Datierung: Jüngste Neandertaler Europas sind doch älter
Die lange intensiv diskutierten, weil vermeintlich jüngsten aller Neandertalerknochen in Europa sind vielleicht deutlich älter als gedacht – wenn eine verbesserte, jetzt in "PNAS" vorgestellte Datierungsmethode wirklich zuverlässig ist. Hätte man das früher gewusst, hätte die Anthropologenwelt auf allerlei spannende Diskussionen verzichten müssen – etwa über die Frage, was zwischenmenschlich geschah, als moderne Menschen und Neandertaler gemeinsam Europa besiedelten.
Kern der neuen Analyse, die jetzt von einem Team um Thibaut Devièse von der University of Oxford vorgestellt wird, ist eine Radiokarbondatierung mit hoch aufgereinigtem Hydroxyprolin – einer Aminosäurevariante, die fast ausschließlich im Kollagenprotein von Knochen vorkommt. Bei der verbesserten Methode wird hydrolisiertes Kollagen aus Knochenpulver mit Hochleistungsflüssigkeitschromatografie getrennt und analysiert, was vor allem besser als zuvor mögliche Verunreinigungen ausschließt.
Mit dem Verfahren datierten die Wissenschaftler nun Knochen von mehreren Neandertalern neu, die in den späten 1970er Jahren in der Vindija-Höhle in Kroatien gefunden worden sind. Schon früh hatte man geschätzt, dass Neandertaler hier erst vor vielleicht nur 27 000 Jahren gestorben sind. Damit wären sie die längsten bekannten überlebenden Neandertaler – und vor Ort im südlichen Zentraleuropa Zeitgenossen des modernen Menschen gewesen. Spätere Radiokarbondatierungen schoben das vermutete Alter dann auf 32 000 Jahre bereits etwas nach hinten. Nun zeigen die aktuellen Datierungen aber, dass alle vier Neandertalerknochen mit deutlich über 40 000 Jahren tatsächlich noch weit älter sind. Erbgutanalysen legen nahe, dass sich Neandertaler und Mensch in einer Zeit vor 44 000 und 40 000 Jahren vermischt haben – nach Europa sind die modernen Menschen damals allerdings noch nicht in nennenswerter Zahl eingewandert.
Die Analysen der Forscher um Devièse liefern zudem Hinweise darauf, wieso die ersten Datierungsbemühungen danebengelegen haben könnten: Knochen von Hirschen, Bären und Huftieren, die um die Neandertaler verstreut in derselben Bodenschicht gefunden wurden, stammen der Altersbestimmung nach aus zum Teil deutlich unterschiedlichen Epochen. Dies könnte bedeuten, dass in der Höhle Bodenschichten gestört wurden und durcheinandergeraten sind. So wird es auch schwierig, die verschiedenen gefundenen Werkzeuge eindeutig dem Neandertaler oder dem modernen Menschen zuzurechnen, die später die Höhle besiedelt haben.
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