Hochenergiephysik: Kinderstube der kosmischen Strahlung erspäht
Rund 1000 geladene Teilchen prasseln pro Sekunde auf jeden Quadratmeter der äußeren Erdatmosphäre. Protonen, Elektronen und vollständig ionisierte Atomrümpfe kommen mit hoher Energie aus dem All herangeschossen. Man nennt sie kosmische Strahlung – obwohl es sich um einen Teilchenstrom handelt, der mit elektromagnetischer Strahlung nichts zu tun hat. Bisher wird vermutet, dass die geladenen Teilchen in massereichen Wolf-Rayet-Sternen entstehen. Mindestens 100 000 Jahre später werden die Teilchen dann durch die Stoßwellen von Supernova-Explosionen beschleunigt und so zur kosmischen Strahlung. Doch ihre Herkunftsumgebung gibt noch Rätsel auf. Nun haben Wissenschaftler ihren Ursprung in einer so genannten Superblase – ein heißes gasgefülltes Gebiet rund um massereiche Sterne – im Sternbild Schwan (Cygnus) nachgewiesen.
Ihre neue Entdeckung machten Isabelle Grenier, Luigi Tibaldo und ihre Kollegen anhand von Bildern des Fermi Large Area Telescope (LAT). Es befindet sich an Bord des Fermi Gamma Ray Space Telescope, das seit 2008 im erdnahen Orbit kreist. Das LAT misst Gammastrahlung und deckt dabei alle drei Stunden den gesamten Himmel ab. Die Wissenschaftler untersuchten den Spektralbereich zwischen 0,1 und 100 Gigaelektronvolt. Diese Gammastrahlen entstehen unter anderem, wenn sich geladene Teilchen durch Gase und Strahlungsfelder bewegen.
Die Forscher fanden charakteristische Gammastrahlung, die auf diese Art in einer Superblase im Sternbild Schwan entstanden war. Der genaue Ursprung der Strahlung ist ein Bereich von rund 160 Lichtjahren Durchmesser zwischen Cyg OB2 und Gamma Cygni. Die gemessene Gammastrahlung, so schreiben die Forscher, verrate junge Teilchen der kosmischen Strahlung. Die geladenen Teilchen müssen demnach in der Superblase entstanden sein und sind gerade erst beschleunigt worden, um sich später unter die übrige kosmische Teilchenstrahlung zu mischen. Schon früher vermutete man Superblasen als Quellen kosmischer Strahlung, nun ist der Nachweis bei einer konkreten Blase gelungen.
Superblasen entstehen rund um Regionen mit massereichen Sternen. Deren starke Sternwinde drängen die umgebende Materie in einen Hüllenbereich. Zudem haben massereiche Sterne eine vergleichsweise kurze Lebensdauer – sie werden schon nach wenigen Millionen Jahren zu Roten Riesen und vergehen schließlich in einer Supernova. In Gebieten mit vielen massereichen Sternen kommt es daher öfter zu Supernova-Explosionen und damit zu Stoßwellen, die weitere Materie an den Rand der Superblase drängen. Astronomen beobachteten beispielsweise eine solche Superblase in der Magellanschen Wolke. (lh)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.