News: Küss die Hand, Madame
Kapuzineraffen benutzen spezielle Rituale, um ihre Beziehungen untereinander zu testen. Zu den Gruppen- beziehungsweise Cliquen-spezifische Verhaltenweisen gehören Beschnüffeln der Hände, Saugen an Fingern, Ohren oder Schwanz sowie verschiedene "Spiele". Einige dieser Konventionen wurden von den Affen offenbar unabhängig voneinander an unterschiedlichen Orten in identischer Form "erfunden", andere wiederum verschwanden nach einigen Jahren wieder.
Soziales Lernen und soziale Traditionen – als ein Ergebnis sozialen Lernens – von Tieren sind heute ein wichtiges Forschungsgebiet, weil sie viel über die Entwicklung und die Ursprünge der menschlichen Kultur aussagen können. Die anthropologische Forschung zu diesem "Kulturelle Primatologie" genannten Forschungsgebiet konzentriert sich bisher nur auf die großen Menschenaffen. Doch soziales Lernen ist nicht nur auf Menschen und ihre engsten Verwandten beschränkt; einige der am besten dokumentierten Beispiele für soziales Lernen – das Liebeswerben von Kuhvögeln oder die Gesangstraditionen von Singvögeln – finden sich außerhalb des Primatenbereichs. Will man also die sozio-ökologischen Faktoren verstehen, die aus evolutionären Sicht das soziale Lernen fördern, ist es notwendig, in der Anthropologie über die Menschenaffen hinaus zu blicken.
Kapuzineraffen (Cebus capucinus) sind für solche Studien ein interessantes Beispiel, weil sie ebenfalls viele Verhaltensweisen entwickelt haben, die eigentlich nur für Menschen und/oder Schimpansen typisch sind. Kapuzineraffen haben im Vergleich zu ihrer Körpergröße ein außerordentlich großes Gehirn, leben in größeren Gruppen, sind Allesfresser, geschickte Jäger und versiert im Werkzeuggebrauch – und sie unterhalten komplexe soziale Beziehungen.
In mehr als dreizehn Jahren beobachteten Susan Perry vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und weitere neun Anthropologen an vier verschiedenen Teilen von Costa Rica dreizehn unterschiedliche Gruppen von Weißschulter-Kapuzineraffen. Bei ihren Beobachtungen konzentrierten sich die Forscher ausschließlich auf soziale Konventionen beziehungsweise Verhaltensrituale; Praktiken also, die von verschiedenen Mitgliedern einer Gruppe angewandt werden, über längere Zeit bestehen bleiben und von neuen Gruppenmitgliedern erlernt werden müssen. Menschliche Kulturen sind voller sozialer Konventionen, Regeln des sozialen Verhaltens in Gruppen oder Cliquen. Deshalb brauchen Fremde häufig Jahrzehnte, um sich an eine lokale Kultur soweit anzupassen, dass sie die subtilen Nuancen im Verhalten kennen und nicht mehr "anecken".
Die Forscher identifizierten drei typische Verhaltenskonventionen, die Affen in Ruhepausen benutzen: Handschnüffeln, Saugen an Körperteilen sowie verschiedene "Spiele". Beim Handschnüffeln legt sich ein Affe die Hand eines anderen auf Mund und Nase, so dicht, als würde er eine Gasmaske auflegen, und atmet dann Minuten lang tief ein. Im Extremfall steckt er sich sogar zwei Finger seines Gegenübers in die Nasenlöcher.
In einigen Gruppen wurden Paare von Affen wiederholt dabei beobachtet, wie sie lange Zeit damit zubrachten, an den Fingern, Zehen, Ohren oder dem Schwanz des anderen zu saugen – manchmal sogar wechselseitig.
Zudem konnten die Wissenschaftler beobachten, wie die Affen paarweise miteinander "spielten". Das am häufigsten beobachtete Spiel ist das "Finger-im-Mund-Spiel": Hierbei steckt ein Affe seinen Finger in den Mund des anderen, der dann zwar sacht, aber doch so fest auf den Finger beißt, dass dieser nicht einfach wieder aus dem Mund gezogen werden kann. Daraufhin unternimmt der so gefangene Affe alle möglichen Versuche und Verrenkungen, um seinen Finger wieder zu befreien. Hat er das dann einmal geschafft, steckt er seinen Finger erneut in den Mund des anderen Affen, oder aber der andere Affe ist jetzt an der Reihe, und das ganze Spiel beginnt von vorn.
Eine weitere Variante ist das "Haar-Spiel": Dabei beißt ein Affe dem anderen ein Büschel Haare aus dem Gesicht oder von der Schulter und behält die Haare dann im Mund. Der so beraubte Affe versucht nun, an seine Haare im Mund des anderen Affen zu kommen – mit den gleichen Techniken, wie beim "Finger-im-Mund-Spiel". Hat er die Haare zurück, versucht der andere, ihm diese wieder wegzunehmen, und so geht es weiter, bis alle Haare zu Boden gefallen oder anderweitig verloren gegangen sind.
Beim "Spielzeug-Spiel" schließlich steckt sich ein Affe ein Stöckchen, ein Blatt, ein Stück Rinde oder eine unreife Frucht in den Mund. Der zweite Affe versucht nun, den Mund des anderen zu öffnen und sich dieses "Spielzeug" herauszuholen. Hat er das endlich geschafft, steckt er sich das Stückchen selbst wieder in den Mund, und nun versucht der andere Affe wiederum, sich dieses Spielzeug zurück zu erobern.
Perry und ihre Kollegen gehen davon aus, dass Kapuzineraffen diese Verhaltensweisen an den Tag legen, um die Qualität ihrer sozialen Bindungen mit Gruppenmitgliedern immer wieder einem Test zu unterziehen. Alle diese Rituale sind mit einer gewissen Portion an Risiko oder zumindest Unbequemlichkeit für einen oder sogar beide Beteiligten verbunden. Von daher werden Affen nur bei Paaren mit einer starken Bindung diese vermutlich eher lästigen Handlungen als angenehm empfinden.
Trotz der Bedeutung, die soziale Konventionen für die menschliche Kultur haben, gibt es bisher nur sehr wenige Untersuchungen über soziales Lernen und Traditionen unter Affen und anderen Tieren. Susan Perry und ihre Kollegen hoffen, dass jetzt auch andere Wissenschaftler, die sich mit sozial kooperativen Tieren beschäftigen, beginnen werden, Beobachtungsdaten zu diesem Thema zu sammeln. Nur so werden wir nach und nach in der Lage sein nachzuvollziehen, wie stark soziale Konventionen bereits im Tierreich verbreitet sind und unter welchen Umständen sie entstehen.
Kapuzineraffen (Cebus capucinus) sind für solche Studien ein interessantes Beispiel, weil sie ebenfalls viele Verhaltensweisen entwickelt haben, die eigentlich nur für Menschen und/oder Schimpansen typisch sind. Kapuzineraffen haben im Vergleich zu ihrer Körpergröße ein außerordentlich großes Gehirn, leben in größeren Gruppen, sind Allesfresser, geschickte Jäger und versiert im Werkzeuggebrauch – und sie unterhalten komplexe soziale Beziehungen.
In mehr als dreizehn Jahren beobachteten Susan Perry vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und weitere neun Anthropologen an vier verschiedenen Teilen von Costa Rica dreizehn unterschiedliche Gruppen von Weißschulter-Kapuzineraffen. Bei ihren Beobachtungen konzentrierten sich die Forscher ausschließlich auf soziale Konventionen beziehungsweise Verhaltensrituale; Praktiken also, die von verschiedenen Mitgliedern einer Gruppe angewandt werden, über längere Zeit bestehen bleiben und von neuen Gruppenmitgliedern erlernt werden müssen. Menschliche Kulturen sind voller sozialer Konventionen, Regeln des sozialen Verhaltens in Gruppen oder Cliquen. Deshalb brauchen Fremde häufig Jahrzehnte, um sich an eine lokale Kultur soweit anzupassen, dass sie die subtilen Nuancen im Verhalten kennen und nicht mehr "anecken".
Die Forscher identifizierten drei typische Verhaltenskonventionen, die Affen in Ruhepausen benutzen: Handschnüffeln, Saugen an Körperteilen sowie verschiedene "Spiele". Beim Handschnüffeln legt sich ein Affe die Hand eines anderen auf Mund und Nase, so dicht, als würde er eine Gasmaske auflegen, und atmet dann Minuten lang tief ein. Im Extremfall steckt er sich sogar zwei Finger seines Gegenübers in die Nasenlöcher.
In einigen Gruppen wurden Paare von Affen wiederholt dabei beobachtet, wie sie lange Zeit damit zubrachten, an den Fingern, Zehen, Ohren oder dem Schwanz des anderen zu saugen – manchmal sogar wechselseitig.
Zudem konnten die Wissenschaftler beobachten, wie die Affen paarweise miteinander "spielten". Das am häufigsten beobachtete Spiel ist das "Finger-im-Mund-Spiel": Hierbei steckt ein Affe seinen Finger in den Mund des anderen, der dann zwar sacht, aber doch so fest auf den Finger beißt, dass dieser nicht einfach wieder aus dem Mund gezogen werden kann. Daraufhin unternimmt der so gefangene Affe alle möglichen Versuche und Verrenkungen, um seinen Finger wieder zu befreien. Hat er das dann einmal geschafft, steckt er seinen Finger erneut in den Mund des anderen Affen, oder aber der andere Affe ist jetzt an der Reihe, und das ganze Spiel beginnt von vorn.
Eine weitere Variante ist das "Haar-Spiel": Dabei beißt ein Affe dem anderen ein Büschel Haare aus dem Gesicht oder von der Schulter und behält die Haare dann im Mund. Der so beraubte Affe versucht nun, an seine Haare im Mund des anderen Affen zu kommen – mit den gleichen Techniken, wie beim "Finger-im-Mund-Spiel". Hat er die Haare zurück, versucht der andere, ihm diese wieder wegzunehmen, und so geht es weiter, bis alle Haare zu Boden gefallen oder anderweitig verloren gegangen sind.
Beim "Spielzeug-Spiel" schließlich steckt sich ein Affe ein Stöckchen, ein Blatt, ein Stück Rinde oder eine unreife Frucht in den Mund. Der zweite Affe versucht nun, den Mund des anderen zu öffnen und sich dieses "Spielzeug" herauszuholen. Hat er das endlich geschafft, steckt er sich das Stückchen selbst wieder in den Mund, und nun versucht der andere Affe wiederum, sich dieses Spielzeug zurück zu erobern.
Perry und ihre Kollegen gehen davon aus, dass Kapuzineraffen diese Verhaltensweisen an den Tag legen, um die Qualität ihrer sozialen Bindungen mit Gruppenmitgliedern immer wieder einem Test zu unterziehen. Alle diese Rituale sind mit einer gewissen Portion an Risiko oder zumindest Unbequemlichkeit für einen oder sogar beide Beteiligten verbunden. Von daher werden Affen nur bei Paaren mit einer starken Bindung diese vermutlich eher lästigen Handlungen als angenehm empfinden.
Trotz der Bedeutung, die soziale Konventionen für die menschliche Kultur haben, gibt es bisher nur sehr wenige Untersuchungen über soziales Lernen und Traditionen unter Affen und anderen Tieren. Susan Perry und ihre Kollegen hoffen, dass jetzt auch andere Wissenschaftler, die sich mit sozial kooperativen Tieren beschäftigen, beginnen werden, Beobachtungsdaten zu diesem Thema zu sammeln. Nur so werden wir nach und nach in der Lage sein nachzuvollziehen, wie stark soziale Konventionen bereits im Tierreich verbreitet sind und unter welchen Umständen sie entstehen.
© Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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