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Akustik: Klangfiguren unter Wasser

Musikalische Schwingungen lassen sich mit Chladni-Figuren sichtbar machen. Französische Forscher haben sie nun erstmals unter Wasser beobachtet.
Chladni-Figuren auf geigenförmiger Platte

Auf einer in sich schwingenden Platte fängt ein Häufchen Sand wie wild an zu tanzen, doch mit der Zeit wird in der scheinbar chaotischen Bewegung Struktur erkennbar: Die Körner wandern zu den Knotenpunkten der Schwingungen, an denen die Platte ruht. Dadurch entstehen je nach den vorherrschenden Tonfrequenzen verschiedene Muster, die chladnischen Klangfiguren. Forscher um Cédric Poulain vom Nanotechnologie-Institut CEA-Leti in Grenoble haben solche Muster nun zum ersten Mal mit einer schwingenden Membran unter Wasser erzeugt. Im Gegensatz zu den klassischen Klangfiguren werden die Partikel dabei jedoch dorthin getragen, wo die Schwingungen am stärksten sind.

Inverse Chladni-Figuren unter Wasser | Ein Blick durchs Mikroskop auf die schwingende Siliziummembran, die bei Ultraschallfrequenzen von 22 (oben links) bis 261 Kilohertz schwingt (unten rechts): Die 50 bis 70 Mikrometer großen Plastikkugeln sammeln sich nicht an den ruhenden Knotenpunkten der Membran (weiß gestrichelt). Stattdessen werden sie von der akustischen Strömung dort gehalten, wo die Schwingungen der 800 Mikrometer weiten Membran am stärksten sind.

Das hat zwei Gründe: Bei den klassischen Chladni-Figuren sorgt die Schwerkraft dafür, dass der Sand am Ende dorthin fällt, wo sich die Platte am wenigsten bewegt. Das sind die Knoten der Schwingungen – sie sind unterschiedlich verteilt, je nachdem, wie hoch der Ton ist oder welche Einzelfrequenzen im Gesamtklang vorherrschen. Unter Wasser aber kann der Auftrieb die winzigen Plastikkugeln von 50 bis 70 Mikrometer Durchmesser, die Poulain und seine Kollegen verwendeten, in der Schwebe halten. Darum kommt dort ein zweiter Effekt zum Tragen: Die wenige Mikrometer dünne, schwingende Membran erzeugt im Wasser Strömungen, die die leichten Plastikkugeln von den Schwingungsknoten weg- und zu den Schwingungsbäuchen hintragen, so dass sie "umgekehrte" Chladni-Figuren erzeugen.

Im 18. Jahrhundert begründete der Wittenberger Jurist und Physiker Ernest Florens Friedrich Chladni mit seinen Klangfiguren die moderne Akustik und nutzte die Visualisierungen, um Musikinstrumente zu erforschen und zu verbessern. Cédric Poulain und seine Kollegen schlagen nun vor, den umgekehrten Effekt zu verwenden, um biologische Zellen nach ihrem Gewicht zu sortieren und zu trennen. Da sich die Muster durch Drehen am Frequenzregler relativ leicht verändern lassen, könnte das einfacher sein, als im Reinraum an der Umgebungsluft so genannte Microarrays zum Positionieren der Zellen herzustellen. Damit die Unterwasserversuche funktionieren, müssen nicht nur die Kugeln leicht genug, sondern auch die Schwingungseigenschaften der Membran und die Tonfrequenzen auf die Flüssigkeit abgestimmt sein. Daher können die Forscher die Unterwasserklangfiguren bisher nur durchs Mikroskop beobachten. Bei größeren Visualisierungen mit Wasser bildet die Flüssigkeit selbst die Chladni-Figuren.

© Cédric Poulain, CEA-Leti Grenoble
Von der Klangfigur zum Unterwassertanz
Die Klangfiguren entstehen an den Resonanzfrequenzen des Systems. Drehen die Forscher aber die Frequenz von dort ein wenig nach oben, werden die Figuren instabil und die Plastikkugeln beginnen unter Wasser zu tanzen: Sie hüpfen von Schwingungsbauch zu Schwingungsbauch. Cédric Poulain und seine Kollegen gaben der Bewegung daraufhin den Namen Farandole, nach dem französischen Tanz.

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