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Neuropsychiatrie: Manische Maus

Unkalkulierbare Stimmungsschwankungen gelten als typisch für Manisch-Depressive. Bislang gab es keine Versuchstiere, an denen sich dieses Krankheitsbild studieren ließe. Doch jetzt haben Forscher an den Genen der inneren Uhr von Mäusen gedreht.
Innere Uhr
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – Manisch-Depressive leiden unter einem unkontrollierbaren Wechsel zwischen tiefer Niedergeschlagenheit und überschwänglicher Euphorie. In den oft monatelangen depressiven Phasen quälen sich die Betroffenen mit Niedergeschlagenheit, Interessen- und Antriebslosigkeit, gepaart mit irrationalen Angstzuständen. Dann tritt plötzlich das genaue Gegenteil auf: In der manischen Hochphase steigt die Stimmung rapide an und äußert sich in oft sinnlosen Aktivitäten, sprudelndem Redefluss, sprunghaftem Denken sowie gesteigertem Risikoverhalten mit maßloser Selbstüberschätzung bis hin zu Wahnvorstellungen.

Inzwischen gilt als sicher, dass eine Störung des Neurotransmitterhaushalts im Gehirn der Betroffenen zu diesem auch bipolare Störung genannten Krankheitsbild zumindest beiträgt. Ärzte versuchen daher hier medikamentös einzugreifen, um so ihren Patienten zu helfen. Doch um die Wirksamkeit von Arzneien testen zu können, bedarf es geeigneter Versuchstiere – an denen es bislang mangelte.

Ein Tiermodell für die eine Seite der bipolaren Störung, die Manie, versuchten jetzt Colleen McClung vom Southwestern Medical Center der Universität von Texas in Dallas und ihre Kollegen zu kreieren. Die Forscher stützten sich auf die bekannte Beobachtung, dass die innere Uhr von Manisch-Depressiven häufig anders tickt. So leiden über die Hälfte der Schwermütigen unter starken Schlafstörungen, während sie in den manischen Phasen fast ohne Schlaf auskommen.

Um an der inneren Uhr der Maus zu drehen, manipulierten sie das Gen Clock – ein wesentlicher genetischer Taktgeber für die Tagesrhythmik. Anschließend mussten die Clock-Mutanten verschiedene Tests über sich ergehen lassen.

"Das Verhalten entspricht den euphorischen und manischen Stimmungen von Patienten mit bipolaren Störungen"
(Colleen McClung)
Die Genmanipulation zeigte ihre Wirkung: Die Mausmutanten fielen durch ein Tag und Nacht andauerndes, übersteigertes Aktivitätsbedürfnis auf. Dem Genuss von Kokain schienen sie eher zugeneigt als ihre normalen Artgenossen. Und als die Forscher den Nagern die Möglichkeit gaben, sich per implantierter Hirnelektroden selbst zu belohnen, machten die Tiere davon rege Gebrauch. Die Neigung zum Drogenkonsum gilt wiederum als typisch für Manie.

Bei Verhaltenstests offenbarte sich ebenfalls der Stimmungswandel der Mäuse: Hineingeworfen in kaltes Wasser verharrten sie nicht in hilfloser Verzweiflung, sondern fanden schnell das rettende Ufer. Auch schienen die manischen Mäuse keine Angst mehr zu kennen und erkundeten neugierig ungeschützte Flächen oder gähnende Abgründe. "Diese Verhaltensweisen entsprechen den euphorischen und manischen Stimmungen, die Patienten mit bipolaren Störungen kennen", meint McClung.

Doch nicht nur das – die Manie der Mäuse ließ sich sogar medikamentös wieder beheben: Lithium, ein alt bewährtes Mittel, verwandelte die Tiere zurück in normal ängstliche Wesen. Nachdem die Forscher über ein Virus ein funktionfähiges Clock-Gen in das Gehirn der Mausmutanten übertrugen, sodass das entsprechende Protein wieder hergestellt werden konnte, zeigten sich die Tiere ebenfalls wieder halbwegs normal.

"Der Mangel eines Tiermodells für bipolare Störungen hat unsere Bemühungen, die biologischen Grundlagen dieser Krankheit zu verstehen, erheblich beeinträchtigt", betont der ebenfalls an der Studie beteiligte Psychiater Eric Nester. Vielleicht können die manischen Mausmutanten jetzt einen kleinen Beitrag leisten, ein schweres psychisches Leiden besser in den Griff zu kriegen.

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