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Projektion für 2100: Mehr als jedem dritten Menschen droht eine zu heiße Heimat

Gegen 2100 könnten rund vier Milliarden Menschen nicht mehr so leben und wirtschaften, wie wir es kennen: Der Klimawandel vertreibt sie aus der menschlichen Nische.
Rickschafahrer in Indien
Indien zählt zu den am stärksten betroffenen Ländern. Auf Grund der großen Bevölkerung werden in den kommenden Jahrzehnten eine Vielzahl von Menschen dort außerhalb der menschlichen »Klimanische« leben.

Den gängigen Prognosen zufolge wird es im Jahr 2100 im Schnitt rund 2,7 Grad Celsius heißer sein als noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Folgen dieser Erwärmung werden häufig in finanziellen Kosten ausgedrückt: Was muss die Menschheit bezahlen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern? In einer neuen Studie verfolgen Wissenschaftler um Timothy Lenton von der University of Exeter jedoch ein anderes Ziel: Sie quantifizieren die »menschlichen Kosten« der Erwärmung. Dazu berechnen sie, wie viele Menschen ihre Heimat verlieren könnten oder dort ein menschenunwürdiges Leben führen müssen, weil sie nahezu unbewohnbar geworden ist. Je nach zu Grunde gelegtem Szenario könnte am Ende des 21. Jahrhunderts rund ein Drittel der Menschheit oder mehr davon betroffen sein.

Als vereinfachtes Maß für die »menschliche Nische«, also jenen Bereich, in dem Menschen einem normalen, produktiven Leben nachgehen können, wählen die Wissenschaftler eine lokale Jahresmitteltemperatur von unter 29 Grad Celsius. Laut ihrer Studie im Fachblatt »Nature Sustainability« wird schon in den nächsten Jahren der Anteil der Menschen außerhalb dieses Bereichs stark wachsen. Im Jahr 1980 waren es weltweit lediglich 0,3 Prozent oder zwölf Millionen. Aktuell sind es in etwa 600 Millionen Menschen, und im Jahr 2030 könnte der Wert bereits bei einem Viertel der Menschheit oder rund zwei Milliarden liegen.

Ein entscheidender Faktor bei den Modellrechnungen ist die Entwicklung der Weltbevölkerung. Lenton und Team kalkulierten den Effekt eines mittleren Standardszenarios, bei dem sie einen Temperaturanstieg von 2,7 Grad bis 2100 mit einem Bevölkerungswachstum auf 9,5 Milliarden bei anschließender Schrumpfung auf 9 Milliarden kombinieren. Beides zusammengenommen ergibt den prognostizierten Wert von 3,3 bis 4,1 Milliarden Menschen oder rund 40 Prozent außerhalb der menschlichen Nische. Am meisten betroffen wären die Länder Indien, Nigeria und Indonesien. Manche Länder wie Burkina Faso oder Mali befänden sich dann mit ihrem kompletten Staatsgebiet außerhalb der Klimanische.

Gelänge es der Menschheit, den Klimawandel auf einen Temperaturanstieg auf 1,8 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu begrenzen, läge der Anteil der Menschen, die außerhalb der Nische leben müssen, immer noch bei zehn Prozent.

Beim Konzept der Nische gebe es »eine Reihe von Faktoren, die nicht berücksichtigt werden«, sagt Richard Klein vom schwedischen Stockholm Environment Institute dem Science Media Center. »Zum Beispiel können Dürre und Wüstenbildung bereits innerhalb der Klimanische auftreten. Mit anderen Worten: Es gibt Regionen innerhalb der menschlichen Klimanische, die aus anderen Gründen unbewohnbar werden könnten.« Dennoch zeige die Studie sehr gut das direkte menschliche Leid, das der Klimawandel verursachen könne: »Das Leben außerhalb der Nische bedeutet Leiden auf Grund eines unerträglich heißen und möglicherweise feuchten Klimas.«

In ihrer Studie hatten Lenton und Kollegen die Nische kalkuliert, indem sie ermittelten, wie viele Menschen bisher bei einer gegebenen Jahresmitteltemperatur leben. Sie stoßen auf zwei Spitzen, eine bei rund 13 Grad Celsius und eine weitere bei 27 Grad Celsius. Um diese Temperaturen herum leben jeweils die meisten Menschen, hier ist auch die lokale Wirtschaftsleistung am größten. 13 Grad entsprechen den gemäßigten Breiten, 27 Grad den fruchtbaren Gebieten unter Monsuneinfluss. Jenseits dieser 27 Grad gibt es historisch gesehen kaum noch nennenswerte Bevölkerungsanteile. Hier steigt auch die Sterblichkeit der Bewohner markant an.

Inwieweit sich Menschen an ein Leben außerhalb der Klimanische anpassen können, ist fraglich. »Eine Anpassung ist möglich, aber diese wird Geld kosten, das arme Länder und arme Menschen nicht haben«, sagt Christian Frantzke von der Pusan National University in Südkorea, ebenfalls auf Anfrage des Science Media Center. Nicht alle könnten sich eine Klimaanlage leisten, ohnehin finde in den ärmeren Ländern ein Großteil der Arbeit im Freien statt.

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