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Wahrnehmung: Kann man Stille hören?

Die Abwesenheit von Lauten, Tönen oder Geräuschen empfinden wir als Stille. Doch aus einer Reihe von Experimenten schließen US-Forscher, dass Stille hörbar ist.
Sonnenuntergang im Koli-Nationalpark in Finnland
Skandinavische Seen wären ein guter Ort, um nach dem Klang der Stille zu horchen. (Symbolbild)

Wenn es still ist, hören wir nichts – oder? Über diese Frage kann man offenbar streiten, jedenfalls laut drei Wissenschaftlern von der Johns Hopkins University in Baltimore. In einer Reihe von Experimenten haben der Philosoph Rui Zhe Goh und seine Kollegen nun nachgewiesen, dass wir die Abwesenheit von Geräuschen ähnlich verarbeiten wie die Geräusche selbst. Und den Forschern zufolge deutet das darauf hin, dass wir Stille durchaus hören können.

Wie die Forscher in »PNAS« schildern, griffen sie auf bekannte Experimente zurück, die akustische Wahrnehmungsverzerrungen hervorrufen. Die Idee dahinter: »Wenn man mit Stille die gleichen Täuschungen erzielen kann wie mit Geräuschen, dann könnte das ein Beleg dafür sein, dass wir Stille tatsächlich hören«, erklärt der Psychologe und Koautor Chaz Firestone, der das Johns Hopkins Perception & Mind Laboratory leitet, in einer Pressemitteilung.

Die rund 1000 Versuchspersonen bekamen zu diesem Zweck kurze Tonbandaufnahmen vorgespielt, darunter zum Beispiel Geräuschkulissen von belebten Restaurants, Märkten und Bahnhöfen. In einer der Versuchsvarianten verstummten die Geräusche abrupt, zuerst über einen durchgehenden Zeitraum, dann über zwei kurz aufeinander folgende Sequenzen (Beispiel auf Youtube), die insgesamt ebenso lange dauerten wie die erste Geräuschpause.

Doch den durchgehenden Moment der Stille empfanden die Versuchspersonen länger als die beiden kurzen Momente zusammen – ähnlich wie in der bekannten »One-is-more-illusion«: Hier scheint ein langer Piepton länger als zwei kurz aufeinander folgende, in der Summe aber gleich lange Töne. In zwei weiteren abgewandelten Hörexperimenten kamen die Forscher zu ähnlichen Ergebnissen.

Die Wahrnehmungsverzerrungen, von denen man dachte, sie würden nur durch Geräusche ausgelöst, traten demnach auch bei Stille auf. Das werten die drei Autoren als Anzeichen dafür, dass Stille ebenfalls ein Hörereignis darstellt, genauer: dass sie vom auditiven System so verarbeitet wird wie ein akustisches Signal und »dass wir tatsächlich auch die Abwesenheit von Geräuschen hören«.

Als Nächstes wollen sie prüfen, ob Stille auch dann »hörbar« ist, wenn ihr kein Ton direkt vorausgeht oder nachfolgt. Denn womöglich wird die Stille nur deshalb zu einem eigenen Hörereignis, weil sie die Geräusche unterbricht und so Objektcharakter bekommt – was bei der herkömmlichen »One-is-more-illusion« eine zentrale Rolle spielt. Der Beweis dafür, dass Stille an sich hörbar wäre, steht demnach noch aus.

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