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Medizintechnik: Minikraftwerk im Herzen

Immer kleinere technische Helfer sollen im Herzen, Hirn, Ohr oder Auge die natürlichen Funktionen unterstützen oder gar ersetzen. Doch dafür brauchen sie Energie. Statt auf klassische Batterien setzen Forscher verstärkt auf eine körpereigene Quelle: Glukose.
Prototyp einer Biobrennstoffzelle
Herzschrittmacher verlängern seit annähernd fünfzig Jahren Menschenleben. Das mittlere Implantationsalter der Patienten beträgt 75 Jahre. Einmal implantiert, kann der winzige Helfer im Mittel acht Jahre im Körper verbleiben. Dann aber ist seine Energiequelle, die Batterie, verbraucht – oft nicht genug für ein langes Menschenleben. Die Konsequenz ist eine erneute Operation, in der die Stromversorgung entfernt und durch eine neue ersetzt wird. Nicht nur in hohem Alter durchaus ein Risiko für den Patienten.

Dabei gibt es eine Energieressource, die praktisch unbegrenzt im menschlichen Körper vorhanden ist. Wir nehmen sie täglich mit der Nahrung auf: Traubenzucker beziehungsweise Glukose. Diese nie versiegende Quelle wollen Forscher wie die Freiburger Wissenschaftler um Roland Zengerle vom Lehrstuhl für Anwendungsentwicklung des Instituts für Mikrosystemtechnik für Herzschrittmacher und andere medizinische Implantate, die über längere Zeit im Körper verbleiben, künftig anzapfen.

Die Brennstoffzellenreaktion | Der in Körperflüssigkeit gelöste Sauerstoff oxidiert Blutzucker. Das Reaktionsprodukt Glukonsäure ist ungefährlich und wird vom Organismus abgebaut.
Biobrennstoffzellen heißen die Mikrokraftwerke, die aus der üblichen Glukosekonzentration in Körperflüssigkeit von einem halben bis ein Promille eine Leistungsdichte bis vier Mikrowatt pro Quadratzentimetre erzeugen können. "Bei einem Leistungsbedarf eines modernen Herzschrittmachers von zehn Mikrowatt reichen also drei Quadratzentimeter Brennstoffzellenfläche, um ihn zu betreiben", erläutert der Ingenieur Sven Kerzenmacher vom Institut für Mikrosystemtechnik. In der Biobrennstoffzelle, an unter der Leitung von Felix von Stetten geforscht wird, oxidiert der im Blut gelöste Sauerstoff Blutzucker elektrochemisch. "Mit Enzymen als Katalysatoren lassen sich noch höhere Leitungsdichten erzielen. Sie sind aber nicht langzeitstabil. Deshalb verwenden wir abiotische Katalysatoren wie Platin und Aktivkohle", so Kerzenmacher weiter.

Keine ganz neue Idee: Mitarbeiter der Firma Siemens entwickelten bereits 1972 erste Modelle einer implantierbaren Glukosebrennstoffzelle. Allerdings verlor sich das Interesse an diesem Projekt durch die 1975 aufkommenden leistungsstarken Lithium-Iod-Batterien wieder. In Zeiten, in denen Patienten immer älter und Mikroimplantate, die deren Körperfunktionen überwachen, künftig immer häufiger werden, gerät die Biobrennstoffzelle heute wieder in den wissenschaftlichen Fokus.

"Die Herausforderungen des Forschungsprojekts sind auch nach 25 Jahren noch die gleichen", erläutert Kerzenmacher. Ein grundlegendes Problem ist, dass Sauerstoff und Glukose in Körperflüssigkeit immer als Gemisch vorliegen. Doch zur reibungslosen Funktion und höchster Effizienz der Brennstoffzelle darf zur Kathode ausschließlich Sauerstoff und zur Anode ausschließlich Glukose vordringen.

Bereits Anfang der 1970er Jahren wurde den Ingenieuren zur Lösung dieses Problems klar: die abiotische Glukose-Brennstoffzelle muss aus mehreren Schichten gleich einem Sandwich aufgebaut sein.

Hydrophobe Membran | Die Reaktanden Sauerstoff und Glukose liegen in Körperflüssigkeit immer als Gemisch vor. Die wasserabweisende (hydrophobe) Membran auf der rechten Seite der Biobrennstoffzelle sorgt für die nötige Trennung der Reaktanden.
Heute testen die Forscher am Institut für Mikrosystemtechnik hauptsächlich zwei verschiedene Designs. Die höher effiziente Methode ist die der hydrophoben Kathodenmembran: eine Wasser abweisende Beschichtung auf der Kathode verhindert, dass Glukose an diese vordringt. Auf der anderen Seite der Sandwichstruktur hingegen befindet sich eine hydrophile Membran und eine etwas breitere Anode. Die Konzentration des Sauerstoffs fällt über die Breite der Anode stärker ab als die der Glukose. Somit entsteht kein unerwünschtes Mischpotenzial.

Sauerstoffverzehrende Kathode | Dieses Design der Biobrennstoffzelle lässt sich dank Platz sparender sauerstoffverzehrender Kathode auf der Implantatoberfläche aufbringen.
Der zweite Lösungsansatz ist ein nur zu einer Seite offener Sandwichaufbau mit einer vorgelagerten sauerstoffselektiven Kathode. Aktivkohle, eine hochporöse Form von Kohlenstoff, stellt als Katalysator auf der Eingangsseite eine sauerstoffverzehrende Barriere dar. Glukose dagegen kann die Kathode weiter bis zur Anode passieren, wo sie schließlich oxidiert wird. "Diese Bauform der Brennstoffzelle hat den Vorteil, dass man die Oberfläche eines zu versorgenden Implantats effektiv nutzen kann", sagt Kerzenmacher, "deshalb konzentrieren wir uns auf dieses Konzept". Zur Glukoseoxidation an der Anode verwenden die Forscher neben reinem Platin auch Platinlegierungen als Katalysatoren. Die Legierungsatome dienen als Platzhalter und werden vor dem Einsatz der Elektrode wieder herausgelöst, um so eine poröse Platinoberfläche mit hoher katalytischer Aktivität zu erzeugen.

Langzeitversuche aus den 1970er Jahren bestätigten: Die abiotische Direkt-Glukose-Brennstoffzelle liefert zuverlässig Energie. Dank biokompatibler Materialien gab es auch keine Probleme mit der körpereigenen Immunabwehr, sodass die Leistungsfähigkeit des Kleinkraftwerks im Rahmen der Testdauer von 150 Tagen nicht wesentlich herabgesetzt wurde. Bis zum klinischen Einsatz des Minikraftwerks wird dennoch einige Zeit vergehen. "Fragen, die uns im Moment beschäftigen, sind die Optimierung der Leistungsfähigkeit und die Langzeit-Biokompatiblität der Brennstoffzelle", resümiert Kerzenmacher.

Prototyp | Freiburger Wissenschaftler um Dr. von Stetten testen die Leistungsfähigkeit der Direkt Glukose Brennstoffzelle mit diesem Prototyp unter Laborbedingungen. Die Brennstoffzellenfläche beträgt in diesem Modell 2,25 cm2
Werden die Menschen also künftig zu wandelnden Steckdosen und betreiben ihre MP3-Player und Handys batterielos per transkutanem Kabel? In naher Zukunft sicher nicht: Bei der momentanen Leistungsfähigkeit der Brennstoffzelle müsste dazu die Fläche des Minikraftwerks immens gesteigert werden. "Das kann innerhalb des Körpers nur begrenzt funktionieren", bestätigt Kerzenmacher. Aus diesem Grund wird der mögliche Einsatz der Glukose-Brennstoffzelle in absehbarer Zeit auf Herzschrittmacher beschränkt sein. Andere Implantate, wie ein Cochlea-Implantat, sind momentan noch zu energiehungrig. Allerdings könnte die Brennstoffzelle hier unterstützend wirken und Batterielaufzeiten verlängern. Künftige Implantate, wie Retina-Implantate oder Hirnschrittmacher, sind möglicherweise sogar auf die elektrischen Minikraftwerke angewiesen, da bei ihrer immer winzigeren Bauweise immer weniger Raum für Batterien bleibt.

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