News: Internet polarisiert die Gesellschaft
Für Länder, in denen aufgrund politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen bislang die Einführung moderner Kommunikationstechniken nur schleppend vor sich ging, bedeutet die rasante Entwicklung dieser Techniken trotz der ihr inhärierenden Möglichkeiten auch die Gefahr, noch mehr ins wirtschaftliche Abseits zu geraten. Die Zahlen, die über den Stand der Internet-Anbindung in den verschiedenen Kontinenten Auskunft geben, sind alarmierend: In Afrika haben nur etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung einen Zugang zum Internet, im mittleren Osten sind es 0,8 Prozent, in Asien und dem pazifischen Raum 1,6 Prozent. Südamerika schneidet mit einer Quote von sogar 2,5 Prozent vergleichsweise gut ab. Doch hinter Europa, wo immerhin schon 9,9 Prozent online sind oder gar Nordamerika mit 44,3 Prozent Internet-Nutzern sind diese Regionen weit abgeschlagen. Europa und Nordamerika haben bei einem Anteil von 23,2 Prozent an der Weltbevölkerung den Zugriff auf 75,4 Prozent aller Internet-Anschlüsse weltweit.
In einem Bericht (pdf-Datei), der im Auftrag des UN-General-Sekretariats erarbeitet wurde, hat eine Expertengruppe unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten Costa-Ricas José Maria Figueres-Olsen zwar einerseits festgehalten, dass die Zahl der Internet-Nutzer beständig und schnell steigt, andererseits aber festgestellt, dass ein "Digital Divide" zu beobachten ist, also eine Spaltung der Gesellschaft in eine Gruppe von Menschen, die Zugang zu modernen Informations- und Kommunikationstechniken haben, und eine Gruppe von Menschen, denen dieser Zugang bislang verwehrt ist.
Die Probleme und Gefahren, die eine digitale Spaltung der Gesellschaft mit sich bringt und die der Bericht von Figueres-Olsen aufgezeigt hat, sind genauso Gegenstand der jährlichen Hauptversammlung des Wirtschafts- und Sozialausschusses ECOSOC der Vereinten Nationen mit dem Thema "Entwicklung und internationale Kooperation im 21. Jahrhundert: Die Bedeutung der Informationstechnik im Kontext einer wissensbasierten, globalen Wirtschaft", die morgen in New York beginnt, wie die Vorschläge, die in dem Bericht zum Umgang mit der gegenwärtigen Situation vorgeschlagen sind. Bis zum 7. Juli 2000 diskutieren Delegationen der 54 ECOSOC-Mitgliedsstaaten sowie Vertreter des Weltwährungsfonds, der Weltbank und der Welthandelsorganisation auf Leitungsebene, danach laufen die Beratungen bis zum 1. August 2000 auf Expertenebene weiter. Ehrgeiziges Ziel der internationalen Gemeinschaft: Bis zum Jahr 2004 soll für 80 Prozent der Bevölkerungsgruppen, die derzeit keinen Zugang zum Internet haben, ein solcher im eigenen Heim, an der Arbeitsstelle oder in öffentlichen Einrichtungen verfügbar gemacht werden.
Um das zu erreichen, schlagen die Autoren des ECOSOC-Berichts vor, eine Task Force einzusetzen, die die Einführung von IT in den Entwicklungsländern koordinieren soll. Diese Task Force soll einen speziell einzurichtenden Fonds verwalten, den man mit mehreren huntert Millionen US-Dollar ausgestatten will. Außerdem schlägt der Bericht ein Entschuldungsprogramm vor: Ein Prozent der Schulden eines Entwicklungslandes sollen abgeschrieben werden können, wenn das Land die gleiche Summe in den IT-Sektor investiert. Auf der UN-Generalversammlung im September, auf der man den IT-Bericht der ECOSOC ebenfalls diskutieren möchte, soll schließlich ein Recht auf den Zugang zu IT-Diensten in den Prinzipien und Konventionen der Vereinten Nationen verankert werden.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 19.6.2000
" Die Zukunft des Internets"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 9.4.2000
"Internet auf höchster Ebene" - Spektrum Ticker vom 6.9.1999
"Hightech-Angst der Professoren" - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 23.6.1998
"Die neue Sprache fürs Netz" - Spektrum der Wissenschaft 3/00, Seite 87
"Datenautobahn aus der Steckdose"
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