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Neue Klima-Studie: Kann das Meer wirklich um zwei Meter steigen?

Das Wasser in den Ozeanen könnte 2100 um mehr als zwei Meter höher stehen als heute - wie kommt man auf diese Zahl? Und: Ist so viel Eisschmelze in so kurzer Zeit überhaupt realistisch?
Die Skyline einer Stadt unter Wasser. Da jede versinkende Stadt aber erst einmal durch die Brandungszone durchmuss, sind echte untergegangene Städte mit Sand und Schutt überdeckte Trümmerhaufen.

Niemand weiß, wie stark der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts steigen wird – dafür gibt es umso mehr Schätzungen und Berechnungen. Die Frage ist entscheidend: Etwa ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt weniger als zehn Meter über dem aktuellen Meeresspiegel, niedrig liegende Flussdeltas beherbergen große landwirtschaftliche Flächen, und viele der größten und wirtschaftlich bedeutendsten Städte der Welt sind Hafenstädte.

Vor diesem Hintergrund wirft eine Arbeitsgruppe um Jonathan L. Bamber von der University of Bristol nun eine neue Zahl in den Ring: Um mehr als zwei Meter könne das Meer im Extremfall bis zum Jahr 2100 ansteigen, schreibt das Team im Fachmagazin »PNAS«. Und das wäre den Forschern zufolge nur ein Zwischenstand: Das Eis höre am Ende des Jahrhunderts nicht auf zu schmelzen und die Pegel würden immer weiter steigen.

Fachkenntnis statt Computermodell

Wie kommen die Forscher auf den überraschend hohen Wert von zwei Metern? Das Team um Bamber warf dafür einen genauen Blick auf den größten Unsicherheitsfaktor beim künftigen Meeresspiegel: den Beitrag der kontinentalen Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis. Die Studie basiert dabei nicht wie sonst auf einem Computermodell, stattdessen befragten die Autoren 22 andere Fachleute nach ihrer Einschätzung – und modellierten den künftigen Anstieg des Meeresspiegels auf dieser Basis.

Die befragten Klimawissenschaftler sollten für die Studie nicht einfach eine Zahl nennen, sondern die verschiedenen Faktoren einschätzen, die das Verhalten der Eiskappen bestimmen, sowie die Zusammenhänge zwischen ihnen – und ihre jeweilige Bedeutung. Aus diesen Teilwerten berechnete die Arbeitsgruppe eine gewichtete Wahrscheinlichkeitsverteilung für zukünftige Meeresspiegel abhängig von den globalen Durchschnittstemperaturen; in einem Szenario mit einem Anstieg um zwei Grad gemäß den Paris-Zielen, in dem anderen um fünf Grad bei einer pessimistischeren Annahme über zukünftige Treibhausgasemissionen.

Das Ergebnis hat eine enorme Spannweite an möglichen Werten: Nach der Analyse tragen die Eiskappen im Fünf-Grad-Szenario mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 7 und 178 Zentimeter zum Meeresspiegelanstieg bei. Alle anderen Beiträge miteingerechnet, landet man bei mindestens etwa 60 Zentimetern und maximal rund zweieinhalb Metern.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wasser um mehr als zwei Meter steigt, beträgt demnach in diesem Szenario immerhin fünf Prozent. Dass die von der Arbeitsgruppe berechneten Werte deutlich über der quasi »gültigen« Schätzung des IPCC von 2013 liegt – etwa einen halben bis einen Meter mehr Wasser in den Ozeanen im Jahr 2100 –, ist nicht allzu überraschend. Fachleute kritisieren diese Zahlen seit Jahren als zu niedrig.

Sechs Zentimeter pro Jahr

Die Studie zeigt auch, dass der Meeresspiegel selbst in den günstigsten Szenarien in Zukunft durch das schmelzende Eis Grönlands und der Antarktis weit schneller steigen wird als heute – durchschnittlich zwischen einem dreiviertel Zentimeter und drei Zentimetern pro Jahr. Das klingt extrem, verglichen mit dem aktuellen Wert von etwa drei Millimetern.

Doch Beispiele für so eine schnelle Eisschmelze gibt es selbst in jüngster erdgeschichtlicher Vergangenheit: Während einer als »Meltwater Pulse 1A« (MWP 1A) bezeichneten Warmphase am Ende der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel vor etwa 14 000 Jahren für mehrere Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, um bis zu sechs Zentimeter pro Jahr – mehr als doppelt so schnell wie im extremsten Szenario der aktuellen Studie. Am Ende dieser Phase war der Meeresspiegel rund 20 Meter höher als zuvor.

Die Daten von Bamber und seinem Team passen nicht nur grob zu den Werten, die man aus der letzten Eiszeit kennt; wie das Team berichtet, gab die Berechnung auch die bekannte Eisschmelze in den Jahren 2000 bis 2010 korrekt wieder. Doch die eigentliche große Ungewissheit über das Schicksal der großen Eisschilde erfasst die Analyse nicht: Die kontinentalen Mega-Gletscher schmelzen nicht linear mit der Erwärmung.

Am Ende der letzten Eiszeit wechselten sich immer wieder Phasen relativer Ruhe mit kurzen Pulsen gigantischer Schmelzwassermengen ab. Die Auslöser sind meist unbekannt. Indizien deuten zum Beispiel darauf hin, dass ein großer Beitrag des abrupten Meeresspiegelanstiegs vor 14 000 Jahren von den recht plötzlich kollabierenden Rändern der antarktischen Eisschilde stammte.

Zuvor waren die Temperaturen dort über lange Zeiträume deutlich gestiegen, ohne dass die Gletscher in gleichem Maße Eis verloren. Wann und warum solche plötzlichen Kipppunkte auftreten, ist unbekannt. Ein mit MWP 1A vergleichbarer Kollaps der Eisschilde könnte prinzipiell erst in Jahrhunderten auftreten – oder bereits beginnen. In dem Fall müssten von Bamber und seine Arbeitsgruppe ihre Prognosen wohl noch einmal überarbeiten.

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