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Umweltpolitik: Kein prima Klima

Die Zeit wird knapp: In zwei Monaten soll ein neues Klimaschutzabkommen ausgehandelt werden. Doch die Fronten sind verhärtet.
Schützenswerter Planet
Das Klima ändert sich – und das weltweit, wie schmelzende Gletscher, Dürreperioden und auswandernde Tier- und Pflanzenarten zeigen. Und nur hartnäckige Zweifler leugnen noch, dass der Mensch etwas mit der Erwärmung zu tun hat – zumindest unter den Wissenschaftlern stimmt die überwältigende Mehrheit der These vom anthropogenen Klimawandel zu. Grund genug für Politiker, ebenfalls aktiv zu werden. Die konkreten Schritte sind allerdings meist überschaubar klein, wie die letzte Konferenz zum Thema in Bangkok wieder einmal gezeigt hat.

Protest | Für mehr Klimaschutz demonstrierten Umweltorganisationen in Bangkok. Ihnen geht die Fortschritt auf den Konferenzen zu langsam.
Dort hat sich ein neuer Klimawandel ereignet: Die Beziehungen zwischen den Entwicklungs- und Schwellenländern auf der einen sowie den entwickelten Ländern auf der anderen Seite sind nach zwei Wochen "Klimagesprächen" wieder mehr als frostig. Dabei hatte sich das Binnenklima zwischen ihnen erst vor zwei Jahren auf der Konferenz von Bali etwas erwärmt. Nach langwierigen Verhandlungen hatten sie eine "Bali Road Map" zur alles entscheidenden Klimakonferenz in Kopenhagen im kommenden Dezember beschlossen.

Als Kernpunkte hatten sie vereinbart, dass auch die Entwicklungsländer ihren Beitrag leisten, ihre Treibhausgasemissionen als Verursacher des Klimawandels zu senken. Die Industrieländer finanzieren dafür den Anpassungsprozess der Entwicklungsländer und unterstützen ihn zusätzlich mit Technologietransfer. Außerdem wollten sie ihre Treibhausgasemissionen stärker senken. Alles zusammen wurde mit konkreten Zielgrößen versehen und rechtlich verbindlich in einem verbesserten, auf Grund wissenschaftlicher Daten aktualisierten "Kioto-II-Protokoll" festgeschrieben.

Bei den Gesprächen der Vereinten Nationen in Bangkok, der vorletzten Verhandlungsrunde vor dem klimapolitischen Showdown in Kopenhagen, ist davon nun keine Rede mehr. Die entwickelten Länder – allen voran die Europäische Union – unterbreiteten weder konkrete Finanzhilfen für die Entwicklungsländer noch gaben sie ein Zeichen, dass die Industriestaaten ihre Emissionen so stark reduzieren, was die Wissenschaftler als unabdingbar ansehen.

Anders Turensson, Chefunterhändler der EU, forderte für die letzte Vorverhandlungsrunde, die im November in Barcelona stattfinden wird, dagegen Vorleistungen der anderen Seite: "Die Entwicklungsländer müssen uns zuerst eine Ahnung von dem geben, was sie anzubieten haben. Dann können wir unsere Karten auf den Tisch legen." Die Industriestaaten sind jedoch nicht einheitlich aufgetreten. Norwegens Ankündigung beispielsweise, seine CO2-Emissionen auf der Basis von 1990 um 40 Prozent bis 2020 zu senken, hat für Furore gesorgt. Das ist genau die Reduzierung, die Wissenschaftler des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) für notwendig halten, um die globale Erwärmung unter der magischen Schwelle von zwei Grad Celsius zu halten.

"Norwegens Zielgröße ist ein Zeichen wirklicher Führungskraft und bringt frischen Wind", freute sich denn auch das Climate Action Network (CAN), das Netzwerk von 450 Umwelt- und Klimaorganisationen. Die EU hingegen erklärten die großen Umweltorganisationen zum Konferenzende zum "Fossil der Konferenz". Greenpeace-Sprecherin Tove Ryding sagte über die EU: "Sie behauptet, im Kampf gegen den Klimawandel ein Vorreiter zu sein. Was wir hier gesehen haben, sind interne Konflikte und ein vollständiges Fehlen von Ambitionen."

Merkel-Double | Im Mittelpunkt der Kritik stand die Europäische Union, die sich in der Vergangenheit als treibende Kraft beim Klimaschutz gepriesen hat. Heute gilt sie vielen als Bremser.
Die in dem Netzwerk "G 77 plus China" zusammengeschlossenen Entwicklungsländer ihrerseits hatten ihre Hausaufgaben gemacht. China hat sich seit Bali vom Klimabösewicht zum Darling der Umweltschutzorganisationen gewandelt. Und Länder wie Indonesien oder Mexiko haben in Bangkok ebenfalls Reduzierungen ihres Kohlenstoffausstoßes bis 2020 um 40 Prozent angekündigt. Die Industrieländer zusammen kommen hingegen gerade mal auf die Hälfte.

Die Entwicklungsländer fordern in den Verhandlungen um ein globales Abkommen gegen den Klimawandel das Prinzip der "Gleichheit" ein. Den entwickelten Staaten warfen "G 77 plus China" vor, sich nicht ihrer klimapolitischen Verantwortung zu stellen. "Die entwickelten Länder müssen das Recht der Entwicklungsländer auf eine wirtschaftliche Entwicklung für eine bessere Zukunft der Armen akzeptieren", sagte Lumumba D’Aping, Vorsitzender der G-77-Gruppe. Kampf gegen den Klimawandel und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung würden sich nicht gegenseitig ausschließen.

Rückendeckung erfuhren sie von Yvo de Boer, dem Chef der Klimaorganisation UNFCCC der Vereinten Nationen, der den G-77-Staaten eine "sehr konstruktive Rolle" in den Klimaverhandlungen bescheinigte. Den entwickelten Staaten warf de Boer dagegen "fehlenden politischen Willen" vor, sich zu "ambitionierten Reduktionszielen der Treibhausgase" und finanziellen Hilfen für Anpassungsmaßnahmen der Entwicklungsländer an den Klimawandel zu verpflichten.

Auf der Konferenz erhobene Vorwürfe, das reiche Ölland Saudi-Arabien sabotiere den Verhandlungsprozess, wies Lumumba D’Aping zurück. Diese würden von den Industriestaaten gestreut, um im Fall eines Scheiterns der Klimaverhandlungen auf einen Sündenbock verweisen zu können. Saudi-Arabiens Forderung, ebenso wie andere Entwicklungsländer von einem Anpassungsfonds zur Bewältigung der Umweltschäden sowie wirtschaftlicher Verluste zu partizipieren, stieß in Bangkok allerdings auf Kritik. "Dem Steuerzahler wäre es nicht zu vermitteln, dass Entwicklungshilfe an ein reiches Land wie Saudi-Arabien geht", so Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der unabhängigen Umweltorganisation "Germanwatch".

Die EU betonte, dass sie weiterhin zum Kioto-Protokoll stehe, erklärte Turensson: "Wir wollen aber am Ende ein einziges Vertragswerk, das alle einbindet." Damit spielte der EU-Klimaverhandler auf die USA an, die nicht zu den Unterzeichnern des Abkommens gehören. De Boer warnte daher die entwickelten Länder, das bisherige Klimaabkommen zu kündigen: "Man wirft einen alten Schuh nicht weg, bevor man keinen neuen hat. Das Kioto-Protokoll hat sich als gutes und erfolgreiches Instrument erwiesen, das wir jetzt stärken und verbessern müssen." Es gehe aber auch um Substanz und Inhalte, die juristische Form sei letztlich nur die Verpackung.

Die geforderte Substanz betrifft vor allem die Rolle der USA – dem wesentlichen Unsicherheitsfaktor im gesamten Verhandlungsprozess. Fraglich ist zum Beispiel, ob sie bis Kopenhagen ihre neue, durchaus ambitionierte Gesetzgebung zum Klimaschutz verabschiedet haben. Und ohne die USA wird es kein Klimaabkommen geben. Deshalb macht die Vergabe des Friedensnobelpreises an Präsident Barack Obama auch den Klimaschützern Hoffnung. Vielleicht könne ein derart gestärkter Obama den festgefahrenen Verhandlungen neue Dynamik verleihen, so der Tenor. In der Presseerklärung des Nobelpreiskomitees wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "dank der Initiative von Obama die USA wieder eine "konstruktivere Rolle" im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Gerd Leipold von Greenpeace hat deshalb einen großen Wunsch: "Wenn Präsident Barack Obama am 10. Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennimmt, hat er die große Gelegenheit und Verantwortung, zum UN-Klimagipfel nach Kopenhagen zu reisen, um dort Chaos und Konflikte vermeiden zu helfen."

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