beschleunigen, andere sie zu verlangsamen. Die Arbeitsgruppe berichtet darüber im Journal »Nature«.
Die Fachleute um Zou experimentierten mit Labormäusen verschiedener Altersstufen. Sie untersuchten Proben des Hirngewebes der Tiere und ermittelten darin die Einzelzell-Transkriptome von insgesamt 4,2 Millionen Hirnzellen. Ein Einzelzell-Transkriptom ist die Gesamtheit aller Gene, die zum Untersuchungszeitpunkt in der jeweiligen Zelle aktiv gewesen sind. Zou und sein Team ließen die gemessenen Daten von einer künstlichen Intelligenz analysieren, um Genaktivitätsmuster zu ermitteln, die für die jeweils betrachtete Zelle im Gewebeverband das biologische Alter und den Gesundheitsstatus anzeigen.
Anhand der Ergebnisse konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 18 verschiedene Typen von Hirnzellen unterscheiden. Zwei davon übten starke, aber entgegengesetzte Wirkungen auf ihre Nachbarn aus. T-Lymphozyten förderten Entzündungen des Gewebes und beschleunigten die Alterung nahe gelegener Zellen. Sie gehören zu den Immunzellen, patrouillieren ständig durch den Organismus und wandern mit steigendem Lebensalter immer häufiger ins Hirngewebe ein. Neuronale Stammzellen wiederum, aus denen sich das Hirngewebe zum Teil regeneriert, konnten Alterungsprozesse ihrer Zellnachbarn verlangsamen oder sogar umkehren.
Jung geblieben dank körperlicher Bewegung
Bei Mäusen, die ausgiebig im Laufrad gerannt waren, zeigte sich die alternsbeschleunigende Wirkung der T-Lymphozyten reduziert und die Alterung des Hirngewebes insgesamt verlangsamt. Bei Tieren, deren Körperzellen künstlich reprogrammiert worden waren, ließ sich dieser Effekt ebenfalls nachweisen – aber nicht so stark wie nach körperlicher Bewegung und auch nur auf bestimmte Hirnzelltypen beschränkt. Reprogrammierung ist eine Technik, die ausdifferenzierte Zellen wieder in Richtung Stammzellen zurückversetzt, indem sie die Aktivität bestimmter Gene von außen anregt.
Körperliche Bewegung und Reprogrammierung wirken demnach verjüngend auf das Gehirn und fördern die Hirngesundheit, zumindest bei Mäusen und unter den getesteten Laborbedingungen. Daraus ergeben sich möglicherweise Ansätze, dem kognitiven Verfall im Alter und bei Demenzerkrankungen entgegenzuwirken, wie das Team schreibt.
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