Palmöl: Ein unerwartetes Schlangenparadies
Indonesien ist der größte Produzent von Palmöl – und das Land mit den zweithäufigsten tödlichen Schlangenbissen der Welt. Und beides hängt zumindest bis zu einem gewissen Grad zusammen, denn in den Ölpalmenplantagen fühlen sich die stark giftigen Sumatra-Kobras (Naja sumatrana) besonders wohl. Die Art kommt nicht nur auf der namensgebenden Insel oft vor, sondern auch sonst in großen Teilen Südostasiens. Sie ist sehr anpassungsfähig und überlebt daher auch in den Plantagen, die prinzipiell als schlecht für die Biodiversität gelten, weil dafür oft Regenwälder weichen mussten. Ölpalmen tragen zur Erntezeit reichlich Früchte, was tierische Konsumenten wie Ratten anlockt, die ebenfalls zahlreich in den Plantagen hausen.
Reichlich Beute zieht wiederum entsprechende Jäger an, von denen die Kobras anscheinend am besten mit den Bedingungen in den Anbauflächen zurechtkommt. Da sie tagaktiv sind, begegnen ihnen die Arbeiter entsprechend häufig. Die Herpetologen Janaki Lenin und Romulus Whitaker bemerkten auf einer Plantage in nur zehn Tagen zwölf Kobras, ohne dass sie gezielt danach suchen mussten, schreiben sie in ihrem Blog: "Die Schlangen sind hier unglaublich häufig." Für unachtsame Erntehelfer stellen sie eine immense Gefahr da: Fatale Bisse kommen regelmäßig vor, das starke Toxin wirkt auf Herz und Nervensystem und führt rasch zum Tod, wenn nicht schnell Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Verschlimmert wird das Problem dadurch, dass es gegenwärtig kein gegen das Sumatra-Kobragift wirksames Antiserum gibt. Das in Indonesien gängige Mittel wirkt nur gegen das Toxin einer anderen Kobraart namens Naja sputatrix sowie der Malayischen Mokassinotter (Calloselasma rhodostoma) und der Gebänderten Krait (Bungarus fasciatus).
Gefährlich für die Arbeiter ist zudem ein weiteres Verhalten der Sumatra-Kobra: Fühlt sie sich bedroht, speit sie ihr Gift zielsicher in die Augen vermeintlicher Angreifer. Unbehandelt führt das zur Erblindung. Da die Schlangen sich auch in den Kronen der Ölpalmen aufhalten, kommen sie auf Kopfhöhe der Erntehelfer. Insgesamt sterben in Indonesien jährlich schätzungsweise 11 000 Menschen durch Schlangenbisse, wobei die Dunkelziffer hoch sein könnte: Derartige Todesfälle werden nicht zentral erfasst und nicht immer gemeldet.
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