Enceladus: Kleiner Mond, großer Hingucker
Was ist für die Entstehung von Leben nötig? Wärme in wohltemperierter Menge, eine stimmige Chemie und flüssiges Wasser. Nach neuen Messungen erfüllt Enceladus alle Voraussetzungen.
Schon bald nach der Ankunft der Raumsonde Cassini beim Ringplaneten Saturn im Juli 2004 richtete sich die Aufmerksamkeit vieler Astronomen auf den sechstgrößten der mehr als 60 Trabanten, Enceladus. Dieser umrundet in nur eineinhalb Tagen den Gasriesen, in einem Abstand von rund 240 000 Kilometern. Seine Bahn verläuft innerhalb des breiten aber unscheinbaren E-Rings, der sich an den A- und B-Ring anschließt, die von der Erde aus schon mit kleinen Amateurteleskopen sichtbar sind.
Enceladus, der durch seinen leicht elliptischen Orbit und die Nähe zu seinem Heimatplaneten merklichen Gezeitenkräften ausgesetzt ist, hat einen Durchmesser von 504 Kilometern. Zahlreiche lange Risse, die so genannten Tigerstreifen, prägen seine eisbedeckte Oberfläche in der Nähe des Südpols. Hier zeigen sich starke geologische Aktivitäten: Fontänen aus Wasserdampf und Eispartikeln sind über mehrere Mondradien hinweg auf den Cassini-Aufnahmen erkennbar. Das Auswurfmaterial ist der dringend benötigte Nachschub für den E-Ring – dieser ist instabil und würde sich sonst nach wenigen tausend Jahren verflüchtigen.
Bei Enceladus ist der mit Gas sowie Staub- und Eiskörnchen gefüllte E-Ring mit einer Höhe von wenigen tausend Kilometern am geringsten ausgedehnt und am dichtesten. In größerer Entfernung von Saturn – in der Region der Monde Rhea und Titan – bläht er sich auf eine Dicke von einigen Planetenradien beziehungsweise 50 000 Kilometer und mehr auf. Er hat damit die Form eines Torus, eher vergleichbar mit einem Riesendonut als mit den nur wenige Dutzend Meter dicken A- und B-Ringen.
Da die Teilchen des E-Rings allesamt von Enceladus stammen, liefert deren Analyse quasi einen Blick unter die Oberfläche des eisigen Himmelskörpers. Gehen die Fontänen auf geschmolzenes Eis in der Kruste zurück oder doch auf einen ausgedehnten unterirdischen Ozean? Wenn Letzteres der Fall ist, müsste dessen Wasser mit leicht löslichen Salzen aus dem felsigen Kern des Monds angereichert sein.
Zwei verschiedene Forschergruppen bestimmten jetzt die Menge an Natrium im E-Ring und bedienten sich dabei ganz unterschiedlicher Methoden. Ein Team um Nicholas Schneider von der University of Colorado setzte zwei Großteleskope ein, um nach bestimmten Spektrallinien von Natrium Ausschau zu halten. Dieses Verfahren kann schon geringe Mengen des Alkalimetalls nachweisen und war schon vielfach erfolgreich, beispielsweise bei Jupiters vulkanischem Mond Io, den dünnen Atmosphären von Kometen, Merkur und unserem eigenen Mond. Sowohl in der Umgebung von Enceladus als auch weiter draußen im E-Ring ist davon jedoch nichts zu sehen.
Eine Gruppe um Frank Postberg von der Universität Heidelberg wählte dagegen den direkten Weg: Es analysierte die E-Ring-Partikel mit dem Staubdetektor (Cosmic Dust Analyzer), den die Cassini-Sonde mit sich führt, vor Ort. Im Zuge zahlreicher Ringdurchflüge wurden mehrere tausend Teilchen eingesammelt und per Massenspektroskopie untersucht. Das Ergebnis: Alle Körnchen bestehen aus Wassereis und sechs Prozent davon haben einen merklichen Salzgehalt – darunter Natriumchlorid, Natriumkarbonat und -bikarbonat.
Widersprechen sich diese Befunde? Nein, räumt Schneider ein. Denn seine Methode kann nur atomares Natrium aufspüren, nicht jedoch solches, das in Eiskörnchen eingeschlossen ist. Planetologe John Spencer vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, vergleicht die beiden Studien und resümiert: "Auch wenn die Eiskörnchen irgendwann schmelzen und ihren Inhalt in den Torus abgeben, wird das Natrium zu sehr durch das restliche Gas verdünnt, um dort von Schneider und seinen Kollegen vom Erdboden aus gemessen werden zu können."
Die Schlussfolgerung aus dem Natriumfund mit Cassini ist eindeutig: "Unsere Beobachtung zeigt, dass es unter Enceladus' Eispanzer flüssiges Wasser gibt", erklärt Postberg. "Die natriumhaltigen Eispartikel sind quasi schockgefrostete Salzwassertröpfchen. Salzloser Dampf und andere Gase steigen von der Oberfläche der unterirdischen Gewässer auf und ziehen die Eispartikel mit, ehe sie schließlich mit hoher Geschwindigkeit durch Risse in der Eiskruste ins All geschleudert werden", führt der Physiker weiter aus. Allerdings wird die Fontäne nicht so explosiv und in Schüben wie bei einem Geysir erzeugt, denn der Vorgang liefe so schnell ab, dass sich das Natrium nicht in Eiskörnchen einlagern könnte.
Da die Salze aus dem Gesteinskern des Monds ausgewaschen worden sein müssen, kommen als Quellen nur große Wasserreservoire in hundert Metern Tiefe oder mehr infrage. Ihre Temperatur und ihr Salzgehalt ähneln denjenigen der irdischen Meere, so Postberg. Sie könnten untereinander zu einem großen Ozean verbunden sein.
Da schon früher verschiedene organische Verbindungen in den Fontänen gefunden wurden, ist Enceladus mit dem Nachweis von flüssigem Wasser zu einem der wenigen Kandidaten für die Entstehung von primitiven Lebensformen in unserem Sonnensystem geworden. Cassini wird bei den vier weiteren nahen Vorbeiflügen an dem kleinen Saturnmond bis 2010 danach Ausschau halten. Oliver Dreissigacker
Spencer, J.: Enceladus with a grain of salt. In: Nature 459, 1067-1068, 2009.
Postberg, F. et al.: Sodium salts in E-ring ice grains from an ocean below the surface of Enceladus. In: Nature 459, 1098-1101, 2009.
Schneider, N.M. et al.: No sodium in the vapour plumes of Enceladus. In: Nature 459, 1102-1104, 2009.
Enceladus, der durch seinen leicht elliptischen Orbit und die Nähe zu seinem Heimatplaneten merklichen Gezeitenkräften ausgesetzt ist, hat einen Durchmesser von 504 Kilometern. Zahlreiche lange Risse, die so genannten Tigerstreifen, prägen seine eisbedeckte Oberfläche in der Nähe des Südpols. Hier zeigen sich starke geologische Aktivitäten: Fontänen aus Wasserdampf und Eispartikeln sind über mehrere Mondradien hinweg auf den Cassini-Aufnahmen erkennbar. Das Auswurfmaterial ist der dringend benötigte Nachschub für den E-Ring – dieser ist instabil und würde sich sonst nach wenigen tausend Jahren verflüchtigen.
Bei Enceladus ist der mit Gas sowie Staub- und Eiskörnchen gefüllte E-Ring mit einer Höhe von wenigen tausend Kilometern am geringsten ausgedehnt und am dichtesten. In größerer Entfernung von Saturn – in der Region der Monde Rhea und Titan – bläht er sich auf eine Dicke von einigen Planetenradien beziehungsweise 50 000 Kilometer und mehr auf. Er hat damit die Form eines Torus, eher vergleichbar mit einem Riesendonut als mit den nur wenige Dutzend Meter dicken A- und B-Ringen.
Da die Teilchen des E-Rings allesamt von Enceladus stammen, liefert deren Analyse quasi einen Blick unter die Oberfläche des eisigen Himmelskörpers. Gehen die Fontänen auf geschmolzenes Eis in der Kruste zurück oder doch auf einen ausgedehnten unterirdischen Ozean? Wenn Letzteres der Fall ist, müsste dessen Wasser mit leicht löslichen Salzen aus dem felsigen Kern des Monds angereichert sein.
Zwei verschiedene Forschergruppen bestimmten jetzt die Menge an Natrium im E-Ring und bedienten sich dabei ganz unterschiedlicher Methoden. Ein Team um Nicholas Schneider von der University of Colorado setzte zwei Großteleskope ein, um nach bestimmten Spektrallinien von Natrium Ausschau zu halten. Dieses Verfahren kann schon geringe Mengen des Alkalimetalls nachweisen und war schon vielfach erfolgreich, beispielsweise bei Jupiters vulkanischem Mond Io, den dünnen Atmosphären von Kometen, Merkur und unserem eigenen Mond. Sowohl in der Umgebung von Enceladus als auch weiter draußen im E-Ring ist davon jedoch nichts zu sehen.
Eine Gruppe um Frank Postberg von der Universität Heidelberg wählte dagegen den direkten Weg: Es analysierte die E-Ring-Partikel mit dem Staubdetektor (Cosmic Dust Analyzer), den die Cassini-Sonde mit sich führt, vor Ort. Im Zuge zahlreicher Ringdurchflüge wurden mehrere tausend Teilchen eingesammelt und per Massenspektroskopie untersucht. Das Ergebnis: Alle Körnchen bestehen aus Wassereis und sechs Prozent davon haben einen merklichen Salzgehalt – darunter Natriumchlorid, Natriumkarbonat und -bikarbonat.
Widersprechen sich diese Befunde? Nein, räumt Schneider ein. Denn seine Methode kann nur atomares Natrium aufspüren, nicht jedoch solches, das in Eiskörnchen eingeschlossen ist. Planetologe John Spencer vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, vergleicht die beiden Studien und resümiert: "Auch wenn die Eiskörnchen irgendwann schmelzen und ihren Inhalt in den Torus abgeben, wird das Natrium zu sehr durch das restliche Gas verdünnt, um dort von Schneider und seinen Kollegen vom Erdboden aus gemessen werden zu können."
Die Schlussfolgerung aus dem Natriumfund mit Cassini ist eindeutig: "Unsere Beobachtung zeigt, dass es unter Enceladus' Eispanzer flüssiges Wasser gibt", erklärt Postberg. "Die natriumhaltigen Eispartikel sind quasi schockgefrostete Salzwassertröpfchen. Salzloser Dampf und andere Gase steigen von der Oberfläche der unterirdischen Gewässer auf und ziehen die Eispartikel mit, ehe sie schließlich mit hoher Geschwindigkeit durch Risse in der Eiskruste ins All geschleudert werden", führt der Physiker weiter aus. Allerdings wird die Fontäne nicht so explosiv und in Schüben wie bei einem Geysir erzeugt, denn der Vorgang liefe so schnell ab, dass sich das Natrium nicht in Eiskörnchen einlagern könnte.
Da die Salze aus dem Gesteinskern des Monds ausgewaschen worden sein müssen, kommen als Quellen nur große Wasserreservoire in hundert Metern Tiefe oder mehr infrage. Ihre Temperatur und ihr Salzgehalt ähneln denjenigen der irdischen Meere, so Postberg. Sie könnten untereinander zu einem großen Ozean verbunden sein.
Da schon früher verschiedene organische Verbindungen in den Fontänen gefunden wurden, ist Enceladus mit dem Nachweis von flüssigem Wasser zu einem der wenigen Kandidaten für die Entstehung von primitiven Lebensformen in unserem Sonnensystem geworden. Cassini wird bei den vier weiteren nahen Vorbeiflügen an dem kleinen Saturnmond bis 2010 danach Ausschau halten. Oliver Dreissigacker
Spencer, J.: Enceladus with a grain of salt. In: Nature 459, 1067-1068, 2009.
Postberg, F. et al.: Sodium salts in E-ring ice grains from an ocean below the surface of Enceladus. In: Nature 459, 1098-1101, 2009.
Schneider, N.M. et al.: No sodium in the vapour plumes of Enceladus. In: Nature 459, 1102-1104, 2009.
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