Lebensmittelchemie: Haferflocken plus Maggi macht Walnussgeruch
Walnüsse lassen sich anhand ihres Geschmacks klar von anderen nussartigen Früchten wie Haselnüssen, Mandeln oder Cashewkernen unterscheiden. Welche Inhaltsstoffe dafür verantwortlich sind, interessiert unter anderem im Hinblick auf die Züchtung neuer Sorten. Nachdem andere bereits 50 Jahre zuvor vergeblich nach den geruchsprägenden Aromastoffen der Walnuss (Juglans regia) gesucht hatten, gelang nun Christine Stübner und Martin Steinhaus vom Leibnitz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München die Identifizierung der zwei entscheidenden Komponenten.
Bei ihren Nachforschungen interessierten sich die beiden Lebensmittelchemiker für all jene Bestandteile der Walnusskerne, die leicht flüchtig sind, also einen gasförmigen Zustand annehmen können. Die Einschränkung liegt nahe, denn unser Eindruck vom Geschmack einer Speise wird sehr stark vom Geruchssinn geprägt. Dieser erkennt die große Vielfalt an flüchtigen Aromastoffen, von denen manche erst beim Kauen freigesetzt werden. Die Zunge, deren Sinneszellen für die Qualitäten süß, sauer, salzig, bitter, umami (das Fleischaroma) oder scharf zuständig sind, spielt dagegen bei der Geschmacksempfindung eher eine untergeordnete Rolle. Die Grenzen zwischen Geschmack und Geruch erscheinen demnach fließend.
Das Ausgangsmaterial für ihre Experimente gewannen die Wissenschaftler, indem sie Walnusskerne zu einem feinen Mus zerkleinerten und mit dem früher als Narkosemittel bekannten Diethylether die flüchtigen Inhaltsstoffe herauslösten. Mit einem Routineverfahren der chemischen Analyse, der Massenspektroskopie, identifizierte das Team 50 verschiedene Bestandteile des extrahierten, nach Walnuss riechenden Gemisches, die bereits als Aromastoffe bekannt sind. Die meisten davon ließen sich als Abbauprodukte von Fettsäuren einordnen, die unter Einwirkung von Sauerstoff entstehen.
Die Geruchsqualitäten dieser Substanzen reichten von Fettgeruch über Blütenduft bis hin zu grasartig, süßlich oder käsig. Dass keine der Substanzen für sich allein den typischen Walnussgeruch zeigte, hatten die Wissenschaftler erwartet, da charakteristische Geruchsnoten häufig erst durch das Zusammenwirken mehrerer Stoffe zu Stande kommen. Und wegen der früheren vergeblichen Nachforschungen schien es naheliegend, dass dies auch bei der Walnuss zutrifft.
Herauszufinden, welche der 50 jetzt gefundenen Kandidaten für den Walnussgeschmack verantwortlich sind, erforderte systematische Fleißarbeit und das Geschick einer Gruppe von Personen, die darauf geschult waren, den Geruch von Substanzmischungen zu beurteilen. Eine einfache Beobachtung erleichterte die Arbeit: Zwei der Substanzen, Sotolon und (2E,4E,6Z)-Nona-2,4,6-trienal, stachen durch ihren äußerst starken Geruch hervor (siehe »Die Mischung macht's«). Im Gegensatz zu den allermeisten übrigen Stoffen waren sie in Riechtests selbst dann noch wahrnehmbar, wenn ihre Konzentration etwa 500- bis 1000-fach unter der in den Walnusskernen lag.
Die beiden Kandidaten, die in Walnüssen in einer Konzentration von jeweils zehn Mikrogramm pro Kilogramm vorlagen, riechen für sich allerdings überhaupt nicht nach Walnuss: Sotolon vermittelt das intensive Aroma von Gewürzpflanzen wie Liebstöckel oder Bockshornklee sowie von der bekannten Maggiwürze, von Currypulver oder Sojasauce. (2E,4E,6Z)-Nona-2,4,6-trienal prägt den Geruch von Haferflocken und trägt unter anderem zum Duft von schwarzem Tee bei.
Stichfeste Indizien für die Bedeutung der beiden Aromastoffe lieferten umfangreiche Riechtests, in denen die 50 Kandidaten entweder als Einzelsubstanzen oder in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz kamen. Um die Verhältnisse in den fettreichen Walnüssen nachzustellen, lösten die Chemiker die Testsubstanzen in Öl mit Zusatz von Phosphatpuffer auf. Anschließend verglichen die Testpersonen den jeweiligen Geruch mit dem des kompletten Gemisches. Zu guter Letzt bestätigten die Forscher die Bedeutung der Aromastoffe von Liebstöckel und Haferflocken, indem sie das komplette, nach Walnuss riechende Ausgangsgemisch mit Proben verglichen, denen jeweils eine Komponente fehlte.
Entscheidend ist das Mengenverhältnis
Tatsächlich ließ sich in solchen Experimenten mit einer Zwei-Komponenten-Mixtur aus Sotolon und (2E,4E,6Z)-Nona-2,4,6-trienal der Walnussgeruch am besten nachstellen. Als entscheidend erwies sich dabei das Mengenverhältnis: Der typische Geruch erschien am intensivsten, wenn beide Substanzen – wie in Walnusskernen – als Eins-zu-eins-Mischung vorlagen. Anders riechende Früchte wie Cashew, Haselnuss oder Mandeln enthalten zwar ebenfalls die beiden Stoffe, allerdings in einem abweichenden Verhältnis. Dies gilt auch für Pekannüsse, obwohl sie ähnlich schmecken wie die mit ihnen verwandten Walnüsse.
Der verblüffende Befund lässt sich laut Arbeitsgruppenleiter Martin Steinhaus in der Küche einfach nachvollziehen: Man gebe einen Esslöffel Haferflocken in ein Glas und mische sie mit Liebstöckel enthaltender Suppenwürze. Für das richtige Mengenverhältnis sollte die Würze vorsichtig zugetropft werden, wobei man zwischendurch immer wieder kurz am Gemisch schnuppert. Mit etwas Geduld sollte sich so der typische Walnussduft einstellen.
Das Phänomen völlig neuer Geschmacksqualitäten durch die Kombination von Aromastoffen ist nicht neu: So lässt sich ein fischartiger Geruch erzielen, wenn man das an gekochte Kartoffeln erinnernde Methional mit dem nach Geranienblättern duftenden (5Z)-Octa-1,5-dien-3-on mischt. In diesem Fall erweist sich ein Mengenverhältnis von 100 zu 1 als optimal. Im Hinblick auf die große Zahl bekannter Aromastoffe könnten bei weiteren Nachforschungen durchaus noch mehr derartige Beispiele auftauchen.
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