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Entsalzung: Künstliche Mangroven entsalzen Wasser ohne Strom

Rekordverdächtiger Unterdruck treibt eine neu gebastelte künstliche Entsalzungsanlage mit natürlichem Vorbild. Wirklich entsalzen soll sie später allerdings nur nebenbei.
Mangrovenwald in Indien

Tüftler aus China und den USA haben ein Gerät entworfen, mit dem sie Brackwasser ohne Strom in Süßwasser verwandeln können. Inspiriert hat sie dabei die Natur: Ihre Technik fußt auf dem Prinzip der natürlichen Entsalzungsanlage der Mangrovenwälder. Diese wachsen in den Tropen und Subtropen im brackigen Wasser von meernahen Flusssystemen und entsalzen dort das Wasser über ihre Wurzelsysteme. Dies klappt nun auch im technischen Nachbau, bisher jedoch nur in kleinem Maßstab. Die stromlose Entsalzung sei nicht geeignet, Trinkwasser in großem Stil aus Meerwasser zu gewinnen, könnte sich aber durchaus etwa als effizientes Kühlungssystem für Gebäude eignen, schreiben die Wissenschaftler um Menachem Elimelech von der Yale University im Magazin »Science Advances«.

Das kleine Gerät saugt salzhaltige Flüssigkeit mit enormem Unterdruck durch eine Entsalzungsmembran und funktioniert somit ganz ähnlich wie eine Mangrove. Im biologischen Vorbild entsteht ein gegen die Schwerkraft nach oben gerichteter Flüssigkeitsstrom im Xylem, dem Wasserleitungssystem der Pflanze, weil Wasser ständig über die Öffnungen der Blätter verdunstet. Dort sorgen die kleinen Röhrchenporen, aus denen Wasser verdunstet, für eine Sogwirkung, die über intramolekulare Kräfte im Wasserfilm Flüssigkeit ständig über die dünnen Leitbahnen nach oben fördert. Auch im unteren Teil und in den im Wasser hängenden Wurzeln entsteht so ein Sog, der Wasser von außen durch eine Zellmembran ins Innere der Wurzeln zieht und dabei gleichzeitig entsalzt, weil die Membran die Ionen des Brackwassers zurückhält.

Prinzip der Mangroven-Entsalzung

Die neue Kunstmangrove macht, was ihr natürliches Vorbild vorlebt.

Im technischen Mangrovennachbau sorgt Verdunstung ebenfalls für einen sehr starken negativen Druck, wobei besonders stabile Hydrogel- Membranen mit Miniporen die Blätter nachahmen und das Wasser im Gerät durch poröses Material mit rund zehn Nanometer dicken Kapillarkanälen nachgeführt wird. Damit erreichen die Forscher eine starke Sogwirkung bis hin zu den unten montierten, etwas größeren Einlassöffnungen, die mit einer eingebetteten Entsalzungsmembran verschlossen sind.

Noch ist die künstliche Mangrove nicht in größeren technischen Anwendungen einsetzbar – die Wissenschaftler wollen an dem Gerät zunächst unter anderem offene Fragen zur natürlichen Wasserleitung in Mangroven und anderen großen Bäumen klären. Für eine großtechnische Entsalzungsanlage etwa zur Trinkwasseraufbereitung eigne sich das System ohnehin nicht wirklich: Die verdunsteten Wassermengen, die den Prozess antreiben, sind gering, und um den Prozess zu beschleunigen, müsste Strom von außen zugeführt werden. Damit entfalle aber der Hauptvorteil, der minimale Energieverbrauch. Denkbar sei jedoch, einmal die anfallende Verdunstungskühlung nutzen zu können – etwa wenn Kunstmangrovenanlagen auf großen Gebäuden in sehr heißen Regionen mit genug Grundwasser dieses stromlos nach oben saugen, über sehr dünne Leitungen auf der Gebäudeoberfläche verteilen und dort verdunsten lassen.


Die in einer früheren Version dieses Artikels zur Veranschaulichung aus der wissenschaftlichen Arbeit übernommenen Werte über Saugwirkung und Druckverhältnisse haben wir nachträglich herausgenommen, weil sie nicht zur Veranschaulichung beitragen.

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