Populationsgenetik: Mit Mann und Maus
Sie gelten als Kulturfolger schlechthin. Und deshalb können Hausmäuse auch etwas über die Ausbreitung des Menschen auf der Erde erzählen - von Großbritannien bis Neuseeland.
"Navigare necesse est" – "Seefahrt tut not", wussten schon die alten Römer und marinebegeisterte Dichter wie Gorch Fock. Doch was tun, wenn man gedenkt, die Welt zu erobern, aber keine Schiffe bauen kann? Man entert sie.
Derart kriegslüsternes Gedankengut liegt der Hausmaus sicherlich fern. Dennoch hat sich das kleine Nagetier der Schiffsbautechniken seines Wirts, einer Spezies namens Homo sapiens, geschickt bedient, um über die sieben Weltmeere jeden abgelegenen Winkel des Planeten zu erreichen.
Doch spätestens am Ärmelkanal endete die Reise zu Pfötchen, wie Jeremy Searle bestätigte. Der Biologe von der University of York interessierte sich näher für die Eroberungszüge der Hausmaus in seiner britischen Heimat. Zusammen mit seinen Kollegen machte er sich die Tatsache zu Nutze, dass sich individuelle genetische Unterschiede im Erkennungsmuster so genannter Restriktionsenzyme widerspiegeln. Mit Hilfe dieses kurz RFLP (restriction fragment length polymorphism) genannten Phänomens lassen sich daher Stammbäume nah verwandter Organismen aufstellen.
328 Mäuse von 105 Standorten auf den britischen Inseln lieferten den Wissenschaftlern die Datenbasis, um die Geschichte von Maus und Mann in Großbritannien aufzuspüren [1]. Wie zu erwarten, scheinen die ersten Hausmäuse bereits in der Bronze- und Eisenzeit den Weg nach Südengland gefunden zu haben. Spätestens mit der römischen Eroberung gelangte dann ganz England fest in Mäusehand.
Ein Blick ins Geschichtsbuch klärt auf: Am Morgen des 8. Juni 793 erlebten die Mönche des Klosters Lindisfarne vor der nordenglischen Küste ein böses Erwachen – besser gesagt: Viele überlebten es nicht. Die Wikinger hatten Großbritannien ihren ersten Besuch abgestattet und bauten in den folgenden Jahrhunderten ihre Vormachtstellung aus. So entstand auch auf den Orkney-Inseln ein wichtiger Stützpunkt der Nordmänner.
Und in der Last der Drachenboote hatten sich kleine graue Nager als blinde Passagiere eingeschlichen, sind Searle und Co überzeugt. Zwar wollen die Forscher nicht ausschließen, dass auch vor den Wikingern Mäuse auf den Orkneys lebten; hierfür fehlen allerdings Knochenfunde als Beleg.
Die einwandernden Mäuse müssen auch nicht unbedingt norwegischen Ursprungs sein. Vielmehr förderte vermutlich der Schiffsverkehr der Wikingerzeit und die Gründung von Städten im Mittelalter ihre Ausbreitung.
Auch die Nachfahren der Angelsachsen und Wikinger pflegten zur See zu fahren. Einer von ihnen, James Cook (1728-1779), erreichte im Jahr 1769 mit der Besatzung seines Schiffs "Endeavour" Neuseeland. Mit an Bord natürlich – Mäuse.
Die Mäusesituation erweist sich hier allerdings als ein wenig komplizierter, tummeln sich doch mit M. musculus domesticus, M. musculus musculus und M. musculus castaneus gleich drei Unterarten des Nagers auf der Doppelinsel. Doch auch hier konnte Searles Team mit der tatkräftigen Unterstützung von 755 Mäusen, gefangen an 22 Orten Neuseelands, die Nagerinvasion rekonstruieren [2].
Demnach waren die neuseeländischen Inseln zur Zeit der polynesischen Besiedlung im 13. Jahrhundert wohl noch mausfrei.
Somit erwies sich Neuseeland als genetischer Schmelztiegel für Mann und Maus. "Es ist sicher", so schreiben die Autoren, "dass das neuseeländische Archipel genauso aus der ganzen Welt 'bemaust', wie es auch 'bevölkert' wurde."
Derart kriegslüsternes Gedankengut liegt der Hausmaus sicherlich fern. Dennoch hat sich das kleine Nagetier der Schiffsbautechniken seines Wirts, einer Spezies namens Homo sapiens, geschickt bedient, um über die sieben Weltmeere jeden abgelegenen Winkel des Planeten zu erreichen.
Dabei begann die Seefahrerkarriere von Mus musculus mitten auf dem Festland: Irgendwo in Indien vor einer halben Million Jahre verlieren sich die Spuren. Als ständiger Begleiter des Menschen taucht die Hausmaus vor 10 000 Jahren im "Fruchtbaren Halbmond" des Nahen Ostens auf, wo sie erstmals von der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Menschen profitieren konnte. Von hier aus erreichte sie – wohl noch zu Fuß – den Mittelmeerraum und Europa und spaltete sich in die Westliche (M. musculus domesticus) und die Östliche Hausmaus (M. musculus musculus) auf.
Doch spätestens am Ärmelkanal endete die Reise zu Pfötchen, wie Jeremy Searle bestätigte. Der Biologe von der University of York interessierte sich näher für die Eroberungszüge der Hausmaus in seiner britischen Heimat. Zusammen mit seinen Kollegen machte er sich die Tatsache zu Nutze, dass sich individuelle genetische Unterschiede im Erkennungsmuster so genannter Restriktionsenzyme widerspiegeln. Mit Hilfe dieses kurz RFLP (restriction fragment length polymorphism) genannten Phänomens lassen sich daher Stammbäume nah verwandter Organismen aufstellen.
328 Mäuse von 105 Standorten auf den britischen Inseln lieferten den Wissenschaftlern die Datenbasis, um die Geschichte von Maus und Mann in Großbritannien aufzuspüren [1]. Wie zu erwarten, scheinen die ersten Hausmäuse bereits in der Bronze- und Eisenzeit den Weg nach Südengland gefunden zu haben. Spätestens mit der römischen Eroberung gelangte dann ganz England fest in Mäusehand.
Während die Vorfahren dieser Einwanderer vermutlich aus dem heutigen Deutschland stammten, fanden die Mausgenetiker bei den Nagern auf den Orkney-Inseln ein anderes Bild. Diese Tiere unterschieden sich genetisch von ihren Kompagnons auf der britischen Hauptinsel, ähnelten aber denen auf Irland.
Ein Blick ins Geschichtsbuch klärt auf: Am Morgen des 8. Juni 793 erlebten die Mönche des Klosters Lindisfarne vor der nordenglischen Küste ein böses Erwachen – besser gesagt: Viele überlebten es nicht. Die Wikinger hatten Großbritannien ihren ersten Besuch abgestattet und bauten in den folgenden Jahrhunderten ihre Vormachtstellung aus. So entstand auch auf den Orkney-Inseln ein wichtiger Stützpunkt der Nordmänner.
Und in der Last der Drachenboote hatten sich kleine graue Nager als blinde Passagiere eingeschlichen, sind Searle und Co überzeugt. Zwar wollen die Forscher nicht ausschließen, dass auch vor den Wikingern Mäuse auf den Orkneys lebten; hierfür fehlen allerdings Knochenfunde als Beleg.
Die einwandernden Mäuse müssen auch nicht unbedingt norwegischen Ursprungs sein. Vielmehr förderte vermutlich der Schiffsverkehr der Wikingerzeit und die Gründung von Städten im Mittelalter ihre Ausbreitung.
Auch die Nachfahren der Angelsachsen und Wikinger pflegten zur See zu fahren. Einer von ihnen, James Cook (1728-1779), erreichte im Jahr 1769 mit der Besatzung seines Schiffs "Endeavour" Neuseeland. Mit an Bord natürlich – Mäuse.
Die Mäusesituation erweist sich hier allerdings als ein wenig komplizierter, tummeln sich doch mit M. musculus domesticus, M. musculus musculus und M. musculus castaneus gleich drei Unterarten des Nagers auf der Doppelinsel. Doch auch hier konnte Searles Team mit der tatkräftigen Unterstützung von 755 Mäusen, gefangen an 22 Orten Neuseelands, die Nagerinvasion rekonstruieren [2].
Demnach waren die neuseeländischen Inseln zur Zeit der polynesischen Besiedlung im 13. Jahrhundert wohl noch mausfrei.
"Das neuseeländische Archipel wurde aus der ganzen Welt 'bemaust'"
(Jeremy Searle et al.)
Erst die britischen Kolonisten schleppten M. musculus domesticus ein, gefolgt von M. musculus musculus, die Einwanderer aus Mitteleuropa im Schiffsgepäck hatten. Mit britischen Handelskontakten nach China sowie ab 1869 mit einwandernden chinesischen Bergarbeitern fand dann schließlich auch M. musculus castaneus den Weg zu diesem entlegenen Winkel der Erde. (Jeremy Searle et al.)
Somit erwies sich Neuseeland als genetischer Schmelztiegel für Mann und Maus. "Es ist sicher", so schreiben die Autoren, "dass das neuseeländische Archipel genauso aus der ganzen Welt 'bemaust', wie es auch 'bevölkert' wurde."
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