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Schmetterlinge: Warum ein tropischer Falter in einem walisischen Wohnzimmer auftauchte

Die Neubeschreibung unbekannter Arten geht manchmal seltsame Wege. Doch so bizarr wie im Fall dieses Glasflügelfalters sind sie wirklich sehr selten.
Ein toter Schmetterling mit durchsichtigen Flügeln und einem gelben Körper liegt auf einem hellen Untergrund
Die Glasflüglerart wurde dank einer Kombination glücklicher Umstände entdeckt und beschrieben.

Letztlich war es nicht die berühmte Spinne in der Yucca-Palme oder Bananenkiste, die den Transport aus Südamerika nach Europa überlebt hat. Doch die Geschichte der Entdeckung von Carmenta brachyclados, einem Glasflügler aus Guyana, ist mindestens so faszinierend. Der Falter tauchte unvermutet in einem walisischen Wohnzimmer in Port Talbot auf, 7000 Kilometer von seiner ursprünglichen Heimat entfernt – und glücklicherweise das Zuhause von Daisy Cadet, einer Ökologin, die das Tier fing, fotografierte und auf Instagram postete. Danach nahmen die Dinge ihren Lauf und endeten mit der Neubeschreibung einer bislang unbekannten Insektenart im Journal »Nota Lepidopterologica«.

Cadet befand sich im Wohnzimmer ihres Hauses, das sie mit ihrer Mutter Ashleigh teilt, als im Februar 2024 ein seltsamer Schmetterling ihre Aufmerksamkeit erregte, den sie nicht bestimmen konnte und dessen Bild sie schließlich auf Instagram hochlud, ohne sich erst einmal weiter darum zu kümmern. Einer ihrer Follower empfahl ihr dann jedoch, sich an die britische Butterfly Conservation zu wenden – deren Fachleute wiederum nur den Rat wussten, sich an die beiden Schmetterlingsforscher Mark Sterling und David Lees vom British Natural History Museum zu wenden.

Auch diese beiden waren einigermaßen erstaunt, wie das Museum berichtet: Februar ist schließlich nicht die normale Jahreszeit, in der heimische Schmetterlinge unterwegs sind, die Cadets Fund ähneln. Die Ökologin fuhr daraufhin mit ihrem Exemplar und einem weiteren, das in der Wohnung aufgetaucht war, nach London, um sie genauer bestimmen zu lassen.

In Großbritannien kommen 16 Glasflüglerarten vor, von denen eine der unbekannten Spezies zumindest oberflächlich ähnelt. Doch schlüpfen diese im Sommer, weshalb sie an einem kühlen Februartag in Wales nicht unterwegs sein sollten. Deshalb richteten Sterling und Lees ihren Blick weiter in die Ferne nach Australien, wo ebenfalls ähnliche Glasflügler fliegen. Aber auch diese Richtung erwies sich als falsch. Sie baten daher Cadet, ihre Zimmerpflanzen nach leeren Puppenhüllen abzusuchen – die Herkunft des Grüns sollte neue Hinweise auf den Ursprung der Falter liefern. Doch Fehlanzeige: Vier Tage und 100 Topfpflanzen später meldete die Ökologin keinen Treffer.

In der Zwischenzeit hat mit Jordan Beasley, einem Spezialisten für Insekten-DNA, ein weiterer Wissenschaftler einen genaueren Blick auf die Glasflügler geworfen. »Es zeigte sich bei der Analyse, dass der Falter einer Gruppe von Samen fressenden Glasflüglern am nächsten steht, die in Mittelamerika und im nördlichen Teil Südamerikas vorkommen«, sagt David. Der entscheidende Hinweis.

Daisys Mutter Ashleigh war kurz vorher von einer Reise nach Guyana zurückgekehrt, wo die Profifotografin einen Auftrag gehabt hatte. Und in Erdmaterial, das sich in der Tasche mit den Wanderstiefeln der Mutter angesammelt hatte, entdeckte die Tochter schließlich zwei leere Puppenhüllen – und ein kleines verholztes Stück einer Samenkapsel, in dem sich kleine Bohrlöcher von Insekten befanden. Damit war nicht nur die Herkunft von Carmenta brachyclados geklärt, sondern sogar seine Wirtspflanze bekannt: ein Leguminosengewächs aus der Gattung Mora.

Mit Hilfe der DNA-Analyse gelang es den Wissenschaftlern, den Falter bis zur Gattung zu bestimmen. Anschließend verglichen sie die Art mit verwandten Arten der riesigen Schmetterlingssammlung des Museums. Letztlich handelte es sich um einen neuen Vertreter dieser Glasflügler, der in seiner ursprünglichen Heimat noch nicht bewusst wahrgenommen worden war. Die wissenschaftliche Beschreibung der Art im Journal trägt auch den Namen von Daisy Cadet, für die damit bereits ein Wunsch wahr geworden ist, wie sie sagt: »Ich bin total begeistert, denn mein Traum wäre es, in den Regenwald zu gehen und eine neue Art zu entdecken. Ich kann das Ganze immer noch nicht recht glauben.«

  • Quellen
Nota Lepidopterologica 10.3897/nl.47.130138, 2024

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