Klimawandel: Es grünt nicht mehr in Spanien
Zum wiederholten Mal im Jahr 2023 hatte eine Hitzewelle Spanien Anfang Juli im Griff, landesweit stiegen die Temperaturen auf über 40 Grad Celsius. Brütend heiß war es vor allem im Süden des Landes, dort wurden sogar über 44 Grad Celsius gemessen. Die Hitze brachte die Menschen an die Belastungsgrenze, nachts kühlte es in den großen Städten kaum unter 25 Grad Celsius ab. Regen oder Abkühlung waren vorerst nicht in Sicht. Und der Hochsommer hat auf der Iberischen Halbinsel gerade erst richtig begonnen.
Immer wieder Spanien: Das Land hat sich zu einem Hotspot des Klimawandels entwickelt, die Hitze setzt immer früher im Jahr ein und dauert häufig bis weit in den Herbst. Zudem heizt die Sonne das Land immer stärker auf, Temperaturen jenseits der 45 Grad Celsius treten mittlerweile jeden Sommer auf. Verschärfend hinzu kommt die Trockenheit: Im Sommer regnet es in großen Teilen des Landes immer weniger, dabei fällt in der heißen Jahreszeit ohnehin selten etwas Abkühlung vom Himmel. Jetzt bleibt aber auch im Winter häufiger der Regen aus.
Das Ergebnis: Große Teile Spaniens leiden unter der verheerendsten Dürre seit Jahrzehnten. Es regnet weniger und unregelmäßiger. Seit 2017 liegen die Niederschläge landesweit unter dem Schnitt, zudem verdunstet immer mehr Wasser aus den Böden. Deshalb kann sich regional die Hitze nun verstärken. Zwar habe es vor ein paar Wochen ein paar lokale Starkregenfälle gegeben, sagt Erich Fischer, Klimaforscher an der ETH Zürich, zuletzt sogar eine verheerende Sturzflut in Saragossa. Aber an vielen Orten habe sich die Trockenheitslage dadurch nicht entspannt. Der Dürremonitor der EU zeigte über Monate ein völlig ausgedörrtes Land, verbreitet herrscht Alarmstufe Rot, die höchste aller Dürrestufen. Die Brandgefahr ist entsprechend groß, im Hinterland sogar extrem. Nirgendwo in Europa ist die Gesamtlage so dramatisch wie in Spanien.
Dürre nur ein Vorgeschmack
Und das ist erst der Anfang. »Spanien und ganz Südeuropa erleben nicht nur eine große Erwärmung. Sie sind auch eine der Regionen, in denen wir in Zukunft die stärkste Niederschlagsabnahme erwarten«, sagt Fischer. Es wird also noch heißer und noch trockener, Spanien erwärmt sich schneller als der Rest Europas – zwei Grad höhere Durchschnittstemperaturen dürften spätestens im nächsten Jahrzehnt erreicht sein. Und das hat Folgen: Die Hitzebelastung wird ür die Bevölkerung zu einem immer größeren Problem, allmählich zerfallen Teile des Landes zu Staub und drohen zu versteppen. Damit steigt die Gefahr von Sturzfluten, weil die trockenen Böden wie plombiert sind und bei Gewittern kaum Wasser aufnehmen können.
Doch die Klimakrise erzeugt ein noch viel größeres Problem: extremen Wassermangel. Schon seit Jahren wird über die Verteilung des wertvollen Guts in Spanien gestritten, in diesem Jahr hat sich der Ton massiv verschärft. Zwischen Andalusien und Madrid fliegen die Giftpfeile hin und her, es tobt ein Kampf ums Wasser. Grund ist die intensive Bewässerung der Landwirtschaft im trockenen Süden. Doch Madrid möchte den Wassertransfer zum Entsetzen der Bauern im Süden nun begrenzen.
Da es im Süden in der Regel nur sporadisch regnet, ist Wasser das wertvollste Gut. Deshalb bohrt man entweder einen Brunnen, zapft einen Fluss an oder profitiert vom segensreichen Wirken des ehemaligen Diktators. Franco, der Wasserpopulist, hatte wie kein anderer zuvor Talsperren bauen lassen, die er als Sinnbild des nationalen Fortschritts pries. 372 Stauseen gibt es heute, doch die meisten sind nicht einmal mehr zur Hälfte gefüllt.
Der Gemüsegarten Europas – trotz Wassermangels
Das größte Wasserbauwerk ist der Tajo-Segura-Kanal, eine fast 300 Kilometer lange Betonrinne, die das kostbare Gut in den Südosten des Landes pumpt, hauptsächlich in die Region Murcia. Dabei wird Wasser aus dem Tajo, dem größten Fluss der Iberischen Halbinsel, entnommen und schließlich in den Segura geleitet, der in der Provinz Alicante ins Mittelmeer mündet. Über mehrere Stauseen, Aquädukte und Tunnel fließt das Wasser somit in den Südosten des Landes, versorgt neben Murcia auch Teile der Provinzen Valencia und Almería.
Mit dem Wasser aus dem Tajo konnte sich der karge Südosten des Landes in den »Garten Europas« verwandeln, der mit seinem Getreide-, Gemüse- und Obstanbau den halben Kontinent versorgt. Zu jeder Jahreszeit wird vor Ort geerntet, frisches Obst und Gemüse landen auch im Winter in unseren Supermärkten. Der Preis hierfür ist ein exponentiell wachsender Wasserkonsum für die immer zahlreicher werdenden Felder mit künstlicher Bewässerung. Mittlerweile verbraucht der Bewässerungsfeldbau mehr als 80 Prozent aller spanischen Ressourcen. Das liegt auch daran, dass Wasser in Spanien fast nichts kostet und deshalb im großen Stil vergeudet wird – seit 1866 ist das Oberflächenwasser Allgemeingut. Für Umweltschützer ist das der Hauptgrund für den Rückgang der Frischwasserressourcen.
Wasser kostet in Spanien fast nichts
Das ist zu viel Wasserverbrauch im dürregeplagten Spanien, argumentiert deshalb auch die Zentralregierung in Madrid um den sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Denn nicht nur führt der Klimawandel zu einem niedrigeren Abfluss, die an den Süden abgezweigten Mengen sind auch grundsätzlich zu hoch bemessen. Das liegt daran, dass die Ingenieure, die das gigantische Wasserbauwerk 1979 eröffneten, die Abflussmenge des Tajo an einem klimatischen Zeitraum orientierten, der überdurchschnittlich viel Regen brachte.
Als dann im zurückliegenden Winter der Regen mal wieder ausblieb und sich der Tajo in ein Rinnsal verwandelte, legte Sánchez einen Mindestdurchfluss für den Hauptstrom fest, damit der Fluss ökologisch nicht kippt. Unterschreitet der Tajo dieses Minimum, wird der Süden vom Flusswasser abgeschnitten. Die Regierung folgte damit der Wasserrahmenrichtlinie der EU, die die Umsetzung schon länger proklamierte. Außerdem wurde damit ein möglicher Streit mit dem Nachbarn Portugal abgewendet, der ebenfalls auf den Wasserreichtum der größten Lebensader Iberiens angewiesen ist.
Wasser auf die Mühlen der Populisten
Die Bauern im Süden werteten diesen Entscheid als Anschlag auf ihre Existenz. Entsprechend wütend fielen ihre Proteste aus, mit Traktoren fuhren sie vor dem Umweltministerium in Madrid vor. Die Bauern fühlen sich gegängelt: Sie sollen weniger Düngemittel und weniger Pestizide einsetzen und immer mehr Umweltauflagen einhalten. Und jetzt droht das Wasser auszugehen: Die Brunnen geben nichts mehr her, weil die Grundwasserstände historisch tief sind. Wasser aus Entsalzungsanlagen ist teuer. Zudem verbraucht der Tourismus gewaltige Mengen, und grasgrüne Golfplätze fallen im verdorrten Südspanien fast überall auf. Unterstützt werden die Bauern im Süden von der konservativen Regionalregierung PP, die in den Wahlumfragen vorne liegt.
Zum heißen Wahlkampfthema ist auch der Doñana-Nationalpark geworden. Das Naturschutzgebiet in der strukturschwachen Region Huelva, im Südwesten Spaniens, ist seit Jahren massiv bedroht, weil der intensive Erdbeeranbau um Doñana dem Weltnaturerbe der UNESCO buchstäblich das Wasser abgräbt. Was auf dem Spiel steht, ist nichts weniger als der wichtigste Nationalpark Iberiens. Er beheimatet unter anderem Flamingos und Luchse. Regelmäßig im Früh- und Spätjahr machen Millionen Zugvögel im sumpfigen Schwemmland Rast und stärken sich für den Weiterflug.
Deshalb schritt die Regierung in Madrid nun ein und verhinderte die weitere Ausweitung der Anbaufläche, zum Unmut der Bauern in der Region und der konservativen Regionalregierung Andalusiens. Als außerdem bekannt wurde, dass der Discounter Aldi Süd spanische Erdbeeren aus dem Sortiment streichen wollte, schaukelte sich der Konflikt im spanischen Wahlkampf zu einem beherrschenden Thema hoch. Diese Ankündigung hat Aldi mittlerweile zwar wieder kassiert, aber der Streit um das Naturparadies geht weiter.
Erdbeeren auf Kosten der Natur
Dass in der sengenden Sonne Südspaniens frische Früchte reifen, ist jedenfalls kein Wunder der Natur. 2800 Sonnenstunden hat die Region, Regen fällt kaum, Frost ist selten. Huelva bezieht sein Wasser von einem Stausee im Hinterland, zudem wurden in den vergangenen Jahren immer mehr illegale Brunnen gebohrt. Das ist auch bitter nötig: Die Erdbeerpflanzen sind sehr durstig, 150 bis 200 Liter werden für ein Kilo Erdbeeren verbraucht. Offiziell werden mehr als 10 000 Hektar bewirtschaftet, doch große Flächen werden illegal bewässert. 360 000 Tonnen werden jedes Jahr geerntet, der Großteil davon geht ins Ausland, hauptsächlich nach Deutschland.
Unterdessen leidet das Weltnaturerbe weiter. Das gesamte Feuchtgebiet wird nicht mehr regelmäßig überschwemmt, Lagunen trocknen aus, die Flamingos stehen auf trockenem Boden. Wie stark der Grundwasserspiegel gesunken ist, zeigt eine kürzlich erschienene Studie in »Science of The Total Environment«, die Satellitendaten zwischen 1985 und 2018 auswertete. Demnach sind 60 Prozent der Seen in diesem kurzen Zeitraum trockengefallen und für immer verschwunden.
Dass der Erdbeeranbau eines der größten Biodiversitätszentren Europas bedroht, könnte aber erst der Anfang sein. Der Klimawandel legt den jahrzehntelangen Raubbau an der Natur jetzt offen, große Reformen in der Landwirtschaft sind nicht zu erwarten. Denn in den Wahlumfragen sind die Konservativen weit vorne, eine Koalition mit der rechtsextremen Partei Vox gilt als wahrscheinlich. Die Aussichten für die Wasservorräte sind daher alles andere als heiter. (Anm. d. Red.: Der Artikel wurde am 9. August 2023 hinsichtlich der Temperaturen aktualisiert.)
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