Kaminöfen: Dicke Luft aus dem Schornstein
Für manchen liegt in der kalten Jahreszeit Ärger in der Luft: Seit die Temperaturen in den einstelligen Bereich fallen, verbreitet sich der Duft von Kaminfeuer. Und schnell kochen die Gemüter über: Für die einen ist das Heizen mit Holz eine nachhaltige Art der Energieerzeugung, da keine fossilen Energieträger verbrannt werden. Für die anderen ist es Luftverschmutzung: Unterm Strich produzieren die rund 12 Millionen Kaminöfen in Deutschland ähnlich viel Feinstaub wie der gesamte Straßenverkehr.
Der gemütlich flackernde Ofen als Feinstaubgenerator – diese These ist äußerst unbeliebt. Doch Wissenschaftler stützen sie: »Wenn Holz verbrannt wird, treten viel höhere Emissionen auf als bei der Verwendung von Gas, Öl oder Kohle«, sagt Ulrich Vogt, Leiter der Abteilung Reinhaltung der Luft im Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik an der Universität Stuttgart. Zum Teil liegt das an den Mineralen, die der Baum während seines Wachstums aus dem Boden zieht. Sie sammeln sich in der Rinde an und werden bei der Verbrennung als Asche freigesetzt. Kleinste Ascheteilchen schweben als Feinstaub in der Luft. Doch die gefährlicheren Stäube entstehen durch Ruß: »Diese Partikel sind kleiner und dringen weiter in den Körper ein«, erklärt Vogt.
Als Feinstaub gelten alle Partikel zwischen zehn Mikrometer im Durchmesser – das entspricht dem Sechstel eines Haares – und 0,001 Mikrometer. Über die Atemluft gelangen sie in den Körper. Der filtert gröbere Stäube durch die Nasenschleimhäute heraus, die feineren entsorgt er über das Flimmerepithel – kleine Härchen in den Bronchien, die die Staubteile Richtung Mund und Nase transportieren. Die ultrafeinen Partikel dringen bis in die Lungenbläschen vor.
Feinstaub schadet der Gesundheit auf viele Weisen
Sind die Teilchen wasserlöslich, bauen sie sich nach einiger Zeit ab. Andere verbleiben dauerhaft wie in einer Raucherlunge und verringern die Fläche, die für den Blutkreislauf zur Verfügung steht. Die kleinsten Partikel dringen in die Blutbahn vor und reichern sich in den Organen an. So erhöht Feinstaub das Risiko für Asthma und andere Lungenkrankheiten, Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall: »Und möglicherweise kann er auch mit Alzheimer und Autismus in Zusammenhang gebracht werden«, ergänzt Vogt. Das legt zumindest eine Korrelation nahe: Bei einer Langzeitstudie in Schanghai zeigte sich, dass das Risiko für eine Autismus-Spektrumstörung bei hohen Feinstaubgehalten um 86 Prozent erhöht ist – einen ursächlichen Zusammenhang bedeutet das aber noch nicht. Das Umweltbundesamt geht für Deutschland von jährlich 44 900 vorzeitigen Todesfällen durch Feinstaub aus.
Nun ist der Kaminofen ein Faktor neben anderen: Staubsauger, Kopiergerät und Laserdrucker sondern Feinstaub ab, ebenso wie Toaster, Kerzen, Zigaretten und sogar der Herd. Laut Umweltbundesamt ist die Feinstaubbelastung in Innenräumen höher als an der frischen Luft. Auch Industrie und Landwirtschaft leisten ihren Beitrag: »Aber vor Ort spielen die lokalen Emissionen eine sehr viel größere Rolle«, berichtet Vogt. Manchmal allerdings scheinen an kalten Wintertagen die Abgase nicht abzuziehen. An anderen Tagen herrscht klare Luft – unabhängig von den Emissionen, die eingetragen werden.
Dieses Phänomen kennen vor allem die Einwohner von Stuttgart: Hier überschreiten die Messwerte für Feinstaub besonders häufig die Vorgaben der Europäischen Union. Seit Januar 2016 ruft die Stadtverwaltung bei kritischen Wetterlagen den Feinstaubalarm aus. Das ist an rund 60 Tagen im Jahr der Fall: Holzföfen dürfen nur betrieben werden, wenn sie die einzige Heizquelle im Haushalt darstellen, und die Anwohner werden gebeten, das Auto stehen zu lassen. Über den ganzen Winter gelten Rabatte im öffentlichen Nahverkehr.
Luft ist wie Kuchenteig: Sie muss gut gerührt werden
Den Grund weiß Diplom-Meteorologe Uwe Schickedanz, Leiter der Stuttgarter Außenstelle des Deutschen Wetterdienstes: »Damit der Feinstaub abtransportiert wird, benötigen wir einen Luftaustausch.« Man müsse sich die Luft wie einen Kuchenteig vorstellen: »Damit der Teig gut durchmischt wird, gibt es zwei Rührer, das sind Sonne und Wind.« Der erste Rührer, also der Luftaustausch durch Sonneneinstrahlung, funktioniert nach einem einfachen System: Warme Luft ist leichter als kalte Luft, steigt daher auf und tauscht sich mit den oberen Luftschichten aus. Im Winter wärmt die Sonne die bodennahen Luftschichten kaum auf: Somit kann dieser Rührer kaum arbeiten.
Da Stuttgart in einem Talkessel liegt, fehlt häufig auch die Durchmischung durch Wind. Dies führt zur Inversionswetterlage: Die kalte, schwere Winterluft sinkt nach unten. So bildet sich eine warme Luftschicht, die wie ein Deckel auf einer Pfanne oberhalb der kalten Luft liegt. Je nach Höhe dieses Pfannendeckels gibt es darunter noch einen mehr oder weniger geringen Luftaustausch – man spricht von der Mischungsschichthöhe. Nur misst diese Mischungsschicht beispielsweise 100 Meter statt mehreren tausend. Dieses Wetterphänomen kann tagelang andauern und den Feinstaub in Bodennähe halten. Nebel oder Schnee können die Staubteilchen nicht binden: Nur Regen hat eine ausreichend hohe Fallgeschwindigkeit, um die Partikel mitzureißen und die Luft reinzuwaschen.
Besonders in Ballungsräumen und Tälern ist die Inversionslage ein Problem – und in Regionen, die im Winter eher schwachwindig sind. Unter Umständen ist die Luft in einem Hamburger Wohngebiet reiner als in einem verschneiten Örtchen in Tallage. Doch das kommt nicht nur darauf an, ob dort die Anwohner mit Kaminöfen heizen. Sondern auch darauf, welche Öfen sie verwenden – und wie sie mit ihnen umgehen. Denn ein großer Teil der Schadstoffe lässt sich einsparen.
Offener Kamin macht mehr Rauch als Feuer
Einen offenen Kamin darf man nur noch gelegentlich nutzen, da er im wahrsten Sinne mehr Rauch als Feuer produziert. Doch auch bei den geschlossenen Modellen gibt es schwarze Schafe. In den meisten Fällen gilt: Moderne Kaminöfen heizen sparsamer und sauberer als alte. Deswegen gibt es im Bundes-Immissionsschutzgesetz die Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen, mittels derer alte Öfen schrittweise aus dem Betrieb genommen werden – bis auf wenige Ausnahmen wie historische Modelle. In zwei Jahren ist bereits das Baujahr 1994 fällig.
Effizient und staatlich gefördert sind die Pelletöfen: Sie lassen sich wie eine Heizung programmieren und führen die Holzstückchen der Verbrennung zu. Zudem werden die Pellets meist aus dem weißen Holz und nicht aus der Rinde gefertigt, produzieren also weniger Schadstoffe.
»Entweder sind die Filter sehr teuer oder fangen in der Praxis nur die Hälfte der Emissionen ab«Ulrich Vogt
Ein neuer Ofen aus dem Baumarkt ist nicht immer die beste Wahl, rät Vogt: »Ein guter Ofen führt dem Feuer Luft an den richtigen Stellen zu. Dafür sollte man ungefähr 2000 Euro beim Fachhändler investieren.« Zwar lassen sich die alten Modelle mit einem Elektrofilter nachrüsten. Doch laut Vogt steckt diese Technik in den Kinderschuhen: »Entweder sind die Filter sehr teuer oder fangen in der Praxis nur die Hälfte der Emissionen ab. Und wenn sie verrußen, arbeiten sie noch schlechter.«
Am Ruß an sich lässt sich anwenderfreundlich ablesen, ob das Heizen mit Holz funktioniert: Er soll möglichst nicht entstehen. Färbt sich also das Ofenfenster schwarz, ist das schlecht. Bleibt die Glasscheibe klar, hat man alles richtig gemacht. Vogt beschreibt Ruß, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe als Produkte einer unvollständigen Verbrennung: »Oft legen die Leute zu viel Holz in den Kamin und schließen die Luftzufuhr des Ofens. Dann schwelen die Scheite bei zu wenig Sauerstoffgehalt und zu niedriger Temperatur vor sich hin.« Das Gleiche gilt für dicke Blöcke und erst recht für zu feuchtes Holz: Mindestens zwei Jahre sollten die unterarmdicken Scheite überdacht und im Freien gelagert werden, bevor sie den Weg in den Ofen antreten. Und selbstverständlich dürfen keine behandelten Holzreste oder Abfälle verfeuert werden.
Gefährliche Angewohnheiten der Ofennutzer
Manch ein Betreiber schließt spätabends die Luftzufuhr verfrüht trotz noch züngelnder Flammen, um die Wärme zu halten und am Morgen aus der Glut ein neues Feuer zu entfachen. Laut Vogt eine der schlimmsten Angewohnheiten: »Das erzeugt über Nacht wahnsinnig hohe Emissionen.« Die richtige Bedienung steht nicht nur in der Gebrauchsanweisung des Ofens. Auch der Schornsteinfeger kann darüber aufklären. Ein- bis viermal pro Jahr reinigt er den Kamin, je nach Intensität der Nutzung. Bei der Gelegenheit prüft er den Feuchtegrad des gelagerten Holzes und wirft einen Blick in den Feuerkorb. Ob der Eigentümer allerdings die Vorschriften befolgt oder Holzabfälle aus dem Schuppen verschmurgelt, entzieht sich seiner Kontrolle.
Obwohl umstritten, hat das Heizen mit Holz einen entscheidenden Vorteil: Es kann unter Umständen fast klimaneutral betrieben werden. So erläutert Vogt: »Bäume nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und speichern einen Teil davon im Holz. Bei der Verbrennung wird der Kohlenstoff wieder freigesetzt.« Fossile Energie verbraucht auch das Fällen, der Transport und die Weiterverarbeitung. Das betrifft beispielsweise Pellets, die nicht immer aus Holzabfällen gewonnen werden, sondern je nach Hersteller auch aus Stammholz.
Heizen mit Holz ist fast klimaneutral
Vorsicht ist bei Billigholz vom Baumarkt und aus dem Discounter geboten: Es stammt oft aus osteuropäischen Ländern wie zum Beispiel Rumänien. Dort werden die letzten großen Urwälder Europas gerodet. Laut der Studie eines Max-Planck-Instituts speichern alte und artenreiche Wälder sehr viel mehr Kohlendioxid als neu angelegte Bestände – somit sind die Urwälder nicht nur ein Naturerbe, sondern neben den Weltmeeren ein wichtiger Puffer im Kampf gegen den Klimawandel.
Eine moderne Form der Holznutzung sind Kurzumtriebsplantagen: Schnell wachsende Baumarten wie Pappeln oder Weiden stehen in Monokulturen auf Ackerflächen. Doch ein Patentrezept ist das nicht. Ackerflächen benötigen die Menschen für Lebensmittel, und jede Nutzungsform lässt die ohnehin hohen Bodenpreise weiter steigen.
Fossile Brennstoffe sind keine Lösung, betont Vogt: »Ihre Nutzung verstärkt den Treibhauseffekt.« Er appelliert, das Holz ausschließlich regional zu beziehen: »Das spart Transportwege. Und man muss berücksichtigen, dass andere Länder nicht so nachhaltig arbeiten.« Um den Feinstaub zu reduzieren, plädiert er für Aufklärung durch den Schornsteinfeger, häufige Wartung des Kaminofens und noch strengere Grenzwerte: »Sobald es neue Vorschriften gibt, wird mehr Geld in die Forschung investiert.« Und aus Sicht des Klimaschutzes müssen Brennstoffe stärker eingespart werden – zum Beispiel durch eine fachgerecht durchgeführte Dämmung.
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